vonRedaktion Salzburg
OKTOBER 12, 2023
Bericht der Kommission beschlossen; Gemeinderat Reindl zum Berichterstatter gewählt
Heute am Mittwoch, dem 11. Oktober 2023, hat im Wiener Rathaus die Untersuchungskommission (UK) des Wiener Gemeinderats zur Wien Energie ihre 15. und abschließende Sitzung abgehalten. Dabei wurde der Bericht der Untersuchungskommission präsentiert und mit den Stimmen der Mehrheit von SPÖ und NEOS angenommen und beschlossen. Der Wiener Gemeinderat wird diesen Bericht in seiner Sitzung am Mittwoch, dem 18. Oktober, behandeln. Ebenfalls mit den Stimmen der roten und pinken Fraktionen in der Untersuchungskommission wurde SPÖ-Gemeinderat Thomas Reindl zum Berichterstatter für diesen Tagespunkt in der Gemeinderatssitzung gewählt.
In seinem Resümee kritisierte ÖVP-Fraktionschef Markus Wölbitsch, dass der Untersuchungskommission das Instrument der verpflichtenden Aktenlieferung fehle, „was sich während dieser Kommission leider in mehreren Fällen negativ gezeigt hat“. Dennoch seien einige Fakten durch die Arbeit der UK an das Tageslicht gekommen, etwa, dass Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) entgegen seiner Aussage bereits vor dem 15. Juli 2022 über die finanziellen Schwierigkeiten der Wien Energie Informationen erhalten hatte. Das Beteiligungsmanagement der Stadt Wien sowie der Aufsichtsrat der Wiener Stadtwerke übten „zu wenig Kontrolle“ bei der Wien Energie aus, bemängelte Wölbitsch weiter. Auch das Risikomanagement und die Trading-Strategie der Wien Energie seien nach Ansicht Wölbitschs unzureichend; hier regte er eine Änderung an. Als Konsequenzen werden von der ÖVP unter anderem die Anpassung der UK-Verfahrensregeln an diejenigen des Bundes, die Präzisierung der Notkompetenz des Bürgermeisters und die Professionalisierung des Beteiligungsmanagements der Stadt Wien gefordert.
FPÖ-Fraktionsführer Maximilian Krauss kritisierte, dass in den UK-Sitzungen „zu keinem Zeitpunkt konkrete Dokumente zum Untersuchungsgegenstand geliefert wurden, was die Arbeit der Kommission erheblich erschwert hat“. Mit „etwas gutem politischen Willen“ hätte hier anders verfahren können, doch die SPÖ habe den Untersuchungsgegenstand sehr eng gefasst. Dadurch sei eine umfangreiche Lieferung von Unterlagen verhindert worden, so Krauss. „Auch die Doppelrolle mancher Zeugen – etwa die des Magistratsdirektors – war für die Wahrheitsfindung sehr hinderlich“, konstatierte der FPÖ-Mandatar. Auch Krauss vermutete, dass Bürgermeister Ludwig bereits vor dem 15. Juli 2022 über die finanziellen Schwierigkeiten der Wien Energie informiert war. Außerdem richtete er in Richtung der „Transparenzpartei“ NEOS die Aufforderung, mit einer Reform der UK verpflichtende und vollständige Aktenlieferungen zu ermöglichen und den Untersuchungsgegenstand auf ausgegliederte Unternehmen der Stadt auszuweiten. Abschließend kündigte Krauss die Präsentation des FPÖ-Abschlussberichts für kommenden Woche an.
SPÖ-Fraktionschef Thomas Reindl präsentierte den rund 250 starken Bericht. „Die Marktverwerfungen auf dem Energiesektor haben bereits im Jahr 2021 begonnen, was auch im Jahresabschlussbericht der Wien Energie seinen Niederschlag findet“, sagte Reindl über die Darstellungen im Bericht. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine seien die Preisentwicklungen auf den Energiemärkten von Wien Energie „sehr gut“ abgefedert worden; eine größere Preisdynamik habe sich nach der Abschaltung der Gaspipeline Nord Stream 1 ergeben. Der Black Friday an der Energiebörse in Leipzig Ende August 2022 habe den gesamten europäischen Energiemarkt in Aufruhr gebracht. „In dieser bisher einzigartigen Situation wurde von den Eigentümern Stadt Wien und Wiener Stadtwerke richtig im Rahmen der Gesetze gehandelt, um die Versorgungssicherheit für zwei Millionen Kundinnen und Kunden zu garantieren“, so Reindl. Die Unterstützung des Bundes sei richtig und gut gewesen, aber nie genutzt worden. Im April 2023 habe die Stadt ihren eigenen Schutzschirm aufgespannt. „Die gesetzlichen Rahmenbedingungen und die internen Vorschriften des Magistrats wurden eingehalten, die bearbeitenden Stellen haben verantwortungsvoll und richtig gehandelt“, so Reindl. Die UK habe gezeigt, dass Wien Energie nie spekuliert habe; auch seien alle Anzeigen bei der Justiz zurückgelegt worden. In der Untersuchungskommission werde der eigene Wirkungsbereich untersucht, was auch den Regeln im Bund entspreche, sagte Reindl. Die UK-Rahmenbedingungen hätten sich bewährt, da nicht mehr die Mehrheit Entscheidungen fällt, sondern die Einsetzungsminderheit entscheidet. Zwei Verbesserungsvorschläge: Das Fragerecht der Vorsitzführung solle in die Geschäftsordnung übernommen werden; und die vorzeitige Auflösung durch Minderheit sei derzeit nicht vorgesehen. Es gebe weiteren Verbesserungsbedarf, etwa beim Interpellationsrecht, bei der Schnittstelle des Beteiligungsmanagements der Stadt mit den Holding-Töchtern oder der Krisenkommunikation der Wien Energie. „Die UK ist kein Gericht, das ein Urteil spricht, sondern das korrekte Handeln der Verwaltung und der Politik untersuchen soll. Aber es gibt die Rechnungshöfe, die können sich diese Vorgänge anschauen“, schloss Reindl.
Grün-Fraktionschef David Ellensohn empfand es als „zermürbend“, dass Akten nicht geliefert wurden. Die grüne These zu Beginn der UK sei gewesen, „dass Bürgermeister Ludwig fast jeden Fehler, den man machen kann, in dieser Krise begangen hat“. In allerletzter Minute sei der Bund um Hilfe angerufen worden, sonst wäre die Versorgungssicherheit durch die Wien Energie gefährdet gewesen, meinte Ellensohn. Eine für ihn überraschende Erkenntnis aus der UK sei es, dass zwischen Bürgermeister und Vizebürgermeister 44 Tage lang keinerlei Informationen ausgetauscht worden seien – „für diese Erkenntnis danke ich dem Zeugen Wiederkehr, der das hier vor der UK ausgesagt hat“. Die Mehrheit der Aktenanforderungen seien nicht befolgt worden, das sei im Gegensatz zu früheren Kommission eine andere „Qualität“. Wien Energie habe ihre Handelsstrategie bis heute im Gegensatz zu anderen Landesanbietern nicht geändert, obwohl sie als Einzige in Schräglage gekommen seien, bemängelte Ellensohn. Seine Änderungsvorschläge: Ausweitung der Prüfkompetenz, Durchsetzung der verpflichtenden Vorlage von Unterlagen, konkrete Regelung der Notkompetenz und bessere Sicherstellung der Wahrnehmung der Eigentümerrechte. „Diese Untersuchungskommission ist leider schlechter verlaufen als die beiden letzten. Die Regeln für die Kommission müssen dringend geändert werden, wenn es überhaupt ein Interesse an Kontrolle und Transparenz in dieser Stadt gibt“, schloss Ellensohn.
NEOS-Fraktionsführer Stefan Gara zeigte sich froh über die Einsetzung der Untersuchungskommission, sowie die Prüfungen von Stadtrechnungshof und Bundesrechnungshof, um damit ein umfassendes Bild über den Liquiditätsengpass der Wien Energie zu erhalten. Die Erkenntnisse dieser UK seien in ein Sechs-Punkte-Programm der beiden Regierungsparteien geflossen, die Transparenz und Kontrolle weiter verbessern sollen – „auch wenn es keine Anhaltspunkte für ein Fehlverhalten bei der Ausübung der Eigentümerrechte der Stadt gegeben hat“, konstatierte Gara. Fast alle Zeuginnen und Zeugen, die vor der UK befragt wurden, seien „umfassend auskunftsfreudig“ gewesen und hätten sich der Aussage nie entschlagen. Die Krise im Sommer 2022 sei bis zu diesem Zeitpunkt „undenkbar“ gewesen, was die Expert*innen eindrücklich geschildert hätten. Auch wenn es kein Fehlverhalten der Stadt Wien gebe – „der Rettungsschirm war wichtig und richtig und alternativlos“ –, seien weitere Systemverbesserungen und Transparenzmaßnahmen notwendig, so Gara. Das präsentierte Reformpaket werde die Spielregeln im Bereich der stadteigenen Beteiligungen weiter verbessern. Darüber hinaus seien eine Präzisierung der Beteiligungsverwaltung der Stadt sowie des Begriffs Notkompetenz notwendig.
Die Mitglieder der Fraktionen lobten zum Abschluss der Untersuchungskommission die gute Vorsitzführung. Die drei Kommissionsvorsitzenden bedankten sich in ihren Schlussworten für die Zusammenarbeit und den fairen Ablauf der Kommission. Als „wichtig“ wurde das demokratisch legitimierte Zustandekommen der Kommission zu diesem Untersuchungsgegenstand bezeichnet, dennoch gebe es in einigen Punkte wie etwa der Unterlagenvorlage oder der Festlegung des gesamten Ablaufs der Kommission bereits in den ersten beiden Sitzungen Reformbedarf, so die Kommissionsvorsitzenden. Betont wurde der sachliche und höfliche Ablauf der Sitzungen.
Quelle: Stadt Wien