vonRedaktion Salzburg
JÄNNER 24, 2024
Studie über Europas Abhängigkeit – „Russian Grip on EU Nuclear Power“
Im Auftrag der Wiener Umweltanwaltschaft und Cities for a Nuclear Free Europe (CNFE) wurde ein Update der Studie „Russian Grip on EU Nuclear Power“ erstellt. „Dieses kommt zu dem Schluss, dass die EU der mittelfristigen Substitution russischer Güter und Dienstleistungen im Nuklearsektor nicht nähergekommen ist“, betont Wiens Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky, der auch Vorsitzender des CNFE-Netzwerkes ist.
Starke Verflechtungen gebe es nach wie vor bei der Instandhaltung bestehender Reaktoren, dem Import von angereichertem Uran, der Bereitstellung von Brennstäben oder der Produktion von Ersatzkomponenten. „Viele der von Russland erbrachten Leistungen sind sehr spezialisiert und können bis dato nur eingeschränkt von alternativen Herstellern erbracht werden“, so Wiens Umweltanwältin Iris Tichelmann.
Europaparlament (EP) fordert Russlands Nuklearsektor auf Sanktionsliste
Aufgrund des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine wurden vonseiten der EU inzwischen zwölf Sanktionspakete gegen Russland geschnürt. Der Atomsektor ist von den Sanktionen allerdings unberührt geblieben. Im November letzten Jahres wurde ein erneuter Antrag des EPs gestellt, der auch die Sanktionierung des Atombereichs fordert.
Jedoch positionieren sich einige Mitgliedsstaaten, darunter auch Nachbarländer Österreichs, wie Ungarn, gegen diese Forderung. Aus ihrer Sicht ist die mittelfristige Abkehr von russischen Komponenten und Dienstleistungen aus technischer Sicht nicht realisierbar. Für Wiens Stadtrat Jürgen Czernohorszky ist dies alarmierend: „Die Schwierigkeit, sich aus der Kooperation mit Russland im Nuklearsektor zu lösen, zeigt auf, wie drastisch Europas Abhängigkeit in diesem Bereich ist.“
99 Prozent des Urans in Europa muss importiert werden
Im Bereich der Uranversorgung ist Europas Abhängigkeit dramatisch hoch. 99 Prozent des verwendeten Natururans wird importiert. Davon stammen knapp 40 Prozent aus Russland und Kasachstan. Weitere 20 Prozent kommen aus dem Niger. Somit kommt aktuell rund 60 Prozent des europäischen Uranbedarfs aus geopolitisch instabilen Regionen. „Fast 100 Prozent des Urans in Europa muss importiert werden. Aus Sicht einer stabilen Energieversorgung ist dies höchst kritisch zu betrachten“, so Stadtrat Czernohorszky. „Ich würde mir einen atomkraftfreien Weg für die EU wünschen. Deutschland hat mit seinem Atomausstieg vorgezeigt, wie dies möglich ist und auch Spanien hat kürzlich verkündet seine Reaktoren stillzulegen.“, fügt Wiens Umweltanwältin Iris Tichelmann hinzu.
Substitution von russischen Brennelementen verzögert sich
Knapp ein Drittel der Atomkraftwerke Europas ist von russischer Bauart. Aktuell können Brennstoffe der älteren WWER-440 Reaktoren, die beispielsweise in der Slowakei, Tschechien, Ungarn oder Bulgarien eingesetzt werden, nur von russischen Unternehmen produziert werden. Deshalb wurde der Konzern Westinghouse (USA) beauftragt, WWER-440 Brennstäbe neu zu entwickeln. Allerdings kommt die CNFE-Studie zu dem Schluss, dass die aktuellen Bestrebungen langsamer vorankommen, als geplant. Die Produktion neuer Brennelemente wird voraussichtlich frühestens in vier bis fünf Jahren möglich sein.
Frankreich und Russland wollen gemeinsam Brennstäbe herstellen
Russische und französische Unternehmen planen gerade gemeinsam Brennstäbe für WWER-440 Reaktoren zu produzieren. Besonders bedenklich ist, dass die Produktion in Deutschland in der Brennelementefabrik Lingen stattfinden soll. Daher kam es in Deutschland bereits zu größeren Protestaktionen in der Bevölkerung.
Lichtblick erneuerbare Energie – Wien plant 800 MW PV bis 2030
Im vergangenen Jahr konnten in der EU 14 GW Windkraft und 56 GW Solarkraft an neuer installierter Leistung hinzugefügt werden. Dies ist ein bemerkenswerter Zuwachs. Im Vergleich dazu: alle Atomkraftwerke in Europa haben gemeinsam eine Leistung von knapp 95 GW. Hierbei muss natürlich beachtet werden, dass AKW ein höheres Regelarbeitsvermögen (Stunden im Jahr) aufweisen und dadurch pro installierter Leistung in einem Jahr mehr Strom erzeugen können. Doch wenn die Ausbauraten erneuerbarer Energien noch weiter steigen, wird die Produktion elektrischer Leistung für die Energiewende weiterhin zunehmen.
Die nächste Aufgabe muss sein, die Netzinfrastruktur und Möglichkeiten zur Energiespeicherung zu verbessern. „Die aktuellen Ausbauraten stimmen sehr zuversichtlich. Auch die Stadt Wien setzt alles daran ihren Beitrag zu leisten. Wir haben es uns mit der Wiener PV Offensive zur Aufgabe gemacht, bis 2030 800 MW elektrische Leistung zu installieren.“ – so Stadtrat Czernohorszky.
Link zu Studie: https://shorturl.at/dwJP0
Quelle: Stadt Wien