"DAS FEST. Zwischen Repräsentation und Aufruhr" im MAK

vonOTS
OKTOBER 21, 2022

Foto: © A. & A. Ostier

Foto: © MAK/Georg Mayer

MAK Ausstellung lädt auf einen vielgestaltigen, opulenten Parcours ein, der Kulturen und Geschichten des Feierns anschaulich und erlebbar werden lässt

Mit der Ausstellung „DAS FEST. Zwischen Repräsentation und Aufruhr“ (MAK Ausstellungshalle, 14.12.2022–7.5.2023) lädt das MAK auf einen vielgestaltigen, opulenten Parcours ein, der Kulturen und Geschichten des Feierns – quer durch die Jahrhunderte – anschaulich und erlebbar werden lässt. Eingebettet in eine ungewöhnliche Ausstellungsgestaltung des österreichischen Bildhauers Peter Sandbichler, vermitteln 650 Objekte in Blitzlichtern den Gestaltungsreichtum von Festen zu unterschiedlichsten Anlässen und quer durch Zeit und gesellschaftliche Entwicklung. Ob mondäne Maskenbälle, politische Feiern und subversive Künstler*innenfeste oder zeitgenössische Clubveranstaltungen: so unterschiedlich die Menschen und Anlässe zum Feiern sind und waren, es steckt meist ein großer gestalterischer Wille dahinter.

Feste sind vergänglich, erlauben einen Ausnahmezustand, zelebrieren Anlässe und erzeugen ihre eigenen Wirklichkeiten – all das holt die Ausstellung „DAS FEST“ in die MAK Ausstellungshalle: mit Darstellungen, künstlerischen Beiträgen und vielfältigen Artefakten zu Festzügen, Festtafeln, Spielen, Maskenbällen, öffentlichen Illuminationen ganzer Straßenzüge, Feuerwerken und Beflaggungen, höfischen Bällen oder Veranstaltungen auf den zentralen Plätzen einer Stadt. Feste sind nicht zwingend mit Unterhaltung gleichzusetzen, sie verfolgen durchaus ernsthafte Interessen, spiegeln große und kleine Weltgeschichten, sind Ausdruck sich wandelnder Konsumgewohnheiten.

Exponate wie etwa ein meisterhaft ausgeführtes Champagnerkorken-Armband (2002) stehen für ausgelassene Dekadenz, Glamour, Selbstdarstellung, Kontrollverlust und Übertreibung. Andere Ausstellungsstücke repräsentieren strenge Festordnungen und Protokolle. Wir sehnenn uns nach Ausgelassenheit und erinnern uns an Rituale und wiederkehrende Anlässe, wenn wir den Alltag hinter uns lassen.

Feste setzen sich immer schon mit Fragen von Gestaltung und Design auseinander. Seit jeher haben Künstler*innen, Architekt*innen und Designer*innen in allen Praxisfeldern Feste geplant, entworfen und umgesetzt und mit ihren Beiträgen und Initiativen Bedürfnisse nach Pracht, Raffinesse, Differenzierung, Subversion und Propaganda realisiert – und sie haben nicht selten mitgefeiert. Künstler*innenfeste und ihre Relikte sind ein wesentlicher Bestandteil der Ausstellung. Am 13. April 2023 wird das MAK auch selbst eine „praktische Übung“ durchführen und ein Künstler*innenfest feiern.

Historische und zeitgenössische Objekte aus der MAK Sammlung sowie einzigartige Leihgaben und Beiträge vermitteln vieles von dem, was ein Fest ausmacht: Erinnerungsbücher, Einladungskarten, Plakate, Fahnen, Spiegel, Champagnergläser, Luster, Scherzgefäße, Tafelaufsätze, Juwelen, Kostümentwürfe, Roben und Maskeraden, Gesellschaftsfotografien, Filme, Sound sowie Arbeiten zeitgenössischer Künstler*innen in einem atmosphärischen Setting. Durch die Auseinandersetzung mit dem Thema des Fests wird das Selbstverständnis einer Institution fassbar, die bewahrt und schützt, die Bildungsangebote macht, über Generationen hinausdenkt und plant.

Gastkuratiert von Brigitte Felderer (Kuratorische Assistenz: Olga Wukounig) in Zusammenarbeit mit MAK Kustodin Anne-Katrin Rossberg unter Mitwirkung aller MAK Kustod*innen fügt sich die Fülle der Exponate der Ausstellung „DAS FEST“ zu thematischen Schwerpunkten und zu einer Erzählung, die von der Festkultur des 19. Jahrhunderts zurück ins Barock und Rokoko reicht und über historische Brüche etwa durch das Ende das Habsburgermonarchie in eine Gegenwart führt, die durch künstlerische Avantgarden wie gesellschaftliche Dringlichkeiten herausgefordert wurde und wird.

Für die Präsentation der Ausstellung verwendet Peter Sandbichler Fahrradkartons neu und verwandelt sie in einen edlen wie umweltbewussten Werkstoff. Seine Leichtigkeit erlaubt gekrümmte Horizonte, tief hängende Deckenskulpturen, aufragende Kubaturen und die Möglichkeit, einzelne Objekte räumlich zu umschließen und so die 1.480 Quadratmeter große MAK Ausstellungshalle in eine gleichsam festliche Atmosphäre zu tauchen und verschiedene Feststimmungen, Architekturen und Anlässe zu vermitteln.

Als Entree zur Ausstellung „reflektieren“ Nicole Six und Paul Petritsch Feststimmungen mit einer beweglichen Spiegelwand, die sich wiederum in historischen Spiegeln spiegelt.

Ein raumgreifender venezianischer Muranoluster von Cerith Wyn Evans übermittelt durch Morsezeichen einen Vortrag zur frühen Sternenfotografie von Siegfried Marx. Sterne, Stars und Luster als „Möbel der Lüfte“ (Peter Rath) wirken raum- wie stimmungsverändernd.

Zu reich dokumentierten Ereignissen opulenter Festkultur zählen fürstliche Hochzeiten und ihre Ausstattungen. So hatte der selten gezeigte „Haller Schmuck“ (16. Jh.) aus der MAK Sammlung einst das Hochzeitskleid der Maria Christierna geziert und wurde nach der Annullierung der Ehe zu einem festlichen Hostienkelch umgearbeitet. Die Eltern dieser habsburgischen Prinzessin hatten 1571 in Wien geheiratet. Das prächtige Erinnerungsbuch, das die mehrwöchigen Feierlichkeiten in Wort und Bild dokumentiert, wird in der MAK Bibliothek und Kunstblättersammlung verwahrt und erstmals wieder der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.

Seit den 1890er Jahren führten die Feiern zum politischen 1. Mai erstmals im streng regierten Habsburgerreich riesige Menschenmengen auf den Plätzen und Boulevards nicht allein Wiens zusammen. Filmaufnahmen, Fotografien, Festschriften, Plakate, Flugzettel und Fahnen sowie Entwürfe für aufwendige Festumzüge zeigen den „1. Mai“ als identitätsbildendes Ereignis einer urbanen wie politischen Festkultur.

Feste transformieren Menschen, lassen sie ungewohnte Rollen übernehmen oder in Maskeraden auftreten. Auf dem legendären „Bal Oriental“ des mexikanischen Silberminenerben Charles de Beistegui, der 1951 in Venedig stattfand, traf alter Adel auf Hollywood-Aristokratie und junge Luxusschneider wie Christian Dior oder Pierre Cardin auf eine Klasse, die sich ganz der Vergangenheit verpflichtet hatte. Fotografien aus dem Archiv von André Ostier halten dieses Fest in aller Frische und Ironie fest.

Feste verlangen nach Inszenierung in vielen Details. Welche Feinheiten eine Festplanung annehmen konnte, zeigt der im MAK verwahrte, mehr als vier Meter lange, 60 Figurengruppen tragende sogenannte „Zwettler Tafelaufsatz“, der zum goldenen Professjubiläum des Abtes Rainer Kollmann um 1786 angefertigt worden war. Für die musikalische Begleitung des Fests im Zisterzienserstift Zwettl hatte man niemand Geringeren als Joseph Haydn beauftragt.

Ein Benediktinermönch sollte für die Entwicklung des Partygetränks schlechthin prägend sein: Champagner sprudelt auf Festen und Partys. Champagnergläser sind geradezu unerlässliches Accessoires einer eleganten wie schicken Festkultur – wie eine Auswahl von Gläsern dokumentiert, die von unterschiedlichen Manufakturen, Architekt*innen, Designer*innen und Künstler*innen gestaltet wurde.

Weitere Höhepunkte der Schau bilden Kleider von Helmut Lang, Fred Adlmüller oder Demna Gvasalia für Balenciaga. Als exemplarische Gestalter stehen sie für festliche Dresscodes, die weder Maskerade noch Status, weder nationale Zugehörigkeit noch festgelegte Sexyness repräsentieren. Sie verstehen Kleidung als eine Art „gear“, deren festliche Selbstbehauptung sich letztlich über das Selbstbewusstsein einer Person manifestiert.

Kollektives Tanzen wurde in Zeiten des Lockdowns zu einer bedrohten städtischen Realität, ihr Verlust schmerzhaft spürbar, für Feiernde wie für das demokratische Gefüge einer Stadtgesellschaft. Eine Soundinstallation macht zeitgenössische Clubkultur in der Ausstellung erfahrbar.

Generaldirektorin Lilli Hollein: „Mit ‚DAS FEST‘ zeigt das MAK eine Ausstellung, die ebenso wie die Sammlung des Hauses einen weiten Bogen spannt, vom Barock bis in die Gegenwart, von herrschaftlichen Bällen über den Maiaufmarsch bis ins Berliner Berghain. Somit waren auch alle Kustod*innen des Hauses mit ihren Sammlungsbereichen in diese von Brigitte Felderer kuratierte Ausstellung involviert und das MAK feiert so auch ein bisschen sich selbst.“

Zur Ausstellung erscheint eine gleichnamige, reich illustrierte, vom Linzer Büro OrtnerSchinko gestaltete Publikation, die das Thema Fest mit Beiträgen internationaler Expert*innen vertieft.

Teilnehmende zeitgenössische Künstler*innen (Auswahl):

Vito Acconci, Astro.Polygon, Bogomir Doringer, Marcus Geiger, Gelitin, Thomas Hörl, Nik Hummer, Elke Krystufek, Kris Lemsalu, Michèle Pagel, George Rei, Patrick Rampelotto, Peter Sandbichler, Christian Schwarzwald, Yinka Shonibare, six-petritsch, Wolfgang Tillmans, Philip Topolovac, Anna Vasof, Franz West, Cerith Wyn Evans, Maria Ziegelböck u. a.

Bildmaterial steht unter MAK.at/presse zum Download bereit.


Pressekonferenz:
Dienstag, 13.12.2022, 10 Uhr
Wir bitten um Anmeldung unter presse@MAK.at

Eröffnung:
Dienstag, 13.12.2022, 19 Uhr
Eintritt frei ab 18 Uhr

Ausstellungsort:
MAK Ausstellungshalle
MAK, Stubenring 5, 1010 Wien

Ausstellungsdauer:
14.12.2022–7.5.2023

Öffnungszeiten:
Di 10–21 Uhr, Mi bis So 10–18 Uhr

Gastkuratorin:
Brigitte Felderer
Kuratorische Assistenz: Olga Wukounig

MAK Kuratorin:
Anne-Katrin Rossberg, Kustodin MAK Sammlung Metall und Wiener Werkstätte Archiv, unter Mitwirkung aller MAK Kustod*innen

Katalog:
„DAS FEST. Zwischen Repräsentation und Aufruhr“, herausgegeben von Lilli Hollein, Brigitte Felderer, Anne-Katrin Rossberg, mit Beiträgen von Chiara Baldini, Bogomir Doringer; Brigitte Felderer, Rainald Franz, Sebastian Hackenschmidt, Lilli Hollein, Werner Oechslin, Kathrin Pokorny-Nagel, Anne-Katrin Rossberg, Peter Sandbichler, Lara Steinhäußer, Bärbel Vischer, Mio Wakita-Elis, Marlies Wirth und Olga Wukounig. Deutsch/Englisch, ca. 432 Seiten mit zahlreichen Abbildungen. MAK, Wien/Birkhäuser Verlag, Basel 2023. Erhältlich im MAK Design Shop und unter MAKdesignshop.at um € 44.

MAK Eintritt:
€ 15, ermäßigt € 12, jeden Dienstag 18–21 Uhr: Eintritt € 7
Eintritt frei für Kinder und Jugendliche unter 19

Quelle: OTS

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