vonOTS
MÄRZ 12, 2024
Nach einigen Medienberichten Ende des Vorjahres ist es nun wieder relativ ruhig geworden um die so genannte „Pflegelehre“, die neue Ausbildungsmöglichkeit zu den beiden Pflegeassistenzberufen. Wir haben nachgefragt, und zwar in ganz Österreich, bei allen unseren Mitgliedsorganisationen.
Bereits bei unseren Fachtagungen im Herbst 2023, die sich unter anderem dem Thema der neuen Lehrberufe widmeten, wurde klar, dass es in Bezug auf den Stand der Dinge sehr große Unterschiede zwischen den Bundesländern gab und daran hat sich nur wenig verändert. Das dürfte stark damit zusammenhängen, dass sich auch die Landespolitiker:innen mit unterschiedlicher Begeisterung und Zugängen diesem Thema widmen.
Vor allem in den westlichen Bundesländern wurde der Start in die „Pflegelehre“ von den Zuständigen in den Bundesländern forciert. Kein Wunder, dass demnach Vorarlberg und Tirol schon mittendrin sind. „Im Frühling startet die erste Berufsschulklasse und im Herbst wird voraussichtlich eine zweite voll sein, dh in Tirol werden 2024 30-60 Lehrlinge in Pflegeassistenzberufe starten,“ berichtet Georg Berger, der nicht nur als Geschäftsführer für die Wohn- und Pflegeheime der Stadt Hall in Tirol verantwortlich ist, sondern auch Obmann der ARGE Tiroler Altenheime. Wie weit auf Schiene die „Pflegelehre“ in Tirol bereits ist, fasst er zusammen: „Gemeinsam mit dem Land Tirol streben wir eine Lösung an, die zusätzlichen Kosten der Heime für die innerbetriebliche Ausbildung der Lehrlinge über eine Projektförderung abzudecken. Langfristig sollen diese Kosten aber über die Heimtarife abgebildet werden. Außerdem haben wir gemeinsam mit dem bfi Tirol eine verkürzte Ausbildung in der Praxisanleitung geschaffen, die sich an Pflegekräfte richtet, die bereits vergleichbare Ausbildungen haben.“ Um die einzelnen Pflegeheime beim Feststellungsverfahren zu unterstützen, hat die ARGE Tiroler Altenheime für ihre Mitglieder Leitfäden und Rahmenkonzepte erarbeitet und sorgt künftig für einen breiten Wissensaustausch zwischen den Einrichtungen.
Ähnlich schwungvoll gehen die Vorarlberger Nachbar:innen die Sache an. „Die ersten Lehrlinge haben in Vorarlberg ihre Ausbildungen in den verschiedenen Einrichtungen gestartet und es gibt durchgängig positive Rückmeldungen. Ebenso ist die Nachfrage für weitere Ausbildungsplätze spürbar angestiegen. Auch wir in Vorarlberg haben das Ausbildungsangebot, nach Vorbild unserer Tiroler Kollegen/innen, erweitert und bieten eine verkürzte Ausbildung zum Praxisleiter für Pflegekräfte mit vergleichbarer Ausbildung an.“ berichtet Emanuel Jori, der Obmann des Landesverbandes der Heim- und Pflegeleitungen.
Dass der Austausch und Wissenstransfer quer durch Österreich funktioniert, bestätigt die Caritas der Erzdiözese Wien. Sie ist die erste Trägerin von Pflegeheimen, die in ihren Wiener Pflegeheimen die „Pflegelehre“ in Angriff nimmt und hat sich dazu Referenzerfahrungen von den Vorarlberger Kolleg:innen eingeholt, für die man sehr dankbar ist. Die Caritas der Erzdiözese betreibt ihre Einrichtungen nicht nur in Wien, sondern auch in Niederösterreich. Hier haben sich bereits einige (bisher: privat konfessionelle) Trägerorganisationen über die Implementierung der „Pflegelehre“ drüber getraut. Gerlinde Göschelbauer ist die Obfrau der NÖ ARGE für Pflege und Betreuung und ist mit ihrem Pflegeheim St. Louise eine der ersten, die selbst Lehrlinge für Pflegeassistenzberufe aufgenommen hat. Sie berichtet: „In Niederösterreich war das Interesse von Bewerber:innen zu Beginn regional sehr unterschiedlich. Ein Haus im südlichen Niederösterreich hatte zB fast 20 Bewerberbungen, bei uns war es nur eine. Wir sehen aber auch, dass die Pflegelehre bekannter wird und dadurch das Interesse steigt. Spannend ist außerdem, dass längst nicht alle Bewerber:innen 15 sind, sondern dass sich auch 18 bis 20jährige für die Ausbildung interessieren. Unser ältester Bewerber war 32 Jahre alt. Wir als Ausbildungsbetriebe wachsen auch gut in unsere Rolle hinein. Bisher waren wir gewohnt, Praktikant:innen zu begleiten, die zuvor schon einen theoretischen Input hatten und mit einem gewissen Fachwissen zu uns ins Praktikum kamen. Bei den Lehrlingen ist das natürlich anders. Wir sind jedoch sehr gut begleitet, vor allem durch die Wirtschaftskammer. Hier bekommen wir viel Unterstützung, begonnen bei der Einreichung, den Feststellungsbescheid über den Lehrvertrag bis hin zu verschiedenen Dokumenten. Auch Förderungen können über die Wirtschaftskammer beantragt werden.“
Und was sagen die jungen Menschen, die sich für eine Lehre in einem Pflegeassistenzberuf entschieden haben? Dazu weiß Günther Schranz mehr. Er ist Geschäftsführer und Pflege- und Betreuungsleiter im niederösterreichischen Pflegeheim Mater Salvatoris und ebenfalls unter den ersten Häusern, die Lehrlinge aufgenommen haben. „Unsere Lehrlinge sind gut angekommen und fühlen sich wohl. Am besten gefällt ihnen die soziale Interaktion mit unseren Bewohner:innen. Derzeit steht die Betreuung im Vordergrund und sie begleiten zu Pflegezeiten unsere Pflegepersonen bei ihrer Arbeit. Es zeigt sich deutlich, dass der kontinuierliche Austausch, die persönliche Begleitung der jungen Menschen, sehr wichtig ist. Eine offene, lernbereite Haltung ist als Ausbildungsbetrieb essentiell, um die uns anvertrauten jungen Menschen gut zu entwickeln.“
Ebenfalls bei der Caritas, im Haus St. Nikolaus in Neusiedl am See, startet der erste Pflegelehrling Burgenlands. Claudia Prenner ist sowohl Vorstandsmitglied in der ARGE pflege.kraft Burgenland als auch im Lebenswelt Heim Bundesverband. Sie berichtet über die Situation im Burgenland: „Wir sehen die Lehre für die Pflegeberufe als zusätzliche Chance, Jugendliche für den Pflegeberuf zu begeistern. Es ist ein weiterer Ausbildungsweg, der uns helfen kann, insgesamt mehr Pfleger:innen in den unterschiedlichen Berufsgruppen zu bekommen. Im Burgenland gibt es derzeit noch wenige Anfragen, um Ausbildungsbetrieb zu werden, was vor allem auch damit zusammenhängt, dass das versprochene Ausbildungshandbuch noch nicht in abgesegneter Form zur Verfügung steht.“
„Wieder einmal bestätigt sich, wie wertvoll hier der bundesweite Austausch aus der Praxis für die Praxis und somit auch die Arbeit des Bundesverbandes Lebenswelt Heim ist“ beschreibt der Präsident von Lebenswelt Heim, Jakob Kabas, die Situation. „Seit September/ Oktober müsste es zum Beispiel ein vom Arbeits- und Sozialministerium akkordiertes Handbuch für die Lehrlingsausbildung geben. Das gibt es bis dato immer noch nur als Entwurf-Exemplar. Viele weitere Punkte sind ebenfalls immer noch unklar. Das Stimmungsbild, das sich diesbezüglich auf unseren Fachtagungen im Herbst 2023 gezeichnet hat, hat nur wenig mehr an Farbe gewonnen“ bringt er es auf den Punkt. Was stimmt in positiv? „Ebenfalls das oben erwähnte“, so Kabas. „Es haben sich einige Kolleginnen und Kollegen engagiert auf den Weg gemacht und teilen großzügig ihr Wissen, ihre Erfahrungen und auch die von ihnen erarbeiteten Materialien.“
Quelle: OTS