Wien: Auch in der Krise - Errungenschaften nicht wegwerfen

vonRedaktion Salzburg
JULI 03, 2022

Wien

Landesumweltreferent*innen-Konferenz für ein nachhaltiges Ernährungssystem und Fortsetzung des Atomenergie-Ausstiegs

Derzeit gibt es mit der SarsCovid2-Pandemie, dem Ukrainekrieg und der Klimakrise drei Krisen, die zu Lieferengpässen bei Gütern des täglichen Bedarfs (z.B. Energie, Getreide) führen können und ein rasches Handeln der Politik erforderlich machen, um die Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten. Die Landesumweltreferent*innen-Konferenz (LURK), die diesen Freitag in Wien tagte, warnt allerdings eindringlich davor, dabei in alte Muster der umwelt- und klimaschädlichen Produktion zurückzufallen – dies gilt sowohl für die Bewältigung der aktuellen Lebensmittel- als auch der Energie-Engpässe.

„Gerade in Krisenzeiten ist es wichtig, vernünftig zu agieren und nicht gute und richtige Verhaltensweisen reflexartig über Bord zu werfen. Wenn jetzt in die falsche Richtung gegengesteuert wird, hätte das für eine weitere globale Krise fatale Folgen“, warnt Wiens Umwelt- und Klimalandesrat Jürgen Czernohorszky, „nämlich im Bereich des Klimawandels.“ Würde man beispielsweise in der Lebensmittelproduktion jetzt auf umwelt- und klimaschädliche konventionelle Massenproduktion setzen, würde das Österreichs Status als Bio-Vorreiter und die Entwicklung zu einem umfassend nachhaltigen und klimafreundlichen Umgang mit Lebensmitteln gefährden. Aktuelle Forderungen gehen allerdings bereits in diese falsche Richtung: So sollen z.B. die Reduktion des Einsatzes von Pestiziden bzw. der Umstieg auf Biolandwirtschaft verzögert oder die für die Biodiversität so wichtigen Brachflächen zusätzlich bebaut werden. Damit würden wir aber unserer unmittelbaren Umwelt großen Schaden zufügen und damit auch unsere Position schwächen.

„Vor uns allen liegen große Herausforderungen. Wir müssen unsere Energieversorgung unabhängiger machen. Wir müssen unser Klima und unsere Zukunft schützen. Und all diese Aufgaben gelingen uns nur gemeinsam. Die Beschlüsse der heutigen Konferenz sind dafür ein gutes Zeichen. Wir stehen Seite an Seite wenn es um die Energiewende ganz ohne Atomkraft geht. Das gilt auch für den Schutz unserer einzigartigen Natur und von wertvollen Böden. Diesen Auftrag und diesen Rückenwind nehme ich gerne mit“, betont Klimaschutzministerin Leonore Gewessler nach der Landesumweltreferent*innenkonferenz.

Umsetzung der „Farm to Fork“-Strategie der EU

Wie ein nachhaltiger, umwelt- und klimafreundlicher Weg in Richtung Ernährungssicherheit funktionieren kann, zeigt die von der EU-Kommission im Mai 2020 als Teil des Green Deal veröffentlichte Mitteilung „Farm to Fork-Strategie“ zur Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen an ein nachhaltiges Lebensmittelsystem auf.

Wichtige Punkte dieser Strategie sind:

die Gewährleistung einer nachhaltigen Lebensmittelproduktion durch weniger Einsatz von Pestiziden, Düngemitteln und antimikrobiellen Wirkstoffen, die Förderung nachhaltiger Praktiken in der Nahrungsmittelverarbeitung, im Groß- und Einzelhandel, im Gastgewerbe und in der Gemeinschaftsverpflegung. die Förderung eines nachhaltigen Lebensmittelkonsums und des Übergangs zu gesunden, nachhaltigen Ernährungsweisen die Verringerung von Lebensmittelverlusten und –verschwendung

Die Pandemie und der Ukrainekrieg stellen nun aktuell die sichere und ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln vor große Herausforderungen. Die Landesumweltreferent*innen-Konferenz wies in diesem Zusammenhang hin, dass die Ziele der Farm to Fork-Strategie weiterhin grundsätzlich als sinnvoll erachtet werden. Die Zuständigen Bundesminister*innen werden daher ersucht, die Umsetzung dieser Strategie in Kooperation mit den Bundesländern unter Berücksichtigung der aktuellen Krisensituation zu beraten.

„Die Grundsätze der Farm to Fork-Strategie entsprechen auch den Zielen, die sich Wien mit dem vom Landtag beschlossenen Programm, Wien isst G.U.T. – Gesund und genussvoll - Umwelt und klimafreundlich – Tierfair‘ gesetzt hat und das von der Stadt Wien – Umweltschutz koordiniert wird“, betonte Jürgen Czernohorszky weiter. Unter diesem Dach werden alle städtischen Wiener Initiativen für einen umfassend nachhaltigen und tierfreundlichen Umgang mit Lebensmitteln gebündelt und erweitert.

Landeshauptmann-Stellvertreterin Astrid Eisenkopf betonte die Wichtigkeit einer guten Zusammenarbeit zwischen Ministerium und Bundesländern: “Eine koordinierte und gut abgestimmte Zusammenarbeit ist eine wichtige Voraussetzung, um den österreichischen Standpunkt auch auf internationaler Ebene wirksam zu vertreten.“ Bei der Umsetzung der „Farm to Fork“-Strategie der EU sind sich die Bundeländer einig: „Bio-Landwirtschaft leistet tagtäglich einen wesentlichen Beitrag zu mehr Biodiversität, Klimaschutz, sowie für gesunde Lebensmittel und eine gesunde Umwelt. Biologischer Landbau ist geeignet, um damit ein nachhaltiges und krisenfestes Land- und Lebensmittelsystem für alle BürgerInnen zu formen. Die Bio-Landwirtschaft könne gerade in diesen Zeiten ihre Stärken ausspielen, da sie weitgehend unabhängig wirtschaftet. Gleichzeitig trägt Bio zur Bewältigung der Herausforderungen Klimakrise und Rückgang der Biodiversität bei.“

Opt-In Lösung bei Werbesendungen vermeidet Abfall und spart Papier sowie Energie

Im Bereich der Abfallwirtschaft beschäftigten sich die Teilnehmer:innen der LURK mit dem Thema der der unadressierten Postwurfsendungen. „Die Bundesländer haben heute einen erneuten Anlauf genommen, um unadressierte, und häufig auch unerwünschte, Postwurfsendungen einzudämmen“, führt der Vorarlberger Umwelt und Klimaschutzlandesrat Daniel Zadra an. Zur Ressourcenschonung, Minimierung der Abfallmengen und zum Energiesparen ist der Wechsel zum Opt-In System nach Vorbild Amsterdams ein wichtiger Schritt: In der niederländischen Hauptstadt gilt seit Anfang 2018, dass nur mehr Haushalte Postwurfsendungen erhalten, die diese explizit wollen. In Österreich ist es hingegen noch so, dass ein Haushalt bis zu 100 kg an Werbung pro Jahr erhält, davon entfällt der größte Anteil auf unadressierte Sendungen. Der Großteil landet ungelesen im Mistkübel. „Der Papier- und Energieverbrauch, der durch diese nicht zielgerichteten Werbematerialien anfällt, ist erschreckend und nicht nur in der jetzigen Energiekrise zu vermeiden. Die Papierindustrie ist bekanntlich ein großer Abnehmer von Gas, das heißt, Werbung, die direkt im Mistkübel landet, ist verschwendetes Papier und sinnlos verbrauchtes Gas. Durch die Variante Opt-In bei Postwurfsendungen ist ein großes Einsparungspotential gegeben. Dies hilft der Umwelt, spart Gas und schont Ressourcen. “

Die Umweltreferent*innen ersuchen daher die Bundesregierung, Möglichkeiten zur Einführung einer Opt-In Lösung für nicht adressierte Werbung zu prüfen und sofern rechtlich umsetzbar, zu realisieren.

Keine Rückkehr zur Atomenergie

In gleicher Weise warnt die Landesumweltreferent*innen-Konferenz auch davor, in der aktuellen Klimakrise vom eingeschlagenen Weg des Atomenergie-Ausstieges abzukehren und erinnerte in einem von mehreren Antragen daran, dass Atomenergie nicht nur die gefährlichste, sondern auch die teuerste Form der Energiegewinnung und auch mit Sicherheit keine CO2-neutrale Technologie ist.

Der Bund wurde daher von den Ländern unter anderem ersucht:

klarzustellen, dass neue Kernenergieanlagen innerhalb der zum Handeln in der Klimakrise erforderlichen Umsetzungszeiträume keinen Beitrag zum Klimaschutz leisten können, gleichzeitig aber für den Klimaschutz wichtige Finanzmittel binden. energisch darauf hinzuweisen, dass Kernkraftwerke in Konfliktsituationen jeglicher Art ein enormes, unkalkulierbares Risiko für den jeweiligen Betreiberstaat selbst, für die Europäische Union als Ganzes und für alle Menschen in Europa darstellen. allen Regelungen auf europäischer Ebene entgegenzuarbeiten, die eine Verlängerung der Kernenergienutzung in Europa begünstigen und damit nicht nur die Gefahr von Unfällen weiter bestehen bleibt, sondern auch weiter Atommüll produziert wird, für den es bis jetzt keine sichere Entsorgungslösung gibt. sich für grenzüberschreitende UVP-Verfahren bei allen Laufzeitverlängerungen von KKW, insbesondere bei der Laufzeitverlängerung französischer Kraftwerke, einzusetzen. sich weiter gegen die Inbetriebnahme des KKW Mochovce 3&4 einzusetzen. die Nichtigkeitsklage gegen die Aufnahme der Kernenergie unter die nachhaltigen Investitionen (Taxonomie) weiter zu verfolgen.

Quelle: Stadt Wien

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