vonRedaktion International
FEBRUAR 16, 2023
So funktioniert der Umstieg auf klimafreundliche Gebäudewärme
Gerade einmal drei Tage nahm der Umstieg von fossiler auf erneuerbare Raumwärme in einem Wohnbau in Ottakring in Anspruch. Nach einer thermischen Sanierung wurden die Gasthermen der 17 Wohnungen durch ein Wärmepumpensystem auf dem Dach ersetzt. Die Heizwasserleitungen führen von dort über die Außenfassade im Innenhof in den ehemaligen Hobbyraum, der nun als Heizzentrale mit zwei Pufferspeichern für das Heizungswarmwasser, die elektronische Einrichtungen und Pumpen dient. Für die Umsetzung sowie den Betrieb ist Wien Energie verantwortlich, geplant wurde die zentrale Anlage von rew Consulting. Anstelle der Gaskombithermen installierte Wien Energie Wohnungsstationen, die innerhalb von drei Tagen an das bestehende Wärmeabgabesystem mit Radiatoren angeschlossen wurden. Der Eingriff in die Wohnungen war so minimal, dass sie auch während der Umstellungsarbeiten weiterhin genutzt werden konnten.
Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky, Vizebürgermeisterin und Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál und Finanzstadtrat Peter Hanke haben heute, Mittwoch, am Beispiel Huttengasse demonstriert, wie der Ausstieg aus Gas gelingen kann. Die Stadt Wien hat sich zum Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2040 im Bereich der Gebäudewärme klimaneutral zu werden. Statt umweltschädigender Energieformen sollen dann nur mehr klimafreundliche Alternativen zum Einsatz kommen. Die Vision von einer klimaneutralen Stadt setzt voraus, dass alle Gebäude in Wien emissionsfrei und mit erneuerbaren Energieformen geheizt bzw. gekühlt werden – auch sogenanntes „Grünes Gas“ wird in Wohnungen nicht zum Einsatz kommen.
Derzeit entfallen knapp 30 Prozent der Treibhausgasemissionen auf den Gebäudesektor, fast 90 Prozent der CO2-Emissionen werden von Gasheizungen verursacht. Dennoch hat Wien bundesweit den geringsten Energieverbrauch für Heizen und Warmwasser pro Kopf (4.800 kWh/Jahr/Kopf) und der Verbrauch ist seit 2005 um 17 Prozent gesunken. Das ist die Folge engagierter und mutiger politischer Entscheidungen, durch welche die thermische Wohnbausanierung massiv vorangetrieben wurde.
„Klimaschutz kann nur mit einem stark ausgeprägten Sinn für soziale Gerechtigkeit passieren, die Wärmewende muss also einen Beitrag dazu leisten, die Lebensqualität aller Wiener*innen zu erhöhen, das Wohnen schöner und angenehmer zu machen“, sagt Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky. Gleichzeitig müssen die Auswirkungen des technischen Umstiegs auf die Bevölkerung minimal gehalten werden. Die Umstellung muss für alle Wiener*innen leistbar sein. Deshalb bedarf es einer guten sozialen Abfederung durch finanziell nachhaltig abgesicherte Förderungen.
„Für den Umstieg von fossilen auf erneuerbare Energieträger nehmen wir als Stadt Wien viel Geld in die Hand. Wir investieren in den nächsten drei Jahren über 4,2 Milliarden Euro in den Ausstieg aus Gas. Der Gesamtinvestitionsbedarf zur Dekarbonisierung des Gebäudebestands beträgt schätzungsweise knapp 30 Milliarden Euro. Etwa die Hälfte davon entfällt auf umfassende thermisch-energetische Sanierungen und rund 9 Milliarden Euro betreffen die Heizungsumstellungen selbst“, betont Finanz- und Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke.
Doch auch wenn Wien hier wieder einmal vorangeht, ist vor allem auch der Bund gefordert. Dessen Förderungen für eine Dekarbonisierung müssen nachhaltig gesichert und auf die Bedürfnisse einer Großstadt zugeschnitten sein. Zudem braucht es eine sukzessive Erhöhung der Förderbudgets für thermische Sanierungen und Heizungsumstellungen. Auch zeigt Wien vor, wie es geht und verdoppelt die Mittel ab dem kommenden Doppelbudget von 30 auf 60 Millionen Euro.
„Am wichtigsten ist es, die Wienerinnen und Wiener für die Energiewende an Bord zu holen. Bei der Sanierung der Wohnhäuser durch nachhaltige Konzepte und gezielte Förderungen zu helfen und gemeinsam in den Umstieg auf erneuerbare Energien zu investieren. Durch das Bereitstellen der erforderlichen Fördermittel und die Beratungsoffensive unserer Servicestelle „Hauskunft“ beginnt die klimaneutrale Zukunft unserer Stadt bereits jetzt. Wien hat als Stadt mit der weltweit höchsten Lebensqualität die Verantwortung für kommende Generationen vorzuarbeiten.“ So Vizebürgermeisterin und Wohnbaustadträtin Kathrin Gaál.
Wie kann Raus aus Gas gelingen?
Thermische Sanierung
Der thermischen Sanierung von Gebäuden kommt eine wesentliche Bedeutung zu: Nicht nur steigert sie die Energieeffizienz durch Reduktion von Wärmeverlusten, es wird auch der Weg für den Einsatz von erneuerbarer Energie geebnet. Die Heizungsumstellung von fossiler auf erneuerbare Energie wird durch eine vorangegangene thermische Sanierung deutlich einfacher und kostengünstiger. Die Möglichkeit einer thermischen Sanierung muss daher mit Lösungsoptionen zu Heizungsumstellungen geprüft werden.
Einbau von zentralen Heizsystemen
Eine Bestandsanalyse zeigt, dass es in 74.000 Gebäuden mit rund 474.000 Wohnungen dezentrale Gasgeräte gibt. Fast 80.000 Haushalte heizen oder kochen mit Gas, obwohl Fernwärme vorhanden ist. Diese könnten ohne weiteres auf Fernwärme umgerüstet werden. Der Einbau von zentralen Heizsystemen ermöglicht erst den Energieträgerwechsel des ganzen Gebäudes.
Energieträgerwechsel
Ein wichtiger Schritt ist der Ausbau und die Nachverdichtung der Fernwärme in den dicht bebauten Gebieten der Stadt. Zusätzlich wird die Dekarbonisierung der Fernwärmeerzeugung vorangetrieben, damit auch diese 2040 keine fossile Energie mehr nutzt.
Eine weitere Alternative zur Versorgung mit Erdgas sind Niedertemperatur-Nahwärmenetze. Sie versorgen mehrere Gebäude oder Blöcke mit Wärme und Kälte und binden dabei mitunter sogar mehrere unterschiedliche Quellen ein (z.B. Erdwärme, Solarthermie, Abwärme, Abwasserwärme etc.)
Als Lösung für einzelne Gebäude eignen sich Wärmepumpen gut. Sie lassen sich kombinieren und an die örtlichen Gegebenheiten anpassen. Sie können Gebäude mit Wärme und Kälte versorgen. Erdwärmepumpen haben zudem den Vorteil, dass sie beim Kühlbetrieb keine Wärme in die Umgebung ausstrahlen, sondern diese im Erdreich speichern können.
Erneuerbare Fernwärme der Zukunft:
Aktuell stammt gut die Hälfte der Wiener Fernwärme aus den Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen. Zur Spitzenabdeckung kommen außerdem Heizkraftwerke zum Einsatz. Diese Anlagen werden vorrangig mit Erdgas betrieben. Der Rest kommt aus industrieller Abwärme, Müllverbrennung, Biomasse und Erd- und Umgebungswärme.
Bis 2040 soll die Fernwärme ohne den Einsatz von Erdgas produziert werden. 2040 sollen 55 Prozent der Fernwärme aus Geothermie und Großwärmepumpen stammen. Der übrige Anteil wird im Wesentlichen aus der Müllverbrennung, der industriellen Abwärme, Kraft-Wärme-Kopplung und Biomasse kommen. Der Anteil der großen Kraftwerke, der Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen, soll 2040 nur mehr bei 13 Prozent liegen.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Ein verlässlicher rechtlicher Rahmen, der die Umsetzung des Vorhabens ermöglicht, ist unerlässlich. Das wichtigste rechtliche Instrument ist und bleibt das Erneuerbare-Wärme-Gesetz, das – so wie eine Handvoll wichtiger Begleitgesetze – nach wie vor fehlt. Dazu gehören etwa das Wohnungseigentumsgesetz (WEG), das Mietrechtsgesetz (MRG) sowie das Gaswirtschaftsgesetz (GWG).
Wiener Wärmeplan
Der Wärmeplan zeigt, wo in Wien welche Art der Wärmeversorgung zum Einsatz kommen soll. In bestimmten Gebieten wird Wärme leitungsgebunden, also mittels Fernwärme oder lokale Wärmenetze, angeboten. In anderen Gebieten sollen wiederum erneuerbare
Energiequellen für eine gebäudeweise Wärmeversorgung zum Einsatz kommen. Im Zuge der Wiener Energieraumplanung werden noch heuer die Fernwärmegebiet konkret festgelegt.
Die Entscheidung, welche Alternative zum Gas zum Einsatz kommen soll, basiert auf einer Analyse der Heizungssysteme in bestehenden Wiener Wohnbauten. Dicht verbaute Stadtgebiete sollen so weit wie möglich ans zentrale Fernwärmenetz angeschlossen werden. In weniger dicht bebauten Gebieten werden erneuerbare Niedertemperatur-Wärmenetze und erneuerbare Energielösungen für einzelne Gebäude zum Einsatz kommen.
Beispielprojekt Huttengasse 77
„Obwohl es sich bei der Energiewende mehr als nur um eine „Mammutaufgabe“ handelt, ist der Umstieg durchaus machbar. Das zeigt bereits jetzt eine Reihe von Beispielprojekten in Wien, die deutlich machen, dass die Beheizung und Kühlung von Gebäuden ganz ohne fossiles Gas tatsächlich möglich ist“, sagt Czernohorszky. Der Fokus liegt dabei auf Projekten abseits der Fernwärmeversorgung. Bis zum Jahr 2025 soll dieses Beispielportfolio 100 Projekte umfassen. Das Haus in der Huttengasse 77 im 16. Bezirk ist eines davon.
Konzept „Raus aus Gas – Wiener Wärme und Kälte 2040“: https://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/energie/wissen/waerme-und-kaelte-2040.html
100 Projekte „Raus aus Gas“: https://www.wien.gv.at/stadtentwicklung/energie/pdf/raus-aus-gas-projekte.pdf
Quelle: Stadt Wien