vonRedaktion Salzburg
NOVEMBER 30, 2022
Die Namen der Tiroler Bildhauer, die Weihnachtskrippen geschaffen haben, sind bekannt. Es gibt jedoch auch Frauen in Tirol, die sich mit plastischen Gestaltungen der Geschehnisse der Heiligen Nacht beschäftigen.
Das Männermonopol? Bei Betrachtungen in der Krippenabteilung im Tiroler Volkskunstmuseum erkennt man schnell, dass es Männer waren, die das weihnachtliche Geschehen in Miniatur gestalteten. In der Abteilung gibt es derzeit nur ein einziges Werk, das von einer Frau geschaffen wurde: Es handelt sich dabei um ein äußerst reizvolles Transparentbild, das 1826 von Julie Primisser kreiert wurde. Mit Öl auf Pergament gemalt, zeigt es zwar die „Anbetung des Göttlichen Kindes durch die Hirten“, kann aber nicht als Krippe bezeichnet werden: denn mit diesem Begriff wird Dreidimensionales verbunden.
Das Weibliche. In den Depots des Volkskunstmuseums hingegen lassen sich durchaus von Frauen geschaffene Weihnachtskrippen finden: Vor allem seit der zweiten Hälfe des 20. Jahrhunderts beschäftigten sich verstärkt auch Tiroler Bildhauerinnen mit Gestaltungen der Geburt Christi.
Das Wesentliche. So schnitzte aus Zirbenholz 1974 Ilse Giacomuzzi die Figuren einer Weihnachtskrippe. Diese zeichnen sich durch eine zarte, fast pastellige Farbigkeit aus und lassen eine abstrahierende, teilweise kantige Formensprache erkennen. Die Bildhauerin baute die Protagonisten aus verschiedenförmigen Kuben – und erinnert damit an Werke des bedeutenden österreichischen Bildhauers Fritz Wotruba. Die Gesichter bleiben „anonym“, d. h. sie zeigen keine Physiognomien. Diese müssen daher gedanklich ergänzt werden. Dadurch erreicht Giacomuzzi eine Aktualisierung des weihnachtlichen Geschehens im Augenblick der Betrachtung. Statt Faltenschwünge fällt expressiv Gezacktes beim Mantel des hl. Josef ins Auge. Die Stimmung kann als nüchtern beschrieben werden: „liebliche“ Details fehlen vollkommen.
Das Kapriziöse. 20 Jahre früher, 1953, formte die damals 40-jährige Josephine (Fini) Platzer aus Ton delikate Krippenfiguren. Ihr weibliches Krippenvolk ist stark dem traditionellen Frauenbild der 1950er-Jahre verhaftet. Wie österreichische Filmproduktionen jener Jahre
(„Sissi“) verleiten Platzers Gestaltungen wenige Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu historischen Unklarheiten auch in Tirol. Nach Auschwitz einfach wieder einen blondlockigen Knaben auf einer blütenweißen Windel in den Schoß Mariens zu legen, erschien zumindest manchen Zeitgenossen Josephine Platzers als „barbarisch“. Sie jedoch modellierte Figuren, die an das Rokoko erinnern und damit eine Flucht in die vermeintliche Idylle (der Zeit Maria Theresias?) ermöglichten.
Das Kompakte. Auch Maria Delago war vom Werkstoff Ton fasziniert. Ihr Krippenvolk unterscheidet sich jedoch formal und vom Ausdruck von den Schöpfungen Fini Platzers. 1950 fügte Delago die Akteure der Weihnacht kompakt in eine Nischenkachel ein, in der sie auch den Stall andeutete. Die Figuren selbst präsentiert sie in einer kräftigeren, beruhigten Formensprache und mit reduzierter Farbigkeit. Und erreicht damit eine emotionale Konzentriertheit. Das Licht, das vom Göttlichen Kind ausgeht, zeigt sie gekonnt durch die Haltung des Hirten, der seine Hand als Blendschutz an die Stirn legt.
Das Gemeinschaftliche. Nach dem Schrecken des Zweiten Weltkrieges konnte die Frage, wie Göttliches künstlerisch ausgedrückt werden kann, immer schwerer beantwortet werden. Kunst konnte und wollte keine Trösterin mehr sein. Die Möglichkeiten sakraler Kunst – zu der die Weihnachtskrippe gehört – wurde diskutiert, wenn nicht gar in Frage gestellt. „Vielleicht kann heute Christus nur abstrakt angedeutet werden“ wurde auch in kirchlichen Kreisen 1958 überlegt. Mathilde Thurnbichler-Speckbacher kommt mit ihrer 1973 geschaffenen „Anbetung der Heiligen Könige“ diesen Überlegungen ziemlich nahe: Aus einem Block geschnitten, zeigt sie die Akteure als Relief, aus stereometrischen Formen gebaut. Die Heilige Familie, die Heiligen Drei Könige und der den Weg weisende Stern sind untrennbar miteinander verbunden. Auch optisch sind die einzelnen Protagonisten zunächst schwer herauslösbar und drücken so innige Gemeinschaft aus, die durch die Dreieckskomposition und den Verzicht auf Farbe zusätzlich betont wird.
Das Zukünftige. Wie diese kurzen Bemerkungen zeigen, wäre eine Ausstellung, die von Tiroler Künstlerinnen geschaffene Weihnachtskrippen präsentiert, ein sehr wichtiges, zeitgemäßes Projekt. Damit könnte aufgezeigt werden, dass das plastische Gestalten der Heiligen Nacht nach 1945 keine Männerdomäne mehr war (ist)!
Tipp: Im Rahmen einer Krippenausstellung am Innsbrucker Hauptbahnhof (30.11.2022 bis 02.02.2023) können dort je eine Arbeit von Susanne Kortan-Gimbel und Josephine Platzer betrachtet werden.
von Dr. Helmuth Oehler
Der Verfasser bedankt sich ganz herzlich beim derzeitigen Leiter des Tiroler Volkskunstmuseums, MMag. Dr. Michael Span, für Gespräche und Zurverfügungstellung von Informationen zum vorliegenden Artikel.
Quelle: Stadt Innsbruck