Innsbruck: Gedenkort Reichenau

vonRedaktion International
MAI 31, 2024

Foto: IKM/Bär

Zeitgemäßes Erinnern an Opfer des Lagers Reichenau

Im „Arbeitserziehungslager Reichenau“ wurden während der NS-Zeit rund 8.500 Menschen inhaftiert, 114 namentlich bekannte Opfer wurden hier nachweislich ermordet. Deren Namen und Biografien wurden von einer ExpertInnenkommission im Auftrag der Stadt Innsbruck erforscht und aufgearbeitet, auch die Errichtung einer neuen Gedenkstätte wurde empfohlen, zu der ein Wettbewerb ausgerichtet wurde. Eine Fachjury wählte das von der ARGE Bablick/Denzer/Machat/Schlorhaufer/Zschiegner vorgelegte Siegerprojekt „Gedenkort Reichenau“, das vom Innsbrucker Stadtsenat am Mittwoch, den 29. Mai 2024 zur Kenntnis genommen und zur weiteren Feinabstimmung und Redimensionierung beauftragt wurde.

„Ein Stein vor dem Recyclinghof ist zu wenig – da sind wir uns alle einig. Jahrzehntelang ist es schon überfällig, dass wir den Menschen, die im Lager Reichenau gelitten haben und ermordet wurden, würdig gedenken. Deshalb haben wir auf Basis der Empfehlungen der ExpertInnenkommission einen Wettbewerb ausgerufen, um zeitgemäßes Gedenken in einem würdigen Rahmen zu ermöglichen. Mit dem ‚Gedenkort Reichenau‘ wurde der Jury ein angemessenes, zeitgemäßes und didaktisch wertvolles Gedenkprojekt vorgelegt, das wir nun in die weitere Anpassung und Abstimmung schicken“, erklärt der ressortzuständige Vizebürgermeister Georg Willi.

Gedenken als Ort
Das nun vorgelegte und von einer Fachjury ausgewählte Konzept sieht vor, dass eine neue, zeitgemäße Gedenkstätte in der Nähe des ehemaligen Lagers errichtet wird: An der Innpromenade zum Baggersee wird künftig ein Gedenkort entstehen, der sich unter Einbeziehung von multimedialen Mitteln vor allem auch an Schulklassen richtet.

Der Willkommensbereich besteht aus einer offenen Raumstruktur, die die Maße einer durchschnittlichen Baracke aufweist. Am Außenbereich sind die Namen der 114 Verstorbenen angebracht, im Innenbereich findet sich eine Ausstellung mit Informationen zum Lager, dessen Funktion, Opfern und Tätern, sowie der weiteren Entwicklung des Ortes. Auf Displays werden Interviews mit ZeitzeugInnen gezeigt.

Am Gedenkort werden Bodenplatten angebracht, die an die im Lager inhaftierten Personen erinnern. Dazwischen finden sich 114 Stelen – die „Namensträger“ – auf denen die biografischen Daten der Ermordeten zu sehen sind. Ein weiteres Element des Gedenkprojekts stellt der Audioweg dar: Mittels einer dafür entwickelten App können BesucherInnen die geschichtlichen Hintergründe des Ortes erkunden. Der aktuell bestehende Gedenkstein bleibt erhalten und wird durch eine Neugestaltung in das Projekt integriert.

Die Kosten des Projekts belaufen sich auf rund 1,3 Millionen Euro, auch das Land Tirol wird sich daran beteiligen.

Lager Reichenau
Das „Arbeitserziehungslager Reichenau“ bestand zwischen 1941 und 1945. Zahlreiche politische Gefangene wurden dort inhaftiert, gefoltert, zur Zwangsarbeit verpflichtet und ermordet. Im Jahr 1972 wurde am ehemaligen Standort ein Gedenkstein errichtet, seither finden dort jährlich Kranzniederlegungen im Gedenken an die Opfer statt. Eine ExpertInnenkommission der Stadt Innsbruck, bestehend aus mehreren ZeithistorikerInnen und politischen VertreterInnen, wurde ab 2022 mit der Aufarbeitung der Geschichte des Lagers beauftragt.

Die Kommission hält in ihrem Abschlussbericht fest, der 1972 errichtete Gedenkstein sei „als historische Errungenschaft und Setzung zu wu?rdigen, entspricht jedoch in keiner Weise mehr den Anforderungen an eine zeitgema?ße Erinnerungskultur. Die Inschrift ist inhaltlich nicht korrekt, die A?sthetik des Denkmals u?berholt und der Standort denkbar ungeeignet fu?r die Abhaltung von Veranstaltungen, Exkursionen von Schulklassen u.a?. Vor allem aber ist der aktuelle Ort eines angemessenen Gedenkens an die Opfer und deren Leid nicht wu?rdig.“

Auf Basis des Berichts wurde vom Innsbrucker Gemeinderat im Jahr 2023 einstimmig die Ausrufung eines Wettbewerbs zur Errichtung einer neuen Gedenkstätte beschlossen, der nun entschieden ist. FB

Quelle: Stadt Innsbruck

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