vonRedaktion Salzburg
NOVEMBER 18, 2021
Zweites von drei steirischen Corona-Denkmälern aus dem großen Kunst-Wettbewerb:
Graz (18. November 2021).- Kurz nach Ausbruch der Corona-Pandemie schrieb das „Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark“ gemeinsam mit dem Kulturressort des Landes Steiermark, basierend auf einer Idee der „Kronen Zeitung“, einen zweistufigen Wettbewerb zur Errichtung von Corona-Denkmälern in der Steiermark aus. Die rekordverdächtige Beteiligung von 220 Künstlerinnen und Künstlern mit Steiermark-Bezug hat mehr als 300 Entwürfe hervorgebracht. Eine Jury hat daraus drei Siegerprojekte ausgewählt. Sie wurden von den Künstlern Wolfgang Becksteiner, Werner Reiterer und Michael Schuster entworfen.
Werner Reiterers Corona-Denkmal wurde heute (18. November) im Leibnitzer Stadtpark präsentiert und kann ab sofort besichtigt werden.
Zur Präsentation kamen neben Kulturlandesrat Christopher Drexler und Bürgermeister Helmut Leitenberger auch die Landtagsabgeordnete Bernadette Kerschler, zahlreiche Mitglieder des Stadt- und Gemeinderates, der Vorsitzende der Jury des Denkmalwettbewerbs Ralph Schilcher, die Leiterin des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum am Universalmuseum Joanneum Elisabeth Fiedler sowie Steirerkrone-Chef vom Dienst Gerald Schwaiger.
Das DenkmalWerner Reiterers Corona-Skulptur besteht aus einer 17.000 Kilogramm schweren Kugel aus Eisen und Schwerbeton mit einem Durchmesser von zwei Metern. Über die nächsten etwa einhundert Jahre wird die Kugel nach und nach im Erdboden versinken. Die Skulptur visualisiert dadurch metaphorisch den Prozess, bei dem ein Virus in die menschliche Zelle gelangt, nimmt aber auch Bezug auf das plötzliche Auftauchen des Virus. Durch das Eindringen der Kugel in die Erde wird außerdem der Aspekt der Erinnerung beziehungsweise des Vergessens thematisiert. Die letzte globale Pandemie traf unsere Erde in den Jahren 1918 bis 1920 in Form der Spanischen Grippe und forderte weltweit geschätzte 50 Millionen Todesopfer. Bis zum Ausbruch der jüngsten Pandemie waren sich die wenigsten Menschen dieser geschichtlichen Katastrophe gewahr. Sowohl Pandemie als auch die Kugel werden nach ihrem Verschwinden entweder im Gedächtnis unserer Nachfahrinnen und Nachfahren verankert bleiben oder in Vergessenheit geraten sein.
LR Drexler: „Ein Zeichen des Dankes – auch an alle, die durch ihre Vernunft an der Pandemiebekämpfung mitwirken!“„Ich freue mich sehr, dass wir schon wenige Wochen nach der Präsentation des Kunstwerks von Wolfgang Becksteiner im Grazer Burggarten nun das zweite steirische Corona-Denkmal vorstellen können. Das Ziel des großen gemeinsamen Kunst-Wettbewerbs von Land Steiermark und ‚Krone‘ war es von Anfang an, auch außerhalb unserer Landeshauptstadt ein solches Erinnerungszeichen zu schaffen. Die besonders durchdachte Arbeit von Werner Reiterer, die sich explizit mit der Bodenbeschaffenheit in Leibnitz auseinandersetzt, hat die Jury eindeutig überzeugt und ist für den Standort im Leibnitzer Stadtpark prädestiniert“, betont Kulturlandesrat Christopher Drexler und fügt hinzu: „Wir präsentieren das Corona-Denkmal von Werner Reiterer in einer Zeit, in der die Pandemie uns wieder fest im Griff hat und nahezu allgegenwärtig ist. Es kommt ihm daher aktuell weniger die Funktion des Denkmals, als vielmehr jene des Dankmals zu. Im Moment braucht es keine Erinnerung daran, wie einschneidend die COVID-Pandemie ist, welche Einschränkungen mit ihr einhergehen und vor allem welche schweren gesundheitlichen Gefahren sie mit sich bringt. Umso wichtiger ist es, ein Zeichen des Dankes zu setzen. Einen Dank an alle, die mit besonderem Einsatz tagtäglich dazu beitragen, dass wir die Corona-Pandemie bestmöglich überwinden können. Aber gleichzeitig auch an mehr als dreiviertel der impfbaren Steirerinnen und Steirer, die mit Vernunft entschieden haben, durch die Impfung einen Beitrag zur Pandemiebekämpfung und zum Schutz anderer zu leisten. Wir wollen daher heute auch abermals Bewusstsein schaffen und einen Aufruf starten, dass die Impfung der beste und wohl einzige Weg ist, dass wir die Corona-Pandemie hoffentlich bald nur noch als Erinnerung kennen, wenn wir die Corona-Denkmäler in der Steiermark betrachten.“
Bürgermeister Helmut Leitenberger sagte: „Der Standort im Leibnitzer Stadtpark ist auch daher ideal, weil hier im Sommer wie im Winter sehr viele Menschen sind. Ich habe das Denkmal zum ersten Mal auf einem Plan gesehen. Als ich es näher erklärt bekommen habe, habe ich erkannt, wie viele Überlegungen dahinterstecken und war begeistert. Ich bin dankbar, dass dieses Kunstwerk bei uns in Leibnitz stehen darf. Das ist für uns ein wichtiges Zeichen, dass Leibnitz für Kunst im öffentlichen Raum offen ist.“
Steirerkrone-Chef vom Dienst Gerald Schwaiger zeigte sich beeindruckt von der Vielfalt und Professionalität der Einreichungen beim Denkmal-Wettbewerb: „Anfänglichen Unkenrufen zum Trotz wurde der Kunstwettbewerb, der auf Basis einer Idee der ‚Kronen Zeitung‘ initiiert wurde, mit mehr als 300 Einreichungen einer der erfolgreichsten überhaupt. In der aktuellen Situation ist das Corona-Denkmal auch ein Dankmal für die vielen Helferinnen und Helfer sowie Pflegekräfte, die in dieser schwierigen Situation tagtäglich im Einsatz sind. Das Kunstwerk im Leibnitzer Stadtpark lädt aber auch ein zum Innehalten und Reflektieren.“
Künstler Werner Reiterer beschrieb die vielschichtigen Überlegungen hinter seinem Kunstwerk: „Ein Virus ist in der Regel eintausendfach kleiner als eine menschliche Zelle. Wir haben hier eine Kugel, die zwei Meter im Durchmesser hat und wir stehen im Leibnitzer Stadtpark auf einem Areal, wo wir ungefähr zwei Kilometer im Durchmesser Sichtachsen haben. Das heißt, es wird skulptural nachgestellt, was wir sonst nur im Mikroskop beobachten können. Außerdem ist die Kugel 17.000 Kilogram schwer und versinkt aufgrund der Gravitationskraft in schätzungsweise 120 bis 130 Jahren im Boden – eine Analogie zur Infektion einer Zelle durch das Virus in Slow Motion. Was ebenso mittransportiert wird, ist der Faktor des Vergessens. Die letzte Pandemie war vor ziemlich genau 100 Jahren die Spanische Grippe mit Millionen von Todesopfern. Aber nur ganz kleine Kreise unserer Gesellschaft haben vor der COVID-Pandemie das Wissen über die Spanische Grippe gehabt. Sie ist aus dem kollektiven Gedächtnis verschwunden. Und genau diesen Prozess zeichne ich skulptural noch einmal nach, indem diese Kugel ganz langsam verschwindet.“
Der WettbewerbDas Kulturressort des Landes Steiermark und das Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark am Universalmuseum Joanneum haben basierend auf einer Idee der „Kronen Zeitung“ im April 2020 einen Wettbewerb zur Gestaltung von Skulpturen in Reflexion auf die Corona-Pandemie und ihre Auswirkungen in der Steiermark ausgeschrieben und gemeinsam zur Umsetzung gebracht. Aus insgesamt rund 300 Einreichungen von 220 Künstlerinnen und Künstlern mit Steiermark-Bezug hat eine siebenköpfige Jury Mitte Juli 2020 zehn Finalisten ausgewählt. Im September 2020 wurden die drei Siegerprojekte gekürt. Am 21. September 2021 konnte das erste Corona-Denkmal – „Distanzierte Nähe“ von Wolfgang Becksteiner – im Grazer Burggarten präsentiert werden. Heute folgte das zweite Siegerprojekt. Das Corona-Denkmal von Werner Reiterer („Ohne Titel“), das im Leibnitzer Stadtpark errichtet wurde.
Die JuryDie hochkarätig besetzte Jury setzte sich zusammen aus dem Kunstexperten Ralph Schilcher, Architekt Hermann Eisenköck, der stellvertretenden Intendantin des Festivals steirischer herbst Henriette Gallus, dem Chefredakteur der Kronen Zeitung in der Steiermark Oliver Pokorny, dem Krone-Redakteur und Ideengeber für den Wettbewerb Jörg Schwaiger, UMJ-Direktor Wolfgang Muchitsch und der Leiterin des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark Elisabeth Fiedler.
Der Jury-Vorsitzende Ralph Schilcher betonte bei der Präsentation: „Ich freue mich sehr, das Corona-Denkmal von Werner Reiterer erstmals in der Öffentlichkeit zu sehen. Es ist eine von drei ausgewählten Skulpturen, die als beste unter vielen sehr guten hervorgegangen sind. Der Wettbewerb zur Gestaltung von Corona-Denkmälern hat Künstlerinnen und Künstlern mitten in einer ganz schwierigen Phase unseres Lebens Mut gegeben. Die Corona-Denkmäler werden dafür sorgen, dass die spätere Generation sich an dieses besonders einschneidende Ereignis der COVID-19-Pandemie erinnern wird. Ähnlich, wie es die Pestsäulen im ganzen Land tun aber ganz im Gegensatz zur Spanischen Grippe, an die sehr wenig Erinnerung besteht.“
Die Leiterin des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum am Universalmuseum Joanneum, Elisabeth Fiedler, beschrieb: „Der öffentliche Raum ist kein Wohnzimmer, sondern er ist ein Verhandlungsraum und dort ist es wichtig und wesentlich, die Probleme unserer Zeit anzusprechen und darüber zu diskutieren. Werner Reiterers Arbeit referiert sehr genau Ort, Raum und Zeit. Sie hat einerseits mit Vergessen, andererseits mit Erinnern zu tun und geht sowohl in die Zukunft als auch in die Vergangenheit.“
Die weiteren beiden Siegerprojekte
Wolfgang BecksteinerDas Corona-Denkmal „Distanzierte Nähe“ ist in direkter Blickachse zur Burg, dem Sitz der Steiermärkischen Landesregierung, aufgestellt, wo wesentliche Entscheidungen in Bezug auf die Covid-19-Pandemie getroffen wurden. Zwei parallele Betonwände versinnbildlichen den Weg durch die Krise und laden zum Durchschreiten ein. Deren räumliche Distanz visualisiert den in der Pandemie omnipräsenten Meterabstand. Mittels aufgerauter, schwarz lackierter Innenseiten verweist Wolfgang Becksteiner auf die Schwierigkeiten dieser herausfordernden Zeiten. Die Enge und Dunkelheit im Inneren des Objekts lassen die Bedrückung durch die Pandemie physisch nachvollziehen, gleichzeitig wird der zu durchschreitende Gang zum Ausweg.
Michael SchusterMit seiner Arbeit „Covid-19 2020 – Cool down and Panic!“ setzt Michael Schuster ein klares und unverwechselbares Zeichen. Das Corona-Denkmal bildet mithilfe eines Lichtbetonsockels und eines mehrschichtig angelegten Spezialstahls die noch bestehende Krisensituation in ihrer Vielschichtigkeit und Zwiespältigkeit ab. Bedrohung und Zerbrechlichkeit unseres Lebens werden durch irritierend gesetzte Lichtsignale vermittelt. Damit will der Künstler Risse, Spaltungen und Ungleichheiten in der Gesellschaft und unserem Leben sichtbar machen.
Für das Denkmal von Michael Schuster findet gerade die finale Wahl eines Standortes in Graz statt. Es soll im Jahr 2022 präsentiert werden.
Quelle: Land Steiermark