Linz: Eine Schule für ALLE!
Foto: Verein Miteinander
Wie kann Inklusion in der Bildung gelingen? Utl.: Podiumsdiskussion des Vereins Miteinander versuchte umfassende und tiefgreifende Antworten zu finden, denn: „Wer Inklusion will sucht Wege, wer sie nicht will sucht Begründungen.“
Eines stand gestern am 12. September 2017 in der Privaten Hochschule der Diözese Linz für alle Teilnehmer und Teilnehmerinnen ohne Wenn und Aber fest: Wir müssen alle miteinander auskommen. Wir leben zusammen, also müssen wir auch gemeinsame Lösungen finden.
Best Practice in Südtirol
Wie ein inklusives Schulsystem wirklich gut funktionieren kann, zeigte Herr Mag. Franz Lemayr – Schulinspektor der Fachstelle für Inklusion und Gesundheitsförderung in Bozen – gleich zu Beginn auf. In Südtirol wurde die inklusive Verantwortung nämlich der gesamten Schulgemeinschaft übergeben, mit unterschiedlichen kollegialen Gremien und Entscheidungsgemeinschaften und das funktioniert natürlich nur mit einem klaren gesetzlichen Auftrag und das schon seit genau 40 Jahren.
„Hier macht die gute Mischung aus verschiedenen Begabungen und Haltungen eine gute Schule aus. Die Haltung der Mitschüler/innen und die Haltung der Lehrer/innen sind ein maßgeblicher Faktor für das Gelingen von Inklusion, nicht die Größe der Klasse oder die Lehrinhalte sind dabei ausschlaggebend“, betonte Lemayr gestern.
Als Basis für das praktische Gelingen und Umsetzen von Lernzielen dient dabei die Erstellung und Umsetzung eines individuellen Bildungsplan für Schüler/innen mit Beeinträchtigungen bzw. erhöhtem Förderbedarf: Hier werden alle Maßnahmen in einem verbindlichem Dokument zusammengefasst. Alle Ziele, alle Inhalte, alle Maßnahmen für eine gelungene Teilhabe in der Schulklasse. Der Schulunterricht ist didaktisch IMMER so anzulegen, dass viele individuelle Zugänge möglich sind, um alle allgemeinen oder individuellen Lernziele zu erreichen, und das für alle Schüler/innen.
Politische Zielsetzungen
Bundesministerin Dr.in Sonja Hammerschmid setzt genau hier an, sie betrachtet das Südtiroler Modell als Best Practice Beispiel mit vielen Ideen für Österreich. Die Grundlage für ein inklusives Schulsystem in Österreich sieht sie in dem beschlossenen Autonomiepaket für Schulen. „Integration in der Bildung, bedeutet Integration in die Gesellschaft und das wiederum bedeutet auch Integration in den ersten Arbeitsmarkt“, so die Bundesministerin.
Entlang der österreichischen Modellregionen sollen alle inklusiven Erfahrungswerte – zu Lehrplänen, Fallbeispielen und Best Practice Beispielen – eine gute inklusive Pädagogik in Österreich vorantreiben. Österreichweit gibt es rund 30.700 Kinder und junge Menschen mit sonderpädagogischen Förderbedarf, davon sind bereits 80 % in inklusiven Schulen untergebracht. Hammerschmid will in der Umsetzung jedoch eines nicht aus den Augen verlieren: Es bedarf einen breiten Diskussionsprozess und die Ängste der Eltern müssen bei einem Systemwandel unbedingt mitgenommen werden. Die Bundesministerin betonte im Rahmen der Diskussionsrunde, dass die Schulreform kein Ende aller Sonderschulen bedeute, sondern die bestehenden Sonderschulen sollen sich Schritt für Schritt öffnen, gleichermaßen wie die Regelschulen. Hier ergänzte Prof. Ewald Feyerer, Leiter des Institutes für Inklusive Pädagogik der Pädagogischen Hochschule OÖ: „Die Vorgaben folgen der Haltung. Es muss eine gesetzliche Verpflichtung geben, damit Schulen sich öffnen müssen.“
Auch die Ausbildung der Lehrer/innen spielt eine wesentliche Rolle für ein gelungenes inklusives Schulsystem. Sonderpädagogische Grundkenntnisse müssen bereits im Studium vermittelt werden, ein breiteres Knowhow gefördert und eine neue Pädagog/innenausbildung umgesetzt werden.
Betroffene Eltern als Bittsteller/innen
Jene betroffenen Mütter und Väter, die tagtäglich mit vielen Hürden kämpfen, oft als Bittsteller/innen in Schulen abgewiesen werden und dabei nur den besten Weg für ihre Kinder verfolgen, sehen das Recht auf Bildung für ALLE, ganz klar auf ihrer Seite. Häufig fehlen jedoch schlicht und einfach die Rahmenbedingen für inklusive Schulklassen. So sieht auch Mag.a Birgit Kubik die Integration ihres mehrfach beeinträchtigten, 13jährigen Sohnes, als sehr schwierig an, denn Inklusion erweise sich sogar in der Sonderschule für Kinder mit sehr speziellen Anforderungen als fast unmöglich. Ursula Fehringer, betroffene Mutter und Obfrau des kürzlich gegründeten Vereins „Familiennetzwerk Down Syndrom“ berichtete über die gelungene Integration ihres 9jährigen Sohnes in einer privaten Regelschule. Diese sei nur möglich gewesen, weil es sehr engagierte Sonderpädagog/innen vor Ort gibt, genügend Räumlichkeiten, individuelle Lehrpläne, genügend Personal und weil es ihrem Sohn ermöglicht wurde, in die Schule langsam hineinzuwachsen. „Für mich beginnt Inklusion bereits in der Krabbelstube bzw. Kindergarten und sie endet bestimmt nicht mit der Pflichtschule“, betonte Fehringer.
Martin Boos Landesschule Gallneukirchen
Den umgedrehten Weg ging Elisabeth Dandl-Lechner MA, die Direktorin der Martin Boos Landesschule in Gallneukirchen. Die Landessonderschule wurde auf Druck von Eltern (von beeinträchtigten Kinder) geöffnet und ist mittlerweile eine sehr gefragte und beliebte Schule in Oberösterreich. „Dazu benötigen wir ganz individuell abgestimmte Lernsettings und auch die Änderung von Lehrmethoden, denn nur dabei zu sein, ist noch lange keine Inklusion!“, schloss Dandl-Lechner die Runde.
Dr. Christine Haiden, langjährige Chefredakteurin von „Welt der Frau“, Kolumnistin bei den OÖ Nachrichten und Präsidentin des OÖ. Presseclubs, führte durch den spannenden Nachmittag und resümierte die schon seit Jahrzehnten diskutierten Thematik: „Es geht um die Vorstellung der Welt in der wir uns bewegen und was wir daraus machen!“
Quelle: Miteinander GmbH