vonRedaktion Salzburg
JÄNNER 16, 2024
Kaup-Hasler dankte der 94-jährigen Ärztin, die Wien trotz all widerfahrener Ungeheuerlichkeit mit ihrem unermüdlichen Tun geehrt hat
Am heutigen Montagnachmittag verlieh Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler im Steinsaal des Wiener Rathauses das Goldene Verdienstzeichen des Landes Wien an die Ärztin, Holocaust-Überlebende und unermüdliche Zeitzeugin Lucia Heilman. Heilman, die die Nazi-Zeit in Wien als so genanntes „U-Boot“ überlebte und ihr Leben einem „Gerechten unter den Völkern“, Reinhold Duschka, verdankt, widmete ihr eigenes Leben als Medizinerin dem Helfen anderer und wirkte seit den 1990er-Jahren als Zeitzeugin in zahlreichen Erinnerungsprojekten mit, etwa in „Die letzten Zeugen“ am Burgtheater oder im Dokumentarfilm „Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt“.
Neben der Laudatorin Tanja Eckstein, zahlreichen Freund*innen und Weggefährt*innen sowie Kindern, Enkel*innen und Urenkel*innen Heilmans wohnten der Ehrung der ehemalige Vizebürgermeister und Ehrenbürger der Stadt Wien, Sepp Rieder, der Präsident der Israelischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch sowie Hannah M. Lessing, Generalsekretärin des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, bei. Musikalisch gestaltet wurde die Ehrung vom Atlas-Quartett mit Stücken von Antonio Vivaldi und Antonín Dvo?ák.
Kaup-Hasler: Heilman wurde nicht müde, ihre Stimme für humanitäre Werte und gegen Unrecht zu erheben
„Trotz des Ungeheuerlichen und bis heute sprachlos Machenden, das ihr widerfahren ist, wirkte Lucia Heilman in ihrem späteren Leben ohne Unterlass als Brückenbauerin und Mahnerin gegen Antisemitismus und Rassismus“, betonte Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler. „Es ist nicht die Stadt Wien, die sie ehrt, sondern Sie haben mit ihrer Arbeit, ob als Ärztin oder als Zeitzeugin, diese Stadt geehrt. Gerade jetzt, wo wir das Aufflammen von Antisemitismus und Xenophobie überall auf der Welt zu beklagen haben, zeigt sich, wie wichtig es für eine Gesellschaft ist, zu sprechen, und dass jeder von uns nicht müde werden darf, laut die Stimme zu erheben gegen Unrecht und für humanitäre Werte.“
Laudatorin Eckstein: Heilman hat mit klaren Worten verständlich gemacht, wohin Ausgrenzung führt
„Lucia Heilman hat es zu ihrer Lebensaufgabe gemacht, dem Unwissen den Kampf anzusagen. Mit klaren Worten hat sie verständlich gemacht, wohin Ausgrenzung führt und wie wichtig Demokratie ist“, so Laudatorin Tanja Eckstein, Biografin des Zeitzeug*innen Projekts Centropa. Eckstein wies aber auch auf die Kraft und Unbeirrbarkeit hin, mit der Lucia Heilman unendliche Male die Fragen von Jugendlichen beantwortet, mit der sie unendliche Male von ihrem Leben erzählt habe. Dieses unermüdliche Engagement sei auch belastend gewesen, denn die Ängste, die allein das plötzliche Läuten der Glocke an der Tür auslösen, sind ihr geblieben. Heilman selbst, erinnert Eckstein, habe einmal erklärt: „Was soll ich sonst tun. Denn wenn ich einen einzigen berührt habe, wenn ein einziger etwas begriffen hat, habe ich schon gewonnen.“
Die 94-jährige Heilman selbst betonte in ihren Dankesworten noch einmal, dass sie diese Ehrung stellvertretend für alle Zeitzeug*innen annehme. Ebenso hob sie hervor, dass der Dank auch den vielen Lehrer*innen an den Schulen gebühre; denn erst durch deren Engagement werde die Arbeit an den Schulen möglich.
Kurzbiografie Lucia Heilman
Lucia Heilman kam 1929 als Lucia Johanna Treister in Wien zur Welt und wuchs in Wien Alsergrund auf. 1938 wurde Lucia aufgrund ihrer jüdischen Herkunft der Schule verwiesen. 1941, der Großvater war bereits 1939 nach Buchenwald deportiert worden, versteckte ein enger Freund ihres Vaters Lucia und ihre Mutter in seiner Werkstatt in der Mollardgasse, später in einem Kohlenkeller in der Gumpendorfer Straße. Niedergeschrieben ist ihre Geschichte und die ihres Retters Reinhold Duschka in "Am Seil – Eine Heldengeschichte" (Erich Hackl).
Nach dem Krieg maturierte Lucia Heilman in Wien, studierte Medizin und war als praktische Ärztin im AKH, im Kaiser-Franz-Josef-Spital sowie im Spital der Barmherzigen Brüder tätig. Lucia Heilman sprach erstmals in Zusammenhang mit dem Filmprojekt der israelischen Fotografin Alisa Douer "Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt" (1993) über ihr Überleben als "U-Boot" in Wien. Seither ist sie als Zeitzeugin aktiv. In der Spielzeit 2013/2014 wirkte Lucia Heilman bei der Produktion "Die letzten Zeugen" am Wiener Burgtheater mit, 2017 war sie Rednerin beim Fest der Freude.
https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Lucia_Heilman
Quelle: Stadt Wien