vonOTS
AUGUST 20, 2022
Wien (OTS) - Anlässlich der aktuellen Sonderausstellung „BRASILIEN. 200 Jahre Beziehungsgeschichten“ feiert auch das Naturhistorische Museum Wien den Unabhängigkeitstag Brasiliens, der sich heuer zum 200. Mal jährt, mit einer großen Festveranstaltung am 7. September 2022.
Über Jahrhunderte hinweg war Brasilien eine Kolonie des Vereinigten Königreichs von Portugal. Die brasilianische Unabhängigkeitsbewegung führte schließlich in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts zur Loslösung Brasiliens von der portugiesischen Kolonialmacht. In diesen Prozess waren sowohl Leopoldine von Habsburg als auch etwas später ihr Ehemann, Prinzregent Dom Pedro, involviert. Die Unabhängigkeit Brasiliens vom ehemaligen Vereinigten Königreich von Portugal, Brasilien und Algarve wurde am 7. September 1822 offiziell erklärt – ein Tag, der bis heute als Nationalfeiertag Brasiliens gilt. Die formale Anerkennung erfolgte drei Jahre später mit einem Vertrag, der Ende 1825 sowohl vom neuen Kaiserreich Brasilien als auch vom Königreich Portugal unterzeichnet wurde.
Festveranstaltung
Zu diesem Jubiläum findet im NHM Wien die Festveranstaltung „200 Jahre Unabhängigkeit Brasiliens von Portugal“ am 7. September 2022 ab 17:00 Uhr im Rahmen der aktuellen Sonderausstellung BRASILIEN statt.
Der Abend beginnt mit Führungen durch die Ausstellung mit den wissenschaftlichen Kurator*innen wie auch einem poetischen Rundgang um 17:00 und 18:00 Uhr. Um 18:30 Uhr findet die Festveranstaltung in der Oberen Kuppelhalle des Museums statt. Neben Grußworten von Dr. Katrin Vohland, Generaldirektorin des NHM Wien, wie auch von Ana Leitão, Botschaftsrätin der Portugiesischen Botschaft, und Tomás Seferin, Kulturattaché der Brasilianischen Botschaft, gestalten die Autorin Prof. Gloria Kaiser und das Auner Quartett den Abend.
Gloria Kaiser ist Autorin von literarischen Biographien und historischen Romanen, wie auch historische Forscherin und lebt in Graz und Salvador, Brasilien. Sie liest an diesem Abend Teile aus ihrer Romanbiografie „Dona Leopoldina. Die Habsburgerin auf Brasiliens Thron“ (Seifert, 2015) und wird durch das Auner Quartet musikalisch begleitet.
Das Auner Quartett, bestehend aus den Geiger*innen Daniel und Barbara Auner, der Bratschistin Nora Romanoff-Schwarzberg und dem Cellisten Konstantin Zelenin, tritt im Rahmen von Konzerten regelmäßig bei einer Vielzahl von Festivals und in Konzerthäusern auf.
Link zur Veranstaltung. Eine gültige Eintrittskarte ins Museum ist erforderlich. Das Begleitprogramm ist gratis. U.A.w.g. unter brasilien@nhm.at
Dona Leopoldina
Caroline Josepha Leopoldine war die Tochter von Kaiser Franz I. und Marie-Therese der beiden Sizilien. 1816 wurde sie mit Dom Pedro von Bragança und Brasilien verheiratet. Nach dreimonatiger Segelschifffahrt kam Leopoldine, nun Dona Leopoldina, am 5. November 1817 in Rio de Janeiro an, wo die Eheleute einander zum ersten Mal persönlich sahen. 1822 war ein Schicksalsjahr: Dom Pedro musste nach São Paulo reiten, um die Paulistas von der Arbeit der Monarchie zu überzeugen, und für die Zeit seiner Abwesenheit wurde Dona Leopoldina mit Bestallungsurkunde zur Regentin erklärt. Mit diesem Dokument hatte sie alle Rechte und auch alle Pflichten, alles zum Wohle Brasiliens zu entscheiden und zu tun. Als zwei Wochen später neuerlich portugiesische Soldaten in Rio ankamen, die die Regierungsgeschäfte übernehmen wollten, berief Dona Leopoldina unverzüglich den Staatsrat ein und unter ihrem Vorsitz wurde am 2. September 1822 der Staatsratsbeschluss zur Unabhängigkeit Brasiliens von Portugal getroffen und unterzeichnet. Fünf Tage später erhielt Dom Pedro in São Paulo den Brief von Dona Leopoldina, in welchem sie ihn von den Ereignissen informierte und schrieb: „…der Apfel ist reif, pflücke ihn.“ Am 7. September 1822 ratifizierte Dom Pedro den Staatsratsbeschluss. Und in einer diplomatischen Meisterleistung gelang es Dona Leopoldina, dass im August 1825 die Anerkennung der Unabhängigkeit Brasiliens in Verträgen festgeschrieben wurde.
Untrennbar ist der Lebensfaden von Dona Leopoldina in die Geschichte Brasiliens gelegt. Sie hat ihre Mission als Habsburger Tochter erfüllt – eine einmal übernommene Aufgabe ist zu Ende zu bringen. Sie hat sechs Kinder geboren, fünf Mädchen und den Thronfolger Pedro II. Sie hat Brasilien, das Land und die Menschen geliebt; „nossa mãe“ wurde sie schon zu Lebzeiten genannt. Heute verehrt man sie als Mutter der brasilianischen Nation.
Ausstellung
Die Sonderausstellung „BRASILIEN. 200 Jahre Beziehungsgeschichten“ ist bis 23. April 2023 im NHM Wien zu sehen.
Die intensiven Beziehungen zwischen Österreich und Brasilien reichen in die Zeit der Habsburger-Monarchie zurück: Die Vermählung von Erzherzogin Maria Leopoldine von Österreich, der vierten Tochter von Kaiser Franz I. und seiner zweiten Frau Maria Theresia von Neapel-Sizilien, mit dem portugiesischen Thronfolger Dom Pedro im Jahr 1817 hatte nicht nur politische, sondern auch weitreichende wissenschaftliche Folgen. Die Ausstellung vermittelt einen Eindruck von der großangelegten Expedition, die anlässlich der Hochzeit unter der obersten Leitung des österreichischen Staatskanzlers Metternich initiiert wurde. Ein Stab von angesehenen Wissenschaftlern sammelte und dokumentierte vier Jahre lang unter enormen Strapazen die Fauna und Flora, aber auch Mineralien und ethnologische Kostbarkeiten. Der Präparator Johann Natterer blieb sogar 18 Jahre lang in den Regenwäldern Südamerikas und sandte zigtausende Objekte und Präparate nach Wien. Eine kleine Auswahl aus seinen Sammlungen, heute im NHM Wien und im Weltmuseum aufbewahrt, wird in der Ausstellung ebenso gezeigt wie einige der unzähligen Herbarbögen, die dem Botaniker Johann Pohl zu verdanken sind.
Aber auch die problematische Seite der Brasilien-Beziehungen wird aufgezeigt – einige der vielen Facetten wie Sklavenhandel und Kolonialismus haben massive Auswirkungen bis in die Gegenwart. Dazu zählen rücksichtsloses, oft brutales Verhalten gegenüber der indigenen Bevölkerung ebenso wie die radikale Ausbeutung der begehrten Natur- und Bodenschätze, zu der unser eigenes Konsumverhalten wesentlich beiträgt. Im Kontrast dazu werden die Möglichkeiten und Grenzen der Wissenschaft, aber auch der indigenen Wissens- und Erfahrungsschätze, die sich in globalem Interesse um Lösungsansätze bemühen, beispielhaft aufgezeigt. Der größte Teil der Ausstellung ist den einzigartigen Naturräumen Brasiliens gewidmet – dem immergrünen Regenwald Amazoniens, dem tausende Kilometer langen küstennahen Bereich des Atlantiks, der dichten Wildnis des Atlantischen Waldes, der bleichen Vegetation des „Weißen Waldes“ in der Caatinga, den tropischen Sumpfgebieten des Pantanals, den hochspezialisierten Gräsern der Pampa und den verschlossenen Savannen des Cerrado. Die gigantische Vielfalt und zumindest Reste der ursprünglichen Lebensräume und Lebensweisen zu erhalten, ist eine ungeheure Herausforderung. Wissenschaftler*innen aus Österreich und dem NHM Wien sind gemeinsam mit Partner*innen aus Brasilien in vielfältiger Weise an Forschungs- und Renaturierungs-Projekten beteiligt. Diese Projekte auf gemeinschaftlicher internationaler Basis werden laufend intensiviert und immer stärker global ausgerichtet – ein positiver Ausblick in die Zukunft nach 200 Jahren wechselvoller gemeinsamer Geschichte!
Quelle: OTS