vonRedaktion Salzburg
SEPTEMBER 08, 2023
LH-Stv. Pernkopf: „Wir wollen das Gesicht unserer Heimat und den Charakter unserer Dörfer und Städte erhalten und immer wieder neu beleben“
Die „Goldene Kelle“, höchste Auszeichnung von Niederösterreich GESTALTE(N) für herausragende Baugestaltung und sensible Einfügung in das Orts- und Landschaftsbild, erging am 5. September im Vereinshaus Horn an acht Preisträgerinnen und Preisträger. Überreicht wurden die vergoldeten Trophäen von LH-Stellvertreter Stephan Pernkopf.
Ob Neubau, Umbau oder sanierter Altbau - die im Niederösterreich GESTALTE(N) Magazin präsentierten Projekte stellen stets herausragende Bauten der niederösterreichischen Baukulturlandschaft dar. Im Rahmen des Architekturwettbewerbes um die „Goldene Kelle“ wählen die Leserinnen und Leser des Magazins unter denen im Laufe eines Jahres vorgestellten 20 Beispielen ihre persönlichen Favoriten und küren damit die alljährlichen Gewinnerprojekte.
„Wir wollen das Gesicht unserer Heimat und den Charakter unserer Dörfer und Städte erhalten und immer wieder neu beleben. Mit Fingerspitzengefühl und Mut gleichzeitig, schaffen es die prämierten Projekte, Baukultur und Lebensqualität zu verbinden. Die Pflege und Vermittlung baukultureller Werte ist Teil unseres niederösterreichischen Selbstverständnisses. Mit der Verleihung der „Goldenen Kelle“ möchten wir den ausgewählten Projekten jenen Stellenwert geben, den sie verdienen“, hob LH-Stv. Pernkopf hervor. Zu den insgesamt acht Gewinnern zählen diesjährig das Pfadfinderheim in Horn, der Schüttkasten in Retz, der „Fotostadl“ bei Sitzendorf an der Schmida, der Umbau der ehemaligen Forstfachschule in Waidhofen an der Ybbs, die Sanierung der „Alten Hofmühle“ in Hollabrunn, das neue Ortszentrum in Ober-Grafendorf, das „Ibesichhaus“ in Horn und das gemeinschaftliche Wohnprojekt in Waidhofen an der Ybbs.
Da die Stadtgemeinde Horn mit zwei von insgesamt acht Gewinnerprojekten vertreten ist, fand der diesjährige Festakt im Vereinshaus Horn statt. Für ein zauberhaftes wie auch dynamisches Rahmenprogramm sorgten der niederösterreichische Nachwuchsmagier Fabian Blochberger sowie die Turnerinnen der Sportakrobatik Horn.
Selbstbewusst und trotzdem respektvoll präsentiert sich der Zubau zum geschichtsträchtigen Pfadfinderhaus im ehemaligen Totengräberhaus unterhalb der Friedhofsmauer in Horn. Als größte Jugendbewegung der Welt erfährt die Pfadfinderbewegung großen Zulauf, sodass die Verdopplung der Mitgliederanzahl in den letzten Jahren eine räumliche Erweiterung notwendig machte. Das zusätzliche Raumangebot sollte in Form eines Multifunktionsraumes geschaffen werden, der sich harmonisch an den Altbau schmiegt und durch einen separaten Eingang auch extern genutzt werden kann. 4juu Architekten verwirklichten einen Holzbau auf Steinfundament mit raumhohen Glasfronten und massiven Eichenstämmen die das Dach tragen. Das freischwebende Vordach soll die „Flügel“ symbolisieren, die Kinder brauchen um abheben und sich den Herausforderungen der Welt stellen zu können.
Früher hinter hohen Steinmauern vor der Außenwelt versteckt, ungenutzt und vom Verfall bedroht, präsentiert sich der Schüttkasten in Retz den Besuchern und Passanten nun in neuem Kleid und bietet Platz für Veranstaltungen. In enger Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt und begleitet von einem Restaurator wurde das um 1700 errichtete Gebäude mit viel Gefühl renoviert. Der Eingang an der schmalen Frontseite direkt an der Straße wurde an die Längsseite verlegt, Fenster bis zum Boden verlängert und ein großflächiger Vorplatz geschaffen. Die neue Ausschank und die Sanitäranlagen werden als eigenständiges Galeriemöbel in den Innenraum platziert und fungieren als modernes Gegenstück zum historischen Altbau. Der Akustikspritzguss aus Zellulose sorgt für eine gute Akustik, sodass der alte Schüttkasten seine neue Bestimmung als Veranstaltungsort bestmöglich erfüllt.
Komplett ausgehöhlt, trockengelegt, rundum wärmeisoliert und mit neuem Dach ausgestattet, zeigt sich der alte Fotostadl bei Sitzendorf an der Schmida in neuem Kleid und ist dennoch von außen fast unverändert geblieben. Die dreifach verglasten Elemente der Durchbrüche und Eingangstore sind 1:1 den alten Scheunentoren nachempfunden. Die Verwandlung in einen für fotografisch-künstlerisches Arbeiten hochprofessionell ausgestatteten Atelierstadl mit elektrischen Außenrollos zur 100-prozentigen Verdunkelung erfolgte in nur drei Monaten Bauzeit. Und wenn die Fotografie einmal nicht mehr das Leben des Eigentümers bestimmen wird, sind alle Vorkehrungen für das Wohnen in einem Loft – von Sanitärräumen, Küchenanschluss, Fußbodenheizung und Schwedenofen für die Gemütlichkeit - bereits vorhanden. Also bestens gerüstet für die Zukunft.
1980 als Werkstätten für die Forstfachschule in Waidhofen an der Ybbs errichtet, verliert das im Eigentum der Stadt stehende Gebäude durch die Absiedelung der Schule nach Traunkirchen seine Bestimmung. Die malerische Lage am Ufer der Ybbs mit spektakulärem Blick auf den Stadtfelsen prädestinierten den leerstehenden Schulbau zur Nutzung als hochwertiger Wohnraum in bester Altstadtlage. Um das Budget optimal zu nutzen, griffen die Architekten möglichst gering in den Bestand ein und behielten neben dem Stiegenhaus, dem Dach sowie allen tragenden Wänden auch das robuste Industrieparkett der ehemaligen Werkstätten. Ein neuer Lift im Gang schafft nun Barrierefreiheit, jede der sieben neuen Wohnungen hat einen Ausgang auf Terrasse oder Balkon. Die Raumhöhen der ehemaligen Werkstätten ermöglichten den Bau von Maisonetten mit kleiner Galerie unter der Dachschräge. Die Neugestaltung der Außenhülle harmoniert nun perfekt mit der Altstadt.
Das Stadtbild von Hollabrunn seit Jahrhunderten prägend, zählt die alte Hofmühle zu den ältesten und interessantesten Gebäuden der Stadt und selbst Napoléon soll hier im November 1805 einst Quartier bezogen haben. 2021 wird der im Eigentum der Stadt stehende Bau durch Fördermittel der Europäischen Union, des Bundesdenkmalamts, der Landesregierung sowie des Museumsmanagements Niederösterreich umfassend saniert und barrierefrei gemacht. Zeugnis über die Nutzung als Mühle legen die runde Wandvertiefung und die Holzkonstruktion beim ehemaligen Wasserrad ab. Die Räumlichkeiten und die ehemaligen Stallungen können nun auch von Privaten angemietet werden. Im Innenhof, in dem sich einst die Quelle des „Hollabrunnen“ befunden haben soll, finden heute Veranstaltungen sowie Oster- und Weihnachtsmärkte statt.
Um einem aussterbenden Ortskern entgegenzuwirken, realisierte die Gemeinde Ober-Grafendorf gemeinsam mit der gemeinnützigen Siedlungsgenossenschaft Pielachtal eine Wohnhausanlage mit 40 Wohneinheiten, einem Gesundheitszentrum, sechs Geschäften und einem Café. Ergänzt wird das innovative neue Ortszentrum durch neue Fuß-und Radwege und einem durch die Verlegung einer Straße entstandenen Hauptplatz, der trotz stark befahrener Bundesstraße zum neuen Treffpunkt avanciert. Anstelle von Asphalt sorgen jetzt speicher- und versickerungsfähige Böden und Pflasterplatten im Sandbett für klimafitte Oberflächen, sowie eine Kombination aus Grün- und Sitzflächen für Verweilmöglichkeiten. Ein beliebter Aufenthaltsort an heißen Sommertagen ist auch die berankte Pergola mit Sprühnebel auf Knopfdruck. Die Platzgestaltung wurde so geplant, dass sie multifunktional nutzbar und adaptierbar ist.
Nach langem Leerstand wird das im Biedermeier erbaute Gasthaus und spätere Postamt von der Stadtgemeinde Horn zur Bestandssicherung angekauft. Zentral gelegen und mit Blick auf die historische Stadtmauer wird das sogenannte „Ibesich-Haus“ von der Gemeinnützigen Wohnbaugesellschaft Kamptal 2021 erworben und in ein Wohnhaus umgewandelt. Der Anspruch war dabei, die Anforderungen des heutigen Wohnbaus mit dem noch erhaltenen Erscheinungsbild in Einklang bringen zu können. In Abstimmung mit den Ärztinnen als künftige Mieter entstanden neben vier Wohneinheiten auch Ordinationsräumlichkeiten für einen Zahn- und Frauenarzt und eine Tierarztpraxis. Auch der imposante Gewölbekeller, einst Lagerfläche des Gasthauses, wurde abgegraben und wieder nutzbar gemacht. Trotz großer Herausforderungen ist es dem Architekten, der Gemeinde und dem Bauträger gemeinsam gelungen, ein stimmiges Ganzes zu schaffen.
Um für sich und Gleichgesinnten die Vision von Wohnen und Leben in einem verantwortungsvollen Miteinander zu verwirklichen, gründeten Jakob und Verena Anger den Verein GeWoZu – Gemeinschaftlich Wohnen – die Zukunft. Diese durch einen Aufnahmeprozess entstandene Gruppe aus Menschen mit unerschütterlichem Glauben an die Sache, Einsatzbereitschaft und Durchhaltevermögen entwickelte auf einem schwierigen, steil geneigten Hanggrundstück mit den ortsansässigen Architektenbüro w30 in Waidhofen an der Ybbs ein dreigeschoßiges Terrassenhaus in Hybridbauweise. Die zwölf eher klein gehaltenen Wohnungen für zwanzig Erwachsene und 13 Kinder werden neben einem selbstorganisierten Einkaufsladen auch durch ein vielfältiges zusätzliches Raumangebot wie einer Gemeinschaftswohnküche, einem Kinderspielbereich, einem Homeoffice Raum, sowie einem Wellnessbad und einem Gästezimmer ergänzt. So lässt es sich leben!
Quelle: Land Niederösterreich