vonRedaktion International
AUGUST 12, 2020
Der Campus der Religionen führt im Wien des 21. Jahrhunderts Menschen mit verschiedenen Religionsbekenntnissen zusammen
In aspern Seestadt entsteht mit dem Campus der Religionen ein visionäres Projekt. Seine zentralen Anliegen sind das konkrete Miteinander, der Austausch und die Kommunikation – einerseits zwischen den Religionsgemeinschaften untereinander, andererseits zwischen Gläubigen, Lehrenden, Studierenden und sonstigen Besucherinnen und Besuchern des Ortes. Mit dem nun vorliegenden architektonischen Entwurf nimmt der Campus der Religionen konkret Gestalt an.
Von Beginn an arbeiteten die 8 beteiligten Religionsgemeinschaften über ihre Grenzen hinweg gemeinsam an diesem konkreten Projekt, das von Bürgermeister Dr. Michael Ludwig von Anbeginn unterstützt und gefördert wurde. „Der Campus soll ein Ort gelebter religiöser Überzeugungen, Respekt und weltanschaulicher Toleranz werden. Er hat daher hohe Symbolkraft für ganz Wien und wird weit über Wien hinaus wirken. Zeigen wir mit diesem einzigartigen Projekt, dass der Wiener Weg des Miteinanders der Weg in die Zukunft ist.“, so Bürgermeister Dr. Michael Ludwig.
Die Stadt Wien stellt den 8 Religionsgemeinschaften – ÖBR - Österreichische Buddhistische Religionsgemeinschaft, Römisch-Katholische Kirche - Erzdiözese Wien, Evangelische Kirche A.B., IGGÖ - Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich, NAK - Neuapostolische Kirche Österreich, Sikh Religionsgemeinschaft Österreich, Griechisch-orientalische Metropolis von Austria, Israelitische Kultusgemeinde Wien – die Liegenschaft im Baurecht zur Errichtung von Sakralbauten zur Verfügung.
Mit der später hinzugekommenen Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems als Projektpartnerin kombiniert der nun vorliegende Architekturentwurf Sakralbauten- und Bildungsbau in einem außergewöhnlichen Ensemble.
Als neues regionales Zentrum im Nordosten Wiens bietet die Seestadt den idealen städtebaulichen Rahmen dazu.
Kardinal Dr. Christoph Schönborn (Erzbischof von Wien; römisch-katholische Kirche): „Der Campus der Religionen zeigt, dass in Wien das Miteinander der Religionen gelebt wird. Die Stadt Wien, die Kirchliche Pädagogische Hochschule und acht Religionsgemeinschaften haben sich gemeinsam auf den Weg gemacht, dieses faszinierende Projekt zu realisieren. Acht Sakralbauten unter einem Dach vereint, eigenständig und verbunden zugleich, lassen das friedliche Miteinander der Religionen sichtbar werden. Die KPH dient dabei als wichtiger Ort der interreligiösen Bildungsarbeit. Der Campus soll ein offener Ort für die Menschen in der Seestadt und in Wien sein, eine Einladung zur religiösen Erfahrung und zur Begegnung mit anderen Religionsgemeinschaften.“
Architekt Dipl.-Ing. Harald Gnilsen (Baudirektor der Erzdiözese Wien): „Mit dem Campus der Religionen soll ein Zentrum entstehen, wo Menschen aus unterschiedlichen Kulturen und Religionen ihre Heimat finden können. Mit dem Respekt für die Vielfalt der Religionsgemeinschaften wuchs das große Vertrauen der beteiligten Personen zueinander. Das Projekt ist einzigartig und soll für das Verständnis für die verschiedenen Religionsausübungen beitragen. Es freut und bewegt mich, dass das von mir initiierte Projekt Campus der Religionen so viele Menschen anspricht und begeistert, um sich für die Realisierung dieses Friedensprojektes einzubringen.“
Gursharan Singh Mangat (Sikh Tempel; Vorsitzender-Stellvertreter des Vereins Campus der Religionen): „Gemäß den Lehren der Heiligen Schrift der Sikhs, dem Sri Guru Granth Sahib, hat der Schöpfer alle Menschen aus dem gleichen Lehm, wenngleich mit unterschiedlichem Aussehen, geformt. Daraus resultierend bzw. den gleichen Ursprung aller Menschen betonend, kann der Campus der Religionen gewissermaßen als die Verkörperung dieser Weisheit verstanden werden.“
HS-Prof. Mag. Dr. Christoph Berger (Rektor der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems): „Der neue Standort schafft eine Vernetzung der Aus-, Fort- und Weiterbildung für Lehrerinnen und Lehrer aller Schultypen und Unterrichtsfächer mit kurzen Wegen in einem kompakt strukturierten Gebäude. Die Verbindung mit den sakralen Häusern der Religionsgemeinschaften lädt dazu ein, sich mit Religionen und Konfessionen in ihrer Vielfalt auseinanderzusetzen und seine eigene Position vor diesem Hintergrund zu erfahren. Wir sehen das als einen optimalen Rahmen, in dem eine Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern mit klarer Wertorientierung bestmöglich stattfinden kann.“
Architekturwettbewerb Campus der Religionen
Der Campus der Religionen entsteht nördlich des Sees und in unmittelbarer Nähe der U2-Station Seestadt. Auf einer Grundfläche von rund 10.000 m² soll das konkrete Miteinander in Form von religiösen Bauten ausgedrückt werden, die unter einem Dach an einem gemeinsamen Ort errichtet werden. Daher war eine bauliche Klammer, die die Sakralbauten auf dem Campus verbindet, wesentlicher Bestandteil des Architekturwettbewerbs, der am 17. April 2020 gestartet wurde.
Eine zweite Klammer bildet der leicht ansteigende Platz, der gemeinsam genutzt wird und als Bindeglied für den interreligiösen Austausch dient.
Die unterschiedlichen Sakralbauten werden von den 8 am Projekt beteiligten Religionsgemeinschaften errichtet, die Bildungseinrichtung der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems (KPH) von der St. Augustinus-Stiftung der Erzdiözese Wien.
Die KPH ist Österreichs größte private Pädagogische Hochschule und eine Bildungseinrichtung zur Erstausbildung, Fort- und Weiterbildung von Lehrpersonen der Primar- und Sekundarstufe. Die KPH wird – weltweit einzigartig – in ökumenischer Trägerschaft von unterschiedlichen christlichen Kirchen geführt.
Mit ihrer interreligiösen Ausbildung von Religionslehrerinnen und -lehrern bietet sie die ideale Projektpartnerschaft im Bildungsbereich, weitere Schwerpunkte sind Inklusion, Elementarpädagogik, Sport und Bewegung.
Der derzeitige Standort in Strebersdorf wird zukünftig im Neubau in der Seestadt Platz finden und rund 2.500 Studierenden ein optimales Lernumfeld bieten. Große Synergien ergeben sich durch die Bereiche, die von den Religionsgemeinschaften mitgenutzt werden können, so zum Beispiel Veranstaltungs- und Gastronomiebereiche. Ein gemeinsames Facility-Management (Haustechnik, Erhaltung, Lagerlogistik etc.) sowie eine gemeinsame Verwaltung sind ebenfalls vorgesehen. Mit dem Campus der Religionen wird die interkonfessionelle Ausrichtung der KPH weiter gestärkt.
44 Projekte wurden im Rahmen des anonymen, EU-weit ausgeschriebenen, offenen Architekturwettbewerbs eingereicht.
Die Projekte wurden seitens der Jury nach den Kriterien der städtebaulichen und baukünstlerischen Qualität, der räumlichen Konzepte für die Innen- und Außenräume, nach Aspekten der Nachhaltigkeit und Ressourcenschonung bei Konstruktion, Materialwahl und Energiebedarf sowie nach der Wirtschaftlichkeit in Bau und Betrieb beurteilt.
42 Projekte wurden zugelassen, davon 22 von Wiener Architekturbüros, weitere 6 aus anderen Bundesländern sowie 14 Einreichungen aus Deutschland, der Schweiz, Spanien, Schweden, Polen und Frankreich.
Wiener Architekturbüro realisiert Campus der Religionen
Der 1. Preis ging an das Architekturbüro Burtscher-Durig ZT GmbH in Wien.
Das Bildungsgebäude der KPH ist vom Sockel über die Obergeschoße bis hin zu den Dachgärten durchdacht. Die Fassaden sind rhythmisch gegliedert und offen gehalten.
Einrichtungen im KPH-Gebäude wie die Mensa oder ein großer Saal sind so gestaltet, dass sie optimal gemeinschaftlich und multifunktional mit den Religionsgemeinschaften genutzt werden können.
Im Gegensatz zur luzide gestalteten Hochschule sollen die Kapellen, Moscheen, Synagogen und Tempel bewusst andächtig und erdverbunden ausgeführt werden.
Die Bauten der Religionsgemeinschaften gruppieren sich pavillonartig um einen städtischen Platz, der sanft und unmerklich ansteigt und durch Bäume und eine Pergola beschattet wird. Der Platz ist durch Freiflächen, Gassen, Sitzstufen, Wasserflächen, Zugängen und Gärten auf mehreren Ebenen organisiert. Er ist räumliches Bindeglied und Treffpunkt für den interreligiösen Austausch.
Die religiösen Gebäude haben jeweils Dachgärten, die über in die Außenhaut eingearbeitete Rampen erreichbar und nutzbar sind. Einzelne Wände der Gebäude sind begrünt. Die Dachgärten der Religionsgebäude sind als kontemplative Gärten des Rückzugs und der Besinnung gedacht. Eine Verbindung der verschiedenen Gärten untereinander ermöglicht auch ein Durchwandern der einzelnen Bereiche.
Die Heterogenität der Religionen soll unter einem zarten, einigenden Schleier zusammengefasst werden: Eine luftig-leichte Pergola wird der Plaza und den begrünten Dachterrassen in der größten Hitze Schatten spenden. Diese architektonisch anspruchsvoll gestaltete, mehrfach geknickte Pergola verbindet auch das Bildungsgebäude der KPH mit den Sakralbauten der Religionsgemeinschaften.
Die Jury war von der Eleganz des Entwurfs überzeugt und beurteilte vor allem die harmonische räumliche Abfolge und die geplante Wegführung positiv. Im Entwurf kommt laut Juryprotokoll eine „überlegte und effektive Lichtführung in den Gassen zwischen den Baukörpern“ zur Geltung. „Die Sakralbauten sind in ihrer plastischen Ausformung neutral gehalten und erlauben eine individuelle Weiterentwicklung (…).“ In der Wegeführung über den Platz „wird keine Hierarchisierung (…) hergestellt“. (Schluss)
Quelle: Stadt Wien