vonRedaktion International
MÄRZ 22, 2022
Vier junge WissenschaftlerInnen ausgezeichnet
Zum sechsten Mal dürfen sich Studierende der Fächer Zeitgeschichte, Politikwissenschaften, Geschichte oder benachbarter Disziplinen über den Marianne-Barcal-Preis freuen. Aus insgesamt 15 Einreichungen kürte die Fachjury vier Abschlussarbeiten mit dem Marianne-Barcal-Preis 2021. Zwei Hauptpreise (je 2.000 Euro) erhalten Martin Kriechbaum und Mirjam Oberprantacher, zwei Förderpreise (je 1.000 Euro) werden Julia Brader und Johannes Weiler zuerkannt.
„Die Arbeiten der Preisträgerinnen und Preisträger zeichnen sich durchwegs durch ihre fundierte wissenschaftliche Recherche und oft überraschenden Gegenwartsbezug aus,“ gratulierte Stadträtin Mag.a Uschi Schwarzl und betonte: „Sie liefern aber auch einen relevanten historischen Beitrag zu unserer Stadtgeschichte, indem sie Forschungslücken schließen, oder schaffen wichtige Zusammenhänge weit über Innsbrucks Tellerrand hinaus“.
Der nach der ehemaligen Gemeinderätin Marianne Elisabeth Barcal benannte Preis wird jedes Jahr in Höhe von insgesamt 6.000 Euro für hervorragende Abschlussarbeiten an der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck (LFU) vergeben. Sie vermachte ihr gesamtes Vermögen dem Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, das in Zusammenarbeit mit der Universität Innsbruck den Preis zur Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses ins Leben rief.
Entscheidung der Jury
Mirjam Oberprantacher widmet sich in ihrer Abschlussarbeit „Zwischen dem ‚Eigenen‘ und dem ‚Fremden‘“ (Lehramt Geschichte, Sozialkunde, Politische Bildung) dem Identitätsbewusstsein in den Geschichtsschulbüchern Südtirols und des Baskenlands. Zu betonen sei laut Jury das anspruchsvolle Forschungsdesign: der Vergleich der Geschichte-Unterrichtspläne in zwei autonomen Regionen in zwei verschiedenen Staaten, eine Recherche, für die ein Auslandsaufenthalt unternommen wurde und die systematische Analyse von Schulbüchern in vier verschiedenen Sprachen entlang einer klaren Kriterien- und Kategorienbildung. Die Studie besteche durch ausgesprochen überzeugende, klar argumentierte Ergebnisse, die überraschende Unterschiede zwischen Südtirol und dem Baskenland ans Tageslicht fördern, die hinter den Schulbüchern steckende identitätspolitische Konzepte mit stichhaltigen Argumenten kritisch hinterfragen und relativieren.
Martin Kriechbaums Diplomarbeit „Der Vieh- und Schlachthof der Stadt Innsbruck von 1910 und seine Bedeutung für die Approvisionierung und die Stadthygiene“ (Diplomarbeit Geschichte) greift ein Thema auf, das in Bezug auf Innsbruck eine Forschungslücke schließt. Der jüngeren Stadtgeschichte wird damit ein wichtiges Kapitel aus dem Bereich der kommunalen Verwaltung und Infrastrukturentwicklung hinzugefügt. Kriechbaum hat für seine gut leserliche Darstellung umfassende Archiv- bzw. Quellenrecherchen unternommen (Aktenmaterial der Kommunalbehörden der Stadt Innsbruck, Verordnungen und Gesetze der verschiedenen politisch-legislativen Zuständigkeitsebenen, Zeitungen und andere gedruckte Quellen etc.). Dabei hat er es verstanden, da und dort fehlende Überlieferung durch andere Quellenbestände zu kompensieren. Neben genauer und solider Quellenarbeit ist als besonderer Vorzug der Studie zu betonen, dass die eigenen lokalhistorischen Forschungsergebnisse kundig in den großen Komplex der Modernisierungs- und Technisierungsanforderungen, denen sich die dynamisch wachsenden Städte an der Schwelle vom 19. zum 20. Jahrhundert stellen mussten, eingebettet werden. Eine gründliche Orientierung in der relevanten Sekundärliteratur bildete hierfür die Voraussetzung.
Julia Brader beschäftigt sich in ihrer MA-Arbeit „Von der ‚FDP-Frontfrau‘ zur ‚Frau an Roberts Seite‘. Eine diskurslinguistische Analyse der geschlechterspezifischen Darstellung von Politikerinnen nach Parteizugehörigkeit“ (MA-Arbeit Germanistik) mit der Darstellung jener (stellvertretenden) weiblichen Vorsitzenden bundesdeutscher Oppositionsparteien in der Presse (d. h. die Kanzlerin wird im Untersuchungssetting bewusst ausgeschlossen), die zum Stand Sommer 2020 eine solche Funktion innehatten. Der Fokus liegt dabei auf der Frage, ob neben dem Geschlecht auch ideologische Positionen – sowohl in Bezug auf die Parteizugehörigkeit der Politikerinnen als auch bezüglich der untersuchten Zeitungen – als mögliche Faktoren einer unterschiedlichen Darstellung eine Rolle spielen. Neben dem breit recherchierten Forschungsstand ist vor allem die empirische Untersuchung mittels der Kritischen Diskursanalyse positiv zu betonen. Nach einer Grobanalyse von mehr als hundert Artikeln aus SZ, FAZ und BILD unterzieht Brader 23 ausgewählte Artikel einer Feinanalyse, die klare, nachvollziehbare Ergebnisse erbringen, die sehr gut lesbar präsentiert werden.
Johannes Weiler untersuchte in seiner englischsprachigen Masterarbeit „Once Mayor, Always Mayor? Incumbency Advantage of Austrian Mayors“ (Political Science: European and International Studies) den Einfluss des Amtsinhaberbonus (Incumbency Advantage) auf die Chancen einer Wiederwahl österreichischer BürgermeisterInnen für den Zeitraum von 1997 bis 2018. Als Basis dienen 4.806 Wahlgänge in sechs Bundesländern, in denen eine Bürgermeister-Direktwahl existiert. Erstmalig wird das regression discontinuity design (RDD), das auf statistischen Methoden aufbaut, auf österreichische Wahlen angewendet. Nicht nur das anspruchsvolle Verfahren, sondern auch der Umstand, dass Gemeindewahlen bislang wenig untersucht sind, machen Weilers Studie zu einer Pionierarbeit.
Die Fachjury des Marianne-Barcal-Preises besteht aus VertreterInnen des Stadtmagistrats Innsbruck und der Leopold-Franzens-Universität Innsbruck (LFU): Ao. Univ.-Prof. Mag.a Dr.in Julia Hörmann M.A.S. (Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie, LFU), SSc Mag.a Dr.in Ingrid Böhler (Institut für Zeitgeschichte, LFU), Mag.a Birgit Neu (Abteilungsleiterin MA V) und DDr. Lukas Morscher (Leiter Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck). AS
Quelle: Stadt Innsbruck