vonOTS
OKTOBER 04, 2021
Hannover (ots) - Ghosting ist ein Phänomen beim Online-Dating, welches darin besteht, dass Personen, mit denen bereits ein Online-Kontakt oder sogar ein Offline-Kontakt besteht, plötzlich und ohne jede Begründung den Kontakt abbrechen und von da an nicht mehr erreichbar sind. Bei Betroffenen kann dies zu Irritation, Verunsicherung, Verwirrung, Selbstzweifeln, Trauer, Wut oder Schock führen.
Die psychologische PartnervermittlungGleichklang.de hat Mitglieder zu erlittenem Ghosting und zu eigenem Ghosting befragt. Es zeigte sich, dass fast jedes dritte Mitglied bereits Ghosting erlebte und jedes sechste Mitglied selbst zu Ghosting mindestens einmal in der Vergangenheit zu Ghosting gegriffen hatte. Hauptursachen für Ghosting waren Zweifel an der Passung der anderen Person, eine als unangenehm erlebte Kommunikation, belastende eigene Lebenssituationen, Krankheiten oder Depressionen, Anstrengung und Belastung durch Schreiben von Nachrichten, Hemmungen, eine Absage zu senden, sowie einfaches Vergessen.
An der Untersuchung beteiligten sich 1138 Mitglieder, unter ihnen 642 Frauen, 481 Männer und 15 non-binäre Personen im Alter von 18 bis 84 Jahren. Das Durchschnittsalter lag bei 50,56 Jahren. Die Befragung wurde online durch den Psychologen Guido F. Gebauer durchgeführt und ausgewertet.
Ergebnisse
Häufigkeit von Ghosting
- 30,7% oder fast jedes dritte befragte Mitglied gab an, es mindestens einmal erlebt zu haben, dass eine Person ohne Vorankündigung und Begründung aus einem intensiven Online-Kontakt verschwand. 10,5% oder fast jedes zehnte befragte Mitglied berichtete über Ghosting nach dem ersten Treffen. 6,6 % oder mehr als jedes fünfzehnte befragte Mitglied gab an, dass eine Person mitten aus einem intensiven Kontakt heraus mit bereits mehreren Begegnungen plötzlich und überraschend komplett verschwunden sei.
- 17,8% der befragten Mitglieder gaben an, mindestens einmal selbst Ghosting betrieben zu haben. Diese Personen wurden gebeten, in einem freien Text die Gründe für ihr Ghosting zu erklären. Dabei zeigte sich, dass einige Befragte einen normalen Kontaktabbruch schilderten, der nicht als Ghosting zu bewerten war. Tatsächliches Ghosting wurde von 16,5% der Befragten berichtet, trat also ungefähr bei jedem sechsten befragten Mitglied auf.
Gründe für eigenes Ghosting
Zur Beantwortung der Frage nach dem "Warum?" wurden die resultierenden 188 Texte von Personen, die eigenes Ghosting einräumten, einer Inhaltsanalyse unterzogen und auf dieser Basis verschiedenen Kategorien zugewiesen.
Dies sind die nach ihrer Häufigkeit sortierten Hauptursachen:
- Zweifel an der Passung: 47,3% der Befragten, die Ghosting-Verhalten gezeigt hatten, berichteten als Grund für ihr Verschwinden über Zweifel an der Passung der anderen Person. Sie schilderten sich beispielsweise als desillusioniert von der anderen Person, gaben an, die Begeisterung sei verflogen, schilderten ein fehlendes Interesse an der anderen Person, gaben an, die andere Person sei unpassend gewesen oder berichteten gar über negative Eigenschaften der anderen Person, wie Unehrlichkeit oder mangelnder Ernsthaftigkeit. Bei diesen Personen ergab sich das Ghosting also aus Zweifeln an der Passung oder sogar aus negativen Gefühlen gegenüber der anderen Person, so dass der weitere Kontakt letztlich vermieden wurde.
- Ungünstige Kommunikation: 31,4% der Befragten mit eigenem Ghosting-Verhalten schilderten einen als ungünstig, stressig, unangenehm oder nicht zielführend erlebten Kommunikationsverlauf. Sie berichteten beispielsweise über eine schwierige, langweilige, anstrengende oder sogar unangenehme Kommunikation. Benannt wurden auch vulgäre Ausdrücke, Beleidigungen oder aufdringliches Verhalten. Ghosting ergab sich hier vorwiegend also aus einer Belastung durch die Kommunikation, so dass alle weitere Kommunikation unterlassen wurde.
Persönliche Probleme: 19,7% der Befragten mit eigenem Ghosting-Verhalten brachten ihr Ghosting-Verhalten in direkten Zusammenhang mit persönlichen Problemen oder Alltags-Schwierigkeiten. Beispiele hierfür waren Stress im Alltag, Todesfall in der Familie, Burnout, Depressionen, andere Erkrankungen, plötzliche persönliche Veränderungen oder auch nur allgemeine Zeitnot. Bei diesen Personen hatte also das Ghosting nichts mit der anderen Person oder der Kommunikation an sich zu tun, sondern resultierte aus der Lebenssituation oder der psychischen Situation der eigenen Person.
Belastung durch Dating-Anforderungen: 15,4 % der Befragten mit eigenem Ghosting-Verhalten benannten eine spezifische Überforderung mit der Dating-Situation an sich, also mit dem Management von Vorschlägen, Zuschriften, Prozessen des Schreibens, Kommunizierens und Verabredens. Berichtet wurde über zu viele Anfragen und Kontakte, einen hohen Zeitaufwand für das Schreiben von Nachrichten, die Schwierigkeit, passende Worte zu finden oder aus dem Dating resultierende Anstrengung. Ghosting war bei diesen Personen also vorwiegend Ausdruck einer Vermeidung von mit der Partnersuche verbundener Anstrengung.
Hemmungen beim Dating-Prozess: 12,8 % der Befragten mit eigenem Ghosting-Verhalten benannten spezifisch an die Partnersuche gekoppelte eigene Hemmungen, Unsicherheiten oder Befürchtungen als Ursachen für ihr Verschwinden. So gaben Personen an, die wollten andere nicht mit Absagen verletzen, könnten nicht absagen oder hätten Ängste vor Verabredungen. Ghosting diente in diesen Fällen also vorwiegend der Vermeidung der Konfrontation mit den eigenen auf die Partnersuche bezogenen Befürchtungen.
Aufgeschoben und vergessen: 5,9 % der Befragten mit eigenem Ghosting-Verhalten gaben an, dass Sie eine Antwort lediglich aufgeschoben und dann vergessen hätten, so dass es letztlich zu spät gewesen sei. Es ging bei dieser Art des Ghosting also nicht um eine negative Wahrnehmung der anderen Person oder der Kommunikation mit ihr, auch nicht um generelle eigene Probleme, Dating-Hemmungen oder eine Bewertung von Dating als zu anstrengend. Vielmehr wurde das Ghosting eher als ein unschuldiger Prozess beschrieben, bei dem Antworten nur kurzfristig aufgeschoben und im Anschluss vergessen worden seien.
57,6% der Befragten benannte exakt eine der fünf Hauptursachen als Grund für ihr Ghosting-Verhalten. 24,6% gaben zwei, 5,2% drei und lediglich 0,5% vier der fünf Hauptursachen an. Keiner der Befragten gab alle fünf Hauptursachen als Grund für das eigene Ghosting-Verhalten an. 12% benannten der Befragten benannten allerdings keine der fünf Hauptursachen, sondern gaben verschiedene andere Gründe an, wie dass sie bereits eine Partnerschaft gefunden hätten, sich einen Kontakt aufsparen wollten oder die Dating-Plattform verlassen hätten.
Einflüsse von Alter, Geschlecht und Bildungsstand
In der Untersuchung zeigten sich nahezu keine Einflüsse von Alter, Geschlecht und Bildungsstand auf die Häufigkeit von eigenem Ghosting-Verhalten oder der verschiedenen Begründungen.
Statistisch signifikant, aber ausgesprochen geringfügig waren lediglich Zusammenhänge zum Alter in dem Sinne, dass ältere Menschen etwas seltener von Ghosting betroffen waren, seltener selbst zu Ghosting griffen und zudem von älteren Menschen Belastung durch Dating-Anforderungen und Hemmungen beim Dating-Prozess seltener als Gründe für eigenes Ghosting benannt wurden.
Resümee
Warum verschwinden Menschen beim Online-Dating plötzlich und ohne Vorankündigung?
Psychologe Gebauer fasst die Ergebnisse der Umfrage dahingehend zusammen, dass die Ursachen vielgestaltig seien, sich aber für viele Ghosting-Vorfälle eine relativ kleine Anzahl allgemeiner Hauptursachen feststellen lasse.
Der häufigste Grund sei, dass die andere Person als nicht passend oder sogar als negativ oder die Kommunikation als anstrengend, langweilig oder belastend erlebt werde. Mit Negativem wollen sich Menschen oft nicht auseinandersetzen und das Verschwinden werde hier als der einfachere Weg wahrgenommen.
Keineswegs sei die Ursache von Ghosting aber immer innerhalb der anderen Person oder des Kommunikationsprozesses zu finden. Ghosting-Verhalten könne auch rein innerhalb der Person liegen. Beispiele seien eine schwierige oder stressreiche Lebenssituation, Depressionen, Erkrankungen, eine geringen Bereitschaft oder Fähigkeit, Anforderungen des Dating-Prozesses zu erfüllen oder spezifisch auf das Dating bezogene Hemmungen und Ängsten. Hierzu gehöre auch die Angst, eine Absage zu erteilen, ob aus Scham und schlechtem Gewissen oder aus Sorge, den anderen zu verletzen.
So könne Ghosting sogar Personen betreffen, von denen sich Menschen angezogen fühlten und mit denen sie gerne eine Beziehung aufnehmen würden. Eigene Überforderung oder persönliche Probleme könnten dazu führen, dass zu einer als passend und sympathisch erlebten Person der Kontakt plötzlich und ohne Angabe von Gründen abgebrochen werde. Dies können auch die Angst vor der eigenen Courage sein, eine Beziehung wirklich zu beginnen.
Schließlich lägen dem Ghosting manchmal sogar gar keine keine tiefgreifenden Gründe zugrunde, sondern die Antwort werde kurzzeitig aufgeschoben und dann vergessen. Falle es auf, meinten die Betreffenden, es sei bereits zu spät.
Studien zeigten, dass Ignorieren für Menschen weitaus schmerzvoller sei als direkte Zurückweisung. Personen, die Ghosting betreiben, sollten sich daher nach Gebauer Ghosting nicht damit schönreden, dass sie andere nicht verletzen wollten. Auch sei es nie zu spät, eine Situation aufzuklären, wenn eine Antwort vergessen worden sei. Sachlage sei, dass bei vielen Menschen, die von Ghosting betroffen seien, das plötzliche Verschwinden der anderen Person einen Leerraum hinterlasse, der von manchen gefüllt werde mit Irritation, Grübeln, Selbstzweifeln, Hilflosigkeit, Trauer, Ärger oder Wut. Dating-Plattformen sollten es daher zum Teil ihrer Community-Regeln machen, dass Kontaktabbrüche erklärt werden und Ghosting unterlassen werden sollte. Wem Absagen schwerfielen, der könne sich eine freundliche Vorlage zurechtlegen und diese dann einfach versenden.
Ghosting werde sich allerdings nie ganz vermeiden lassen. Zu hoch sei die Versuchung, sich einer Klärung oder Begründung durch einfaches Verschwinden zu entziehen. Für die Online-Partnersuche sei es daher wichtig, sich auf die Möglichkeit von Ghosting innerlich vorzubereiten, sich dadurch eine dickere Haut zurechtzulegen und bei erlebtem Ghosting nicht in Selbstzweifel zu verfallen.
Weitere Informationen zum methodischen Vorgehen und zahlreiche weitere Einzelbefundenwerden in diesem Artikel im Psychologie-Blog von Gleichklang dargestellt.
Quelle: OTS