vonRedaktion Salzburg
MAI 10, 2022
Tierschutzombudsstelle Wien fordert „Novelle der Novelle“ bei Schweinen, Rindern und Legehennen
Mit der Neubesetzung im Landwirtschaftsministerium könnte nun auch die von Türkis-Grün geplante Tierschutz-Novelle korrigiert werden. Die Tierschutzombudsstelle Wien (TOW) hat die drei dringendsten Baustellen und wichtigsten (Kritik-)Punkte an den Entwürfen zur landwirtschaftlichen Tierhaltung zusammengefasst: Neben dem geplanten Festhalten am Vollspaltenboden und der Fortführung des Schwanzkupierens bei Schweinen gibt es auch bei der Anbindehaltung von Rindern und beim Auslauf von Legehennen Nachbesserungsbedarf. „Nun liegt es am designierten neuen Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig, die Chance zu ergreifen und eine echte Kurswende für die Landwirt*innen und Konsument*innen und vor allem die Millionen Tiere einzuleiten“, so Eva Persy, Wiener Tierschutzombudsfrau und Leiterin der TOW.
1. Schwanzkupieren: Mehr Platz statt mehr Papier
95 Prozent der Schweine in Österreich wird mit einem schmerzhaften Eingriff routinemäßig der Schwanz gekürzt. Dies verstößt gegen geltendes europäisches Recht. Bereits 2019 hatte die EU-Kommission Österreich daher aufgefordert, Maßnahmen gegen diesen systematischen Rechtsbruch zu ergreifen. Was nun dazu im Entwurf der 1. Tierhaltungsverordnung ausformuliert wurde, ist laut Wiener Tierschutzombudsfrau eine Verlängerung von unnötigem Tierleid mit dem einzigen Ziel, ein EU-Vertragsverletzungsverfahren hinauszuzögern: Mittels eines standardisierten Erhebungsbogens sollen die Landwirt*innen einmal pro Jahr bei ihren bereits kupierten (!) Tieren das Risiko von Schwanzbeißen bewerten. „Statt durch konkrete Verbesserungen wie mehr Platz und einem echten Verbot des Vollspaltenbodens Vorsorge zu tragen, dass Schwanzbeißen gar nicht erst auftritt, legitimiert man lieber im Nachhinein ganz bürokratisch das Abschneiden der Ringelschwänzchen“, kritisiert Persy.
Dass dieser Weg auch im Sinne der angestrebten Rechtskonformität kein nachhaltiger sei, sehe man laut Persy am Beispiel Deutschlands: Der vom Nachbarland vorgelegte und 2019 in Kraft getretene Aktionsplan zur Einhaltung der Rechtsvorschriften in Bezug auf das Schwänzekupieren beim Schwein, an dem sich Österreich bei der Novellierung orientiert hat, wurde laut Deutschem Tierschutzbund von EU-Kommissarin Stella Kyriakides bereits 2020 als unzureichend befunden.
2. Anbindehaltung: Freie Bewegung jederzeit, nicht nur an 90 Tagen
Das im Rahmen der Tierschutz-Novelle angekündigte Verbot der ganzjährigen Anbindehaltung von Rindern entpuppt sich bei genauer Betrachtung leider als der berühmte Tropfen auf dem heißen Stein. Denn: Ein gewisses Maß an Bewegung muss dem Entwurf nach lediglich an 90 Tagen pro Jahr möglich sein. „Dass ein Rind, das normalerweise beim Grasen bis zu fünf Kilometer am Tag zurücklegt, völlig gesetzeskonform neun Monate lang angebunden an einem Strick im Stall gehalten werden kann, ist aus Tierschutzsicht eine Katastrophe und entspricht sicher nicht dem, was sich die Konsument*innen unter Milch aus Österreich vorstellen“, so Persy. Besonders bitter: Diese „Verbesserung“ für die Rinder soll erst mit 2030 schlagend werden.
3. Auslauf für Legehennen: Gleicher Platz, mehr Struktur
Nahezu unbemerkt hat die Regierung eine fundamentale Änderung bei der Auslaufgestaltung für Legehennen in die Tierschutz-Novelle eingebracht. Statt der bisher geltenden acht Quadratmeter Auslauffläche pro Tier soll das Platzangebot künftig um die Hälfte reduziert werden – sofern es sich um eine „Biodiversitäts-Weide“ handelt. Das heißt im Klartext: Wenn der Auslauf mit Hecken und Bäumen bepflanzt ist, darf auf derselben Fläche künftig die doppelte Anzahl an Tieren scharren. „Jegliche Reduzierung der ohnehin äußerst knapp gestalteten Mindestmaße in der 1. Tierhaltungsverordnung ist aus Tierschutzsicht absolut abzulehnen“, so Persy.
Weitere Details und Analysen zur Tierschutz-Novelle finden Sie auf der Website der Tierschutzombudsstelle Wien.
Quelle: Stadt Wien