vonOTS
AUGUST 11, 2021
Corona verschärft weiter Probleme am Arbeitsplatz, AK-Präsident Wieser sieht Verbesserungsbedarf bei Kündigungsschutz
St. Pölten (OTS) - 75.000 Arbeitnehmer*innen haben allein im ersten Halbjahr die Hilfe der AK Niederösterreich wegen Problemen am Arbeitsplatz gesucht. Das zeigt eine Auswertung der arbeits- und sozialrechtlichen Beratungen der Kammer. Die anhaltende Corona-Pandemie verschärfte die Probleme für viele Betroffene. AK Niederösterreich-Präsident und ÖGB NÖ-Vorsitzender Markus Wieser sah auf einer Pressekonferenz Verbesserungs- und Gesprächsbedarf vor allem beim Kündigungsschutz.
Unklare Lohnabrechnungen bei der Kurzarbeit, Kündigungen trotz Kündigungsschutzes in der Kurzarbeit, Chefs, die mit der Begründung Pandemie auf einvernehmliche Auflösungen des Dienstverhältnisses drängen, nicht eingehaltene Wiedereinstellungszusagen – kaum ein Themenkomplex hat heuer so sehr für Probleme am Arbeitsplatz gesorgt wie die Corona-Pandemie und ihre wirtschaftlichen Folgen. Das zeigt die Auswertung der arbeits- und sozialrechtlichen Beratungen durch Expert*innen der AK Niederösterreich im ersten Halbjahr 2021.
Zwischen 1. Jänner und 30. Juni nahmen suchten demnach knapp 75.000 niederösterreichische Arbeitnehmer*innen die Hilfe der AK Niederösterreich. „Bei einem großen Teil der Anfragen konnten unsere Expert*innen schon mit einer Beratung weiterhelfen, etwa indem sie die Lohnabrechnung überprüften“, schildert AK Niederösterreich-Präsident und ÖGB NÖ-Vorsitzender Markus Wieser. „Für fast 7.000 Arbeitnehmer*innen mussten wir ausstehende Löhne und Gehälter beim Arbeitgeber einfordern oder vor Gericht einklagen, beziehungsweise ihre Ansprüche nach einer Insolvenz sichern. Inkludiert sind hier auch unsere sozialrechtlichen Vertretungen, also etwa, wenn wir schwer kranken Arbeitnehmer*innen helfen, zu einer Invaliditäts- oder Berufsunfähigkeitspension zu kommen.“
AK Niederösterreich erkämpft 19,5 Mio. Euro für Arbeitnehmer*innen
Für diese Menschen erkämpfte die AK Niederösterreich im ersten Halbjahr Ansprüche in der Höhe von insgesamt knapp 19,5 Millionen Euro. „Ohne unsere Beratung und Rechtsvertretung wären die meisten Betroffenen nicht zu ihrem Geld gekommen“, fasst Wieser zusammen.
Einen typischen Fall für die vergangenen Monate schildert AK Niederösterreich-Experte Thomas Kaindl. Er ist Leiter des Bereichs Regionale Aufgaben der AK Niederösterreich, der für die Bezirksstellen zuständig ist. Sie sind für die meisten Betroffenen die erste Anlaufstelle. Ein Waldviertler Gastwirt drängte seine Küchenleiterin schon während des ersten Corona-Lockdowns zur einvernehmlichen Auflösung des Dienstverhältnisses – den offenen Urlaub und offene Überstunden zahlte er ihr nicht aus. „Er versprach ihr, dass er das bei der Wiedereinstellung erledigen würde. Er hat die Betroffene dann auch wiederaufgenommen, sobald es Kurzarbeit gab. Als das Arbeitsverhältnis beendet wurde, war auf einmal keine Rede mehr davon“, schildert Kaindl. Es ging um immerhin 75 offene Urlaubstage und 900 Mehr- und Überstunden. Die Betroffene wandte sich an die AK Niederösterreich. „Wir haben dann für sie alle Ansprüche eingeklagt, die noch nicht verfallen waren. Das waren in Summe 7.000 Euro.“
Wieser: „Verbesserungs- und Gesprächsbedarf bei Kündigungsschutz“
Der wirtschaftliche Druck durch die Pandemie habe zu einer Zunahme von dubiosen Praktiken geführt, Mitarbeiter*innen loszuwerden, erklärt AK Niederösterreich-Präsident Markus Wieser. „Wir beobachten, dass sich mehr Mitglieder an uns wenden, weil sie der Chef dazu drängt, eine einvernehmliche Auflösung des Dienstverhältnisses zu unterschreiben, auch in Betrieben mit Kurzarbeit, wo ja im Wesentlichen Kündigungsschutz besteht. Auch sind unsere Expert*innen vermehrt mit ungerechtfertigten Entlassungen konfrontiert.“
Verstärkt nachgefragt wird seit Beginn der Pandemie das kostenlose AK-Service der Überprüfung von Lohn- und Gehaltsabrechnungen, sagt Doris Rauscher-Kalod. Sie ist Leiterin der AK Niederösterreich-Abteilung Arbeits- und Sozialrecht. „Da hat es vor allem durch Anfragen zu Kurzarbeitsabrechnungen einen massiven Anstieg gegeben“, schildert die Expertin. Ebenfalls sehr häufig sind Berichte von Beschäftigten, die „Minusstunden“ wegen Corona einarbeiten sollen. „Der Arbeitgeber schickt seine Beschäftigten früher heim, weil es weniger Umsatz wegen Corona gibt. Das sollen die Betroffenen später kostenlos einarbeiten“, erklärt Rauscher-Kalod. „Das geht natürlich nicht. Die Beschäftigten waren arbeitsbereit und es war der Arbeitgeber, der sie nachhause geschickt hat.“
Für AK Niederösterreich-Präsident und ÖGB NÖ-Vorsitzender Markus Wieser zeigen die Probleme, dass es einen besseren Schutz für Arbeitnehmer*innen braucht: „Kündigungen sind in Österreich sehr arbeitgeberfreundlich geregelt. Gekündigt werden darf in der Privatwirtschaft immer ohne Grund“, sagt Wieser. „Das ist vielen Menschen gar nicht bewusst. Gekündigt werden darf auch im Krankenstand oder selbst nach einem Arbeitsunfall. Lediglich Fristen und Termine sind einzuhalten“, erklärt der AK Niederösterreich-Präsident. „Derzeit kann in Österreich nur in besonderen Fällen eine Kündigung angefochten werden. Wir fordern daher bessere Möglichkeiten zur Kündigungsanfechtung für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Wir haben in Österreich also sicher Verbesserungs- und Gesprächsbedarf. Mit Arbeiterkammer und Gewerkschaft haben die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht nur in dieser Angelegenheit starke Partner an ihrer Seite.“
Quelle: OTS