vonOTS
MÄRZ 18, 2021
Viele schwere Fälle – regelmäßige Auffrischung der Impfung erforderlich
Wien (OTS) - Über 200 FSME*-Fälle wurden 2020 in Österreich im Spital behandelt. Das ist ein neuer Negativ-Rekord. Die Gründe sind multifaktoriell, nicht zuletzt dürfte COVID-19 die Menschen vermehrt dazu veranlasst haben, sich im Freien aufzuhalten. Die Durchimpfungsrate ist in Österreich grundsätzlich hoch, dennoch betonen ExpertInnen bei einem Pressegespräch heute, dass nicht auf die regelmäßige Auffrischungsimpfung vergessen werden sollte. Gerade auch, weil es im Gegensatz zu COVID-19 keine Herdenimmunität gibt. Die jährliche FSME-Impfaktion läuft bereits. Ein zweiwöchiger Abstand zu einer etwaigen COVID-19-Impfung ist zu empfehlen. Die jährliche Impfaktion in den Apotheken ist bereits angelaufen.
Neuer Negativrekord
209** verifizierte Fälle von FSME[1] wurden letztes Jahr in Österreichs Spitälern behandelt. Das ist eine deutliche Steigerung zum Rekordjahr 2018, in dem 154 Fälle verzeichnet wurden. 2020 waren die Erkrankungsfälle damit auf einem Niveau, das es zuletzt 1987 gegeben hat. Ähnlich war die Lage auch in unseren Nachbarländern. „Allerdings muss man einschränkend sagen, dass es jedes Jahr zu Schwankungen bei den FSME-Fallzahlen kommt“, erläutert Dr. Rudolf Schmitzberger, Leiter des Impfreferats der Österreichischen Ärztekammer. Ursachen gäbe es mehrere. „Dazu gehören sozioökonomische, klimatische oder vom Menschen gemachte Umweltveränderungen, die die Viruszirkulation oder die Reproduktion von Zecken beeinflussen oder auch dazu führen, dass das Expositionsrisiko steigt. Im letzten Jahr gab es beispielsweise mehr ausgewachsene Zecken und man kann annehmen, dass die COVID-19-Maßnahmen dazu geführt haben, dass sich die Menschen vermehrt im Freien aufgehalten haben“, so Schmitzberger. Dazu käme, dass mehr als sonst Urlaub in Österreich gemacht wurde.
Zweigipfeliger Verlauf
„Die klassische FSME-Erkrankung ist durch einen typischerweise zwei-gipfeligen Verlauf gekennzeichnet“, erklärt Priv.Doz. Bettina Pfausler von der Universitätsklinik für Neurologie an der MedUni Innsbruck. „Nach einer Inkubationszeit von zirka 10 Tagen kommt es in der ersten Phase der Erkrankung zu Symptomen ähnlich einer Grippe mit Fieber, Schnupfen, Glieder- und Muskelschmerzen. Diese Symptome können mehrere Tage dauern. Bei zirka 50 Prozent ist die Infektion damit erledigt, das heißt, das Immunsystem hat die Viren erfolgreich bekämpft.“ Die anderen 50 Prozent hätten weniger Glück, so die Neurologin. „Sie erleben nach ein paar Tagen ohne Symptome eine zweite Phase, in der die Viren Gehirn und Rückenmark infizieren. Wie bei COVID-19 begünstigen Alter und Komorbiditäten schwere Verläufe, aber auch junge, gesunde Personen können schwer erkranken.“
Bei 105 registrierten PatientInnen (49 %) wurde 2020 ein so schwerer Verlauf festgestellt, dass das Zentralnervensystem (ZNS) stark in Mitleidenschaft gezogen wurde.1 Grundsätzlich gäbe es drei Verlaufsformen bei PatientInnen, die dieses neuroinvasive Krankheitsstadium erreichen, erklärt Pfausler. Während etwa die Hälfte der Betroffenen eine Gehirnhautentzündung habe, sich zwar sehr krank fühle und zwei bis drei Wochen im Spital behandelt werden müsse, danach aber wieder vollständig genesen sei, käme es bei einem Teil der PatientInnen der beiden anderen Verlaufsformen auch zu Langzeitfolgen. Pfausler: „Bei etwa 40 % PatientInnen im neuroinvasiven Krankheitsstadium kommt es zu einer Encephalitis, also einer Entzündung des Gehirns. Die Erkrankten brauchen meist über mehrere Wochen eine Behandlung in einer Intensivstation und anschließend einen längeren Rehabilitationsaufenthalt. Bleibende Folgeschäden wie Konzentrations- und Gedächtnisstörungen werden bei zirka 20% gesehen.“ Noch schlimmer sei es bei Personen mit einer Entzündung des Rückenmarks und des Hirnstamms. Diese hätten Symptome ähnlich der früheren Kinderlähmung, daher auch der Name Polio-like. „Die Sterblichkeit liegt bei 30 % und eine vollständige Erholung tritt nur bei 20 Prozent ein“, warnt die Neurologin vor einer Unterschätzung der Krankheit und betont: „Besonders am Wochenende ist die Gefahr einer Infektion mit dem FSME-Virus erhöht, da man sich häufig bei Freizeitaktivitäten im Freien den Zecken exponiert. Daher gilt: Impfen, impfen, impfen!“
Nicht auf andere verlassen
„Die hohen FSME-Fallzahlen 2020 beweisen, dass man bei der FSME-Impfung nicht nachlässig werden darf“, warnt auch Univ. Prof. Dr. Herwig Kollaritsch, Facharzt für Spezifische Prophylaxe und Tropenmedizin. „Im Unterschied zur COVID-19-Impfung nützt es nämlich auch nichts, wenn die anderen geimpft sind, da eine Herdenimmunität aufgrund der Übertragung von der Zecke auf den Menschen nicht stattfinden kann.“ Zu beachten sei außerdem, dass sich das Impfintervall mit dem Alter verkürze. „Das hat einen einfachen Grund: Ältere Menschen haben nach der Impfung eine geringere Immunantwort als jüngere. Das bedeutet, dass diese besonders darauf achten müssen, das Impfintervall korrekt einzuhalten“, stellt Kollaritsch fest.
FSME-Impfaktion 2021 bis 31.8.2021
Auch heuer gibt es eine FSME-Impfaktion, die noch bis Ende August dauert. „Die Krankenkassen gewähren Zuschüsse, die beim Kauf des Impfstoffs in der Apotheke sofort abgezogen werden“, berichtet Dr. Gerhard Kobinger, Präsidiumsmitglied der Österreichischen Apothekerkammer. Die Impfstoffe für Erwachsene kosten in diesem Zeitraum um rund 14 Euro, jene für Kinder um rund 15 Euro weniger. Zusätzlich gäbe es Zuschüsse der diversen Kassen.
„Wer checken möchte, ob er oder sie den FSME-Impfschutz auffrischen lassen muss oder nicht oder ob andere Impfungen anstehen, kann dies bei einem Beratungsgespräch in der Apotheke oder über die Apo-App „Apotheken und Medikamente“ der Österreichischen Apothekerkammer tun“, zeigt Kobinger die unterschiedlichen Möglichkeiten auf. Sämtliche Impfempfehlungen gemäß Impfplan des Sozialministeriums seien über die kostenlose App abrufbar.
Abstand zur COVID-19-Impfung
Mittlerweile gibt es auch eine Vorgangsweise in Bezug auf eine ebenfalls anstehende COVID-19-Impfung. „Eine gleichzeitige Verabreichung einer der derzeitigen COVID-Impfungen mit anderen Impfstoffen ist möglich, daher auch für die FSME-Impfung zulässig“, erklärt Impfexperte Kollaritsch. „Ein Abstand von zwei Wochen zu anderen inaktivierten Impfungen und von vier Wochen zu Lebendimpfungen ist jedoch zu empfehlen, um Impfreaktionen der COVID-Impfstoffe von anderen Routineimpfungen unterscheiden zu können.“ Eine immunologische Überlastung sei auszuschließen. Praktisch würde eine gleichzeitige Impfung vermutlich ohnehin nicht stattfinden, da COVID-19-Impfungen außerhalb des ärztlichen Routinebetriebs stattfänden.
*Frühsommer-Meningoenzephalitis
**215 wurden stationär aufgenommen, 6 davon nicht verifiziert
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[1] Zentrum für Virologie, MedUni Wien, Virusepidemiologische Information Nr. 02/21
Quelle: OTS