vonRedaktion Salzburg
JULI 11, 2023
Das Jüdische Museum Wien, ein Museum der Wien Holding, zeigt ab 12. Juli die Ausstellung Superjuden. Jüdische Identität im Fußballstadion. Sie beleuchtet die bisher wenig bekannte jüdische Geschichte fünf prominenter Wiener und europäischer Fußballvereine: First Vienna FC 1894, FK Austria Wien, FC Bayern München, Ajax Amsterdam und Tottenham Hotspur FC. Gleichzeitig nimmt Superjuden die Fanszene in den Blick und zeigt, wie jüdische und nichtjüdischen Anhänger*innen das jüdische Erbe ihres Klubs auf unterschiedliche Weise aufgreifen. Die Ausstellung macht erfahrbar, dass jüdische Geschichte überall eingeschrieben ist und uns daher alle etwas angeht.
Wien war einst ein Zentrum des europäischen und jüdischen Fußballs. Der SC Hakoah schrieb in der Zwischenkriegszeit eine Erfolgsgeschichte als zionistisch geprägter Verein. Doch auch andere Wiener und europäische Mannschaften haben eine „jüdische Geschichte“ – mit jüdischen Funktionären, Trainern und Spielern, die ihre Erfolge prägten. Anhand der Geschichte ausgewählter Fußballklubs fragt die Ausstellung, was diese Klubs „jüdisch“ macht und diskutiert ihre jüdische Identität.
Die Ausstellung betrachtet nicht nur die Geschichte der Klubs, sondern legt einen Fokus auf die Fankultur im Fußballstadion als Ort der Identitätsbildung. Die großteils nichtjüdischen Fangruppen „Superjoden“ (Ajax) und „Yid Army" (Tottenham) eignen sich eine jüdische Identität an, um antisemitischen Attacken gegnerischer Fans zu begegnen, „Partisan*Rothschild“ (Vienna) greift selbstbewusst den jüdischen Gründungsmythos des Vereins auf, die „Schickeria“ Bayern Münchens machte das Gedenken an Kurt Landauer groß, während die jüdische Fangruppierung der Wiener Austria ihre jüdische Identität feiert. Wie es um das Bewusstsein für die jüdische Geschichte in den Vereinen steht, wird ebenso thematisiert wie die Fortschreibung antisemitischer Vorurteile bis in die Gegenwart.
Der First Vienna Football-Club 1894 ist als ältester Fußballverein Österreichs mit seinen Klubfarben Blau-Gelb mit dem Haus Rothschild verbunden. Bereits die Gründung des Klubs auf der Hohen Warte wurde finanziell von Nathaniel Mayer Freiherr von Rothschild unterstützt. Er und viele jüdische Funktionäre prägten die Geschichte des Vereins, der sich in der Zwischenkriegszeit zu einem Spitzenklub entwickelte und auch auf europäischer Ebene Erfolge feierte.
In den vergangenen Jahren begannen Verein und Fans, sich mit den Biografien jüdischer Mitglieder der Vienna auseinandersetzen. Das Fankollektiv „Partisan*Rothschild“ beruft sich in seiner Namensgebung und Symbolik auf das jüdische Erbe des Klubs.
Gegründet 1911 als Wiener Amateur-Sportverein und 1926 umbenannt in FK Austria Wien, zählt der Klub zu den ältesten und erfolgreichsten Fußballvereinen in Österreich. Schnell etablierte sich die Austria zum Fußballklub des assimilierten jüdischen Bürgertums, der jüdische Funktionäre und Spieler anzog. Bereits aus dieser Zeit stammt die Bezeichnung „Judenklub“, die bis heute in negativem Sinn verwendet wird. Der aus dem Exil zurückgekehrte Präsident Emanuel Schwarz sowie der Klubsekretär und Auschwitz-Überlebende Norbert Lopper waren maßgeblich für die Modernisierung des Vereins verantwortlich.
Bis heute gehören einerseits dem Klub viele jüdische Fans an, andererseits geraten Vereinsverantwortliche wegen der Duldung rechtsextremer Gruppen wie „Unsterblich“ auf den eigenen Rängen immer wieder in die Kritik.
1900 in einem Schwabinger Café gegründet, entwickelte sich der FC Bayern München schnell von einem kleinen bayerischen Klub zu einem professionell organisierten Verein. Bereits 1932 errang er seinen ersten von heute insgesamt 33 Deutschen Meistertiteln. Getragen war der Verein auch durch das Engagement Münchner Jüdinnen und Juden – vor 1933 waren etwa zehn Prozent seiner Mitglieder jüdisch.
Vereinspräsident Kurt Landauer, der 1933 sein Amt niederlegen musste und es in der Nachkriegszeit wieder aufnahm, ist Dreh- und Angelpunkt der jüdischen Identität des deutschen Rekordmeisters, der auch in Israel eine große Fan-Basis hat. In München ist es die Ultra-Gruppe „Schickeria München“, die das Gedenken an Landauer in die Öffentlichkeit trägt.
Es gibt keinen nationalen oder internationalen Titel, den der 1900 gegründete niederländische Spitzenklub Ajax Amsterdam noch nicht gewonnen hat. Dass Ajax von vielen Menschen als „jüdischer Klub“ wahrgenommen wird, ist ebenfalls Teil seiner Geschichte. Das erste Stadion im Osten der Stadt in einem Viertel, das vor dem Zweiten Weltkrieg einen hohen jüdischen Bevölkerungsanteil aufwies, aber auch einige jüdische Spieler und Funktionäre prägten die Vereinsgeschichte.
Das jüdische Image des Klubs wird vor allem durch die 1976 gegründete Hooligan-Gruppe „F-Side“ geprägt, deren Mitglieder sich selbst „Superjoden“ (Superjuden) nennen. Viel mehr als eine Bezugnahme auf die jüdische Geschichte des Klubs ist dies eine Antwort auf antisemitische Schlachtrufe gegnerischer Fans.
Tottenham Hotspur spielt in der höchsten englischen Fußball-Liga. Bereits um 1900 hatte sich im Londoner East End, unweit der Heimstätte der „Spurs“, eine jüdische Gemeinde osteuropäischer Geflüchteter etabliert. Infolgedessen zog der Klub auch eine wachsende Zahl jüdischer Fans an. Als es in der NS-Zeit auch in London zu einem Anstieg judenfeindlicher Stimmung kam, bürgerte sich der jiddische Begriff „Yid“ als abwertende Bezeichnung für Jüdinnen und Juden und in weiterer Folge für die Tottenham-Fans ein.
In den 1970er-Jahren wurden Fans und Spieler von Tottenham Hotspur von gegnerischen Fans als „Yids“ oder „Yiddos“ diffamiert. Als Reaktion eigneten sich die Fans die Begriffe als Selbstbezeichnung an und nannten sich selbstbewusst „Yids“ oder auch „Yid Army“.
ist von 12. Juli 2023 bis 14. Jänner 2024 im Jüdisches Museum Wien Dorotheergasse, einem Museum der Wien Holding, zu sehen. Zu der von Agnes Meisinger und Barbara Staudinger kuratierten und vom Studio Nardin gestalteten Ausstellung erscheint ein zweisprachiger Katalog zum Preis von 23,90 € im Eigenverlag mit interessanten Beiträgen und neuen Einblicken von Michael Brenner, Alexander Juraske, Matthias Marschik und Pavel Brunssen. Das Jüdische Museum Wien, Dorotheergasse 11, 1010 Wien, ist von Sonntag bis Freitag 10 bis 18 Uhr geöffnet. Der zweite Standort, Museum Judenplatz, Judenplatz 8, 1010 Wien, ist von Sonntag bis Donnerstag von 10 bis 18 Uhr, freitags 10 bis 14 Uhr (Winterzeit) bzw. 17 Uhr (Sommerzeit) geöffnet.
Weitere Informationen unter www.jmw.at oder info@jmw.at.
Quelle: Stadt Wien