vonRedaktion Salzburg
FEBRUAR 17, 2023
EuGH verbietet Neonicotinoide endgültig
Mit Fassungslosigkeit und absolutem Unverständnis nehmen Agrar-Landesrätin Michaela Langer-Weninger und Präsident der Landwirtschaftskammer OÖ Franz Waldenberger im Bezug auf das Urteil vom EuGH und dessen Auslegung durch die EU-Kommission zur Kenntnis. Demnach dürfen Mitgliedsstaaten das EU-weite Verbot von Neonicotinoiden nicht mehr mittels Notfallzulassungen auslegen. Der Zuckermarkt läuft aktuell gut, die Rübenbauern blicken jedoch hinsichtlich des Urteils mit größter Sorge in die Zukunft. In Oberösterreich haben 1.130 landwirtschaftliche Betriebe rund 8.000 Hektar Zuckerrüben kontrahiert und erzeugen rund ein Viertel des österreichischen Zuckers.
„Teuerung, unsichere Warenströme und Produktknappheiten – gerade in Zeiten wie diesen sind solche Entscheidungen nicht nur vollkommen unverständlich, sondern auch in keinster Weise nachvollziehbar. Diese bedrohen zudem die Existenz der Rübenbauern und somit die Versorgungssicherheit mit heimischem Zucker! Nun noch zusätzlich Öl ins Feuer zu gießen ist verantwortungslos und gleichzeitig der Todesstoß der regionalen Produktion! Die politisch Verantwortlichen auf europäischer Ebene wären besser beraten, wieder wissenschaftlichen Fakten vor populistischen NGO-Meinungen zu folgen und somit auf den Weg der Vernunft und der Ernährungssouveränität zurückkehren!Agrar-Landesrätin Michaela Langer-Weninger
Zuckerrüben sind gegenüber Schädlingen in der Jugendphase sehr empfindlich. Bislang wurden die Rüben mit einer neonicotinoiden Beize gegen Erdflöhe und Blattläuse sowie gegen einen geringen Druck an Derbrüsslern so gut geschützt, dass keine Spritzung nötig war. Das wird sich durch das Urteil nun ändern. Das EuGH-Urteil bezog sich auf die Situation in Belgien und nicht auf die verschärfte österreichische Problematik. „In Österreich wurde begleitend zur bis jetzt geltenden Notfallzulassung der Rübenbeize ein jährliches Bienenmonitoring durch die AGES durchgeführt und bewiesen, dass es für die Bienen zu keinen negativen Auswirkungen aufgrund der Rübenbeize kam. Die Zuckerrüben sind als nichtblühende Kultur für Bienen unattraktiv und das Saatgut ist gut gegen Staubabrieb geschützt“, erläutert LK-Präsident Franz Waldenberger den notwendigen und verantwortungsbewussten Einsatz des Pflanzenschutzmittels in der heimischen Landwirtschaft.
Geeignete und schonende SchädlingsbekämpfungAgrar-Landesrätin Michaela Langer-Weninger stellt unmissverständlich klar: „Die strenge Umsetzung des EuGH-Urteils gefährdet die Versorgung mit dem Grundnahrungsmittel Zucker. Österreich kann sich (noch) mit Zucker selbst versorgen, doch dies wird durch das Urteil gefährdet. Das ist absolut fahrlässig und in Zeiten wo überall Unabhängigkeit und Souveränität gefordert wird, absolut nicht nachvollziehbar.“ Rund ein Drittel bis die Hälfte vom österreichischen Rübenanbau ist durch den Rübenderbrüssler bedroht, der in den letzten Jahren enorme Schäden durch Kahlfraß verursacht hat. Dieser Schädling konnte im Osten von Österreich nur durch Neonicotinoide reguliert werden. In Oberösterreich bedrohen besonders Schädlinge wie Erdflöhe und Blattläuse den Rübenanbau. Für den Erhalt der beiden Zuckerfabriken in Österreich und somit der Eigenversorgung mit Zucker sind keine nennenswerten Flächenverluste tragbar. Langer-Weninger bezieht sich auf die Schließung der ehemaligen Zuckerfabrik in Enns vor mehr als 30 Jahren: „Es gibt in Europa keine einzige Fabrik, die geschlossen und später wieder aufgesperrt worden ist. Gerade in Zeiten unsicherer Warenströme sollte allen Verantwortungsträgern klar sein, wie wichtig eine starke heimische produzierende Landwirtschaft ist. Wenn in Europa und Österreich die Zuckerrübenproduktion reduziert wird, dann wird das mit Importen aus Übersee (Brasilien) ausgeglichen. Das kann nicht das Ziel sein, wenn wir an Klima- und Umweltschutz denken.“
Die Zuckerproduktion in Brasilien erfolgt unter deutlich schlechteren Umwelt- und Sozialstandards als in Österreich - dort werden in Österreich längst verbotene Pflanzenschutzmittel eingesetzt. „Zuckerimporte aus Brasilien sind auch aus Klimaschutzgründen eine deutliche Verschlechterung gegenüber den heimischen Zuckerrüben. Damit hilft das Beiz-Verbot weder der Umwelt noch den Landwirten. Es gefährdet vielmehr Arbeitsplätze und kann für Konsumenten zu einer Verteuerung von Zucker führen“, so Waldenberger.
Bio-Anbau als Alternative nicht geeignet„Zuckerrüben sind wie Winterraps gegen Krankheiten, Schädlinge und Unkräuter deutlich empfindlicher als andere Kulturen. Durch fehlende Pflanzenschutzmittel hat sich etwa der Rapsanbau in Österreich in den letzten zehn Jahren halbiert. Beim Zuckerrübenanbau droht ohne wirksame Pflanzenschutzmittel das gleiche Szenario“, erklärt Martin Bäck, Obmann der OÖ. Rübenbauerngenossenschaft. Die Jahre 2018 und 2020 haben veranschaulicht, dass der Bio-Zuckerrübenanbau zwar wichtig ist, aber nicht zur Sicherstellung der Eigenversorgung beitragen kann. 2018 und 2020 gingen österreichweit 57 bzw. 68 Prozent der ausgesäten Bio-Zuckerrüben durch Schädlinge und andere Probleme verloren und kamen nicht zur Ernte. „Darüber hinaus gestaltet sich auch der Absatz von Bio-Zucker schwieriger, obwohl nur zwei Prozent der österreichischen Zuckermenge biologisch produziert wird. Mit Bio-Zuckerrüben kann eine Zuckerfabrik nur rund fünf Tage im Jahr ausgelastet werden – für einen wirtschaftlichen Betrieb sind mehr als 100 Tage notwendig“, so Bäck weiter.
Druck auf heimische LandwirtschaftUmwelt-NGOs üben seit Jahren auf Kosten der heimischen bäuerlichen Landwirtschaft Druck auf die EU-Kommission aus - mit dem Ziel, Pflanzenschutzmittel, die für die Produktion wichtig sind, zu verbieten. Langer-Weninger und Waldenberger appellieren an die politischen Verantwortungsträger:innen auf europäischer Ebene: „Die heimischen Rübenbauern haben sich in der Vergangenheit immer wieder an geänderte Rahmenbedingungen angepasst und ihre große Innovationsbereitschaft unter Beweis gestellt. Unsere Bauern haben ihre Leistungsbereitschaft für die heimische Versorgungssicherung bewiesen. Dafür müssen auch die entsprechenden Rahmenbedingungen von Seiten der Politik garantiert werden. Bei weiteren derart unverständlichen nicht zielführenden Verboten von Pflanzenschutzmitteln wird die Eigenproduktion allerdings stark gefährdet.“
Quelle: Land Oberösterreich