vonRedaktion Salzburg
FEBRUAR 25, 2022
Aktuelle Stunden und Änderung des Wahlrechts
Der Landtag von Niederösterreich trat heute um 13 Uhr unter dem Vorsitz von Präsident Mag. Karl Wilfing zu einer Sitzung zusammen.
Zu Beginn der Sitzung ging Präsident Mag. Karl Wilfing (VP) auf die aktuellen Ereignisse in der Ukraine ein. Rund 600 Kilometer entfernt herrsche Krieg. Ein Vorgehen, das auf das Schärfste zu verurteilen sei. Die Ereignisse in der Ukraine hätten vor Augen geführt, dass auch 77 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges und rund drei Jahrzehnte nach den kriegerischen Auseinandersetzungen im ehemaligen Jugoslawien eine demokratische Friedensordnung keine Selbstverständlichkeit sei. Die Auswirkungen dieses Krieges seien noch nicht abschätzbar, er werde vor allem für die Ukrainerinnen und Ukrainer viel Leid bringen. Es brauche deshalb „unsere Solidarität“ -Niederösterreich müsse hier ein Zeichen setzen und sich einbringen. Keinesfalls könne man zur Tagesordnung übergehen.
Es folgte eine Aktuelle Stunde zum Thema „Pflegenotstand beenden – Sicheres Pflegenetz für Niederösterreich!“ abgehalten.
Abgeordneter Erich Königsberger (FP) eröffnete die Debatte. Die Aktuelle Stunde könnte angesichts des „Pflegenotstandes“ nicht aktueller und dringlicher sein. Worten müssten endlich Taten folgen. Seine Fraktion habe in den letzten Jahren zu diesem Thema im Landtag bereits 15 Anträge mit Lösungsvorschlägen eingebracht, die allesamt abgelehnt worden seien. Angesichts des Personalmangels könnten in den Landeskliniken 520 Dienstposten nicht nachbesetzt und 370 Betten im Pflegebereich nicht belegt werden. Das sei der „falschen und verfehlten Pflegepolitik“ der VP geschuldet. Geld sollte hier vor allem in die Ausbildung der Jugend im eigenen Land investiert werden. Es brauche ein radikales Umdenken in der Pflegepolitik. In diesem Zusammenhang sprach er sich unter anderem für mehr Pflegeplätze, ein Einkommen zum Auskommen für Pflegekräfte, planbare Arbeitszeiten sowie mehr Wertschätzung der Pflege aus.
Abgeordneter Anton Erber, MBA (VP) sagte, Niederösterreich sei ein „Musterbeispiel“, wie man Sozialpolitik und Pflegepolitik machen könne. Bei der Pflege- und Betreuungsdebatte gehe es darum, „Menschen menschlicher zu behandeln“. Rund 470.000 Menschen bräuchten österreichweit derzeit Pflege und Betreuung und diese Zahl werde in den kommenden 30 Jahren auf über eine Million steigen. Auch die Zahl der Demenzkranken werde sich verdoppeln. Rund 85 Prozent der Pflegebedürftigen würden zu Hause und damit in den eigenen vier Wänden betreut. Niederösterreich forciere zudem auch den Ausbau der Pflege- und Betreuungszentren. Aufgrund des rasanten Anstiegs der Anforderungen in der Pflege brauche es nachhaltige Lösungen und Lösungen, die auf die Zukunft ausgerichtet wären. Vor allem brauche es ein Mehr an Menschen, die den Pflegeberuf ergreifen. Die Verantwortung liege hier sowohl beim Land als auch beim Bund. Niederösterreich müsse auch den Mut haben, hier Pilotversuche zu machen und neue Wege zu gehen.
Abgeordnete Mag. Edith Kollermann (Neos) sagte, wenn man über die Pflege rede, rede man über Probleme und einen Notstand. Wenn man mit der Pflege rede, rede man über einen Beruf mit vielen schönen Seiten, der aber immer schwieriger werde. Man müsse damit anfangen, mit der Pflege über die Pflege zu reden. Sie vermisse das seit Jahren. Das Nicht-Handeln habe dazu geführt, dass es heute einen Pflegenotstand gebe. Besonders stützen müsse man Hauskrankenpflegemodelle. Jede gut gemachte Ergänzung sei sinnvoll. Ein wichtiger Aspekt in der Angehörigenunterstützung seien die Tagesbetreuungszentren. Die 24-Stunden-Betreuung müsse auf einen zeitgemäßen Standard gebracht werden. Der akute Personalmangel müsse u. a. durch attraktive Arbeitsbedingungen gelöst werden.
Abgeordnete Mag. Silvia Moser, MSc (Grüne) meinte, beim Thema Pflege sei reden zu wenig, das Tun sei wichtig. Die Zahl der Hochaltrigen würde steigen, gleichzeitig die Zahl der Ein-Personen-Haushalte und der Alleinstehenden. Mehr-Generationen-Wohnen, betreutes Wohnen, Tageszentren, mobile Dienste, Angehörige und stationäre Pflege müssten berücksichtigt werden. Es brauche eine Anlaufstelle in der Region, es müsse rasch und unbürokratisch Hilfe zur Verfügung stehen, forderte sie die Einrichtung von regionalen Pflegezentren. Diese sollten ein Angebot des Landes Niederösterreich sein. Das Projekt der Community Nurses sei ein erster und wichtiger Schritt.
Abgeordneter Jürgen Handler (FP) sagte, der Pflegemangel wirke sich bereits aus. Die mehrfach von der Bundesregierung verschobene Pflegereform trage dazu bei, es müssten endlich Maßnahmen gesetzt werden. Es sei längst an der Zeit, den Lehrberuf Pflege und Betreuung umzusetzen. Mit diesem Lehrberuf wolle man auch ein besonderes Augenmerk auf die Absicherung der 24-Stunden-Betreuung legen. Das ginge nur mit genügend und gut ausgebildetem Personal.
Abgeordnete Mag. Karin Scheele (SP) betonte, die Alarmsignale im Bereich der Pflege seien nicht zu überhören. Pflegebetten stünden leer, weil man das notwendige Personal nicht habe. Der Ausbau der Ausbildungsplätze sei zu begrüßen, aber damit werde es nicht getan sein. Es sei „5 nach 12“, man müsse auch darauf schauen, dass die bereits ausgebildeten und hoch motivierten Männer und Frauen im Bereich Gesundheit und Pflege in Niederösterreich bleiben. 60 Prozent der Pflegenden würden Teilzeit arbeiten, sprach sie einen weiteren Aspekt an. Der Pflegeberuf sei ein schöner Beruf, aber sehr, sehr fordernd. Es brauche eine bessere Bezahlung, bessere Arbeitsbedingungen, die Einstufung von Pflege in Schwerstarbeit. Weiters forderte sie die Anstellung pflegender Angehöriger in Niederösterreich.
Abgeordnete Michaela Hinterholzer (VP) meinte, sie wolle „eine Lanze brechen“ für die großartigen Leistungen der Pflegerinnen und Pfleger. Man brauche mehr Personal, und da müsse man vor allem auch die Wertschätzung in den Mittelpunkt rücken. In letzter Zeit hätten allerdings zur Verfügung stehende Ausbildungsplätze nicht besetzt werden können. 16 Prozent der Jugendlichen in Niederösterreich könnten sich vorstellen, in den Gesundheits- und Pflegebereich einzustellen, und man werde diese auch brauchen. Man müsse daher etwa die Pflichtschulen ansprechen. Das niederösterreichische Pflegepaket sehe mehr Ausbildungsplätze vor, man müsse diese Plätze aber auch füllen. Die Übernahme der Schul- und Studiengelder sei zu begrüßen, ebenso die Ausbildungsprämie von 420 Euro pro Monat. Die Übernahme der Schulgelder und Studiengebühren sei als erster Schritt sehr zu begrüßen. Das Land tue, was es tun könne, man brauche aber auch die Unterstützung des Bundes.
Abgeordnete Ina Aigner (FP) sprach von dringendem Handlungsbedarf. Die VP habe auf alle Warnungen der FP nicht reagiert, jetzt stehe man nicht mehr vor dem Kollaps im Gesundheits- und Pflegebereich, man habe ihn bereits. Mittlerweile stünden in Niederösterreich 370 Betten in Pflegheimen leer, weil das Personal fehle. Der Notstand sei hausgemacht, man könne sich nicht ständig auf den Bund ausreden. Nicht die fehlenden Ausbildungsplätze seien das Problem, sondern die Rahmenbedingungen.
Abgeordnete Dr. Helga Krismer–Huber (Grüne) betonte, es gebe in Niederösterreich viel zu tun, bei dem man nicht zwingend den Bund brauche. Dazu zähle etwa eine Höhere Lehranstalt in jeder Region.
Zu Beginn der Aktuellen Stunde zum Thema „Parkpickerl in Wien ab 1. März – So handelt Niederösterreich!“ legte Abgeordneter Martin Schuster (VP) die Meinung der Antragssteller dar: Rund 220.000 Menschen pendelten täglich von Niederösterreich nach Wien, 146.000 davon mit dem eigenen Pkw. Für die 20.000 unmittelbar Betroffenen hätten das Land und die Wiener Umlandgemeinden ein Bündel an Maßnahmen geschnürt: Zu den 30 überregionalen Maßnahmen mit den fünf Hauptpunkten Infokampagne mit 250.000 Infofoldern, einer eigenen Homepage und Servicehotline, Ausweitung des Bahnangebotes u. a. mit dem viergleisigen Ausbau der Südbahn bis Mödling mit U-Bahn-Takt, Aufstockung des Busangebotes um 730.000 Buskilometer pro Jahr, Ausbau der Park&Ride-Anlagen mit 2.000 weiteren Pkw- bzw. 700 Zweiradstellplätzen bis März und weiteren 3.000 Pkw- und 1.500 Zweiradstellplätzen bis 2024 sowie vergünstigte Pendlergaragen kämen noch 25 regionale Maßnahmen der Wiener Umlandgemeinden dazu.
Abgeordnete Mag. Indra Collini (Neos) führte aus, Niederösterreichs Antwort auf das Wiener Parkpickerl sei die Änderung des Zweitwohnsitzerwahlrechts. Das sei entlarvend für eine Politik mit „Zuckerbrot und Peitsche“. Es sei einfacher, Wien die Schuld zuzuschieben als zuzugeben, dass es Niederösterreich verabsäumt habe, das Mobilitätsbedürfnis der Bevölkerung und die Herausforderungen des Klimawandels unter einen Hut zu bringen. Der nächste Wahltermin sei wichtiger als eine nachhaltige Lösung. Man brauche eine Klimapolitik, die ihren Namen auch verdiene.
Abgeordneter Mag. Georg Ecker, MA (Grüne) nannte die flächendeckende Parkraumbewirtschaftung grundsätzlich sinnvoll. Ihm sei aber nicht klar, was SP und Neos in Wien wirklich planten. Es sei jedenfalls keine stringente Verkehrspolitik, sich gleichzeitig mit dem Parkpickerl für Schnellstraßen und einen Tunnel einzusetzen, die für noch mehr Verkehr sorgten. Niederösterreich sei ganz ähnlich unterwegs. Das Parkpickerl sei nicht „vom Himmel gefallen“, man hätte sich darauf vorbereiten können. Statt eines wirksamen Öffi- und Radwegeausbaus werde aber weiter an Schnellstraßen festgehalten. Die 500 Garagenplätze seien ein Hohn.
Abgeordneter Dieter Dorner (FP) meinte, der Offenbarungseid der niederösterreichischen Verkehrspolitik sei eine Verhöhnung der Pendler. Niederösterreich habe die Entwicklung verschlafen. Der Ausbau der Park&Ride-Anlagen bis 2024 sei ein Tropfen auf den heißen Stein, die richtige Antwort wäre der Bau großer Park&Ride-Anlagen rund um Wien in Verbindung mit leistungsfähigen Massenverkehrsmitteln. Noch besser wäre es, das Auspendeln überflüssig zu machen. Es könnten aber keine Betriebe angesiedelt werden, weil z. B. für das Marchfeld und das südliche Weinviertel die Marchfeldschnellstraße und der Lobautunnel abgedreht worden seien.
Abgeordneter Gerhard Razborcan (SP) meinte, im zweimonatigen Rhythmus werde hier über Verkehrsthemen diskutiert, draußen geschehe aber wenig. Es habe einige Verbesserungen bei Regionalbussen nach Wien gegeben, was auch sehr stark vom Bund unterstützt wurde. Es gebe Versäumnisse in der Verkehrspolitik. 370.000 Menschen würden täglich von Niederösterreich nach Wien pendeln, etwa 180.000 Personen würden öffentliche Verkehrsmittel benutzen. Demgegenüber stünden 40.000 Park & Ride-Plätze in Niederösterreich. Jetzt komme die flächendeckende Parkraumbewirtschaftung in Wien und davon seien 20.000 Pendlerinnen und Pendler aus Niederösterreich betroffen. Niederösterreich trage zum Klimaticket nichts bei, das Jugendticket sei abgeschafft worden.
Abgeordneter Mag. Helmut Hofer-Gruber (Neos) sagte, ein flächendeckendes Parkpickerl auf der einen Seite und eine Stadtstraße auf der anderen Seite seien für ihn kein Widerspruch, man könne Verkehrspolitik nicht auf die Stadtstraße und den Lobautunnel reduzieren.
Abgeordnete Mag. Marlene Zeidler-Beck, MBA (VP) meinte, in dieser Situation sei es ganz zentral zu informieren, Antworten zu geben und zu unterstützen. All dies tue das Land und Mobilitätslandesrat Ludwig Schleritzko. Es seien ganz viele Maßnahmen gesetzt worden, um das Pendeln zu erleichtern. Ganz zentral dabei sei der Ausbau der öffentlichen Verkehrsmittel. Über 200 Millionen Euro seien in den öffentlichen Verkehr gesteckt worden, das Angebot besonders rund um Wien sei ausgebaut worden. Es sei auch viel getan worden, um das Pendeln besser und bequemer zu machen.
Abgeordneter Erich Königsberger (FP) betonte, am 1. März führe Wien das Parkpickerl „ohne Rücksicht auf Verluste“ ein und die Pendler würden aus der Bundeshauptstadt ausgesperrt. Seit Jahren werde die Verlängerung der U-Bahn angekündigt. Auch die Errichtung der Waldviertelautobahn sei im „Sand“ verlaufen.
Quelle: Land Niederösterreich