vonRedaktion Salzburg
NOVEMBER 28, 2023
Dass Frauen mehr als die singende Zierkirsche der Popkultur sind, ist heutzutage klar. Das war aber nicht immer so. Ein Rückblick auf drei Generationen All-Girl-Bands, von den 1960er-Jahren bis fast in die Gegenwart.
(von Albrecht Dornauer) In den 1960er-Jahren war das Rollenbild klar. Männer machen die Musik, Girls himmeln die Boys an und sehen dabei gut aus. Brav und sittsam sollte die Jugend ja generell sein. Musikerinnen auf großer Bühne vor großem Publikum gab es in der Volksmusik schon lange zuvor, als Jodlerinnen solo, im Duett oder im Familienverband. Im Pop dauerte es in unseren Breiten aber um einiges länger, bis sich junge Frauen emanzipierten und genauso hart auf die Drum-Kits trommelten und in die Saiten griffen wie ihre gleichaltrigen männlichen Zeitgenossen.
The Girls
Die erste reine Damenkapelle des Landes formte sich 1967 in Innsbruck rund um die „Kapellmeisterin“ Beatrix Mölg und ihre Cousine Karin. Als die beiden Schwestern Rosmarie und Inge Husnelder davon Wind bekamen, war die Gründung der Band The Girls besiegelt. Sie probten täglich in verschiedenen Kellern der Stadt und spielten vor allem Coverversionen bekannter Stars wie der Beatles, der Shadows, von Manfred Mann oder den Surf-Klassiker
Wipeout von den Surfaris. Die Girls mit den Bühnen-Künstlerinnennamen Trixi, Lissi, Kitty und Putzi gingen ihre Karriere durchaus professionell an. Modisch moderne Outfits nähten sie sich selbst, Pressefotos und Autogrammkarten wurden angefertigt, für fast jedes Konzert eine Annonce im Anzeigenteil der Tiroler Tageszeitung geschalten. Der erste Auftritt erfolgte vor Freunden und Familie und einem entfesselten Publikum am Minigolfplatz Hall. Engagements in verschiedenen Tiroler Orten wie Mayrhofen oder Wörgl folgten, gleich wie Auftritte als Mitternachtseinlage bei Schulbällen, als Teil einer großen Show im Eisstadion. Höhepunkt war ein Live-Auftritt bei Rosemarie Isopps österreichweit ausgestrahlter Radiosendung Autofahrer unterwegs. Leider zerstritt sich die Band 1968. Da es nie zu Aufnahmen kam, gibt es bis auf bunte Erinnerungen und ein paar Fotos keine Aufzeichnungen der ersten All-Girl-Band Westösterreichs.
Revolution Girl-Style Now!
Rund zwanzig Jahre, also knapp eine Generation später, formierte sich Anfang der 1990er-Jahre im Sog der aus den USA kommenden Riot-Grrrl-DIY-Punk-Bewegung die zweite All-Girl-Formation Innsbrucks. Aus dem Innsbrucker autonomen Zentrum „Am Haven“ kommend, traten die knurrenden Miezekatzen Karin Berner, Biggi Steurer,
Geli Handle und Christel Plank ohne musikalische Ausbildung erst erfolglos als Artfurs, Hasenband und Queens of Noise
auf, bis schließlich rotzig die Atomcats mit „Wir haben alle Qualitäten: Wir sind fesch und unausstehlich“ aus der Taufe gehoben wurden. Im Jänner 1994 veröffentlichten sie ihr erstes Demo-Tape, das ihnen zu einigen Auftritten in Linz und Wien verhalf. Die nuklearen Katzen waren trotz klar feministischem Ansatz keine programmatische All-Girl-Kapelle und so kam es, dass nach ein paar Jahren Pete Hofer als „Henry The Dog“ die Drumsticks von Christel Plank übernahm. Es folgten regelmäßige Auftritte und auch die Einladung, im Jahr 1998 in Folke „Ledernacken“ Jensens Hamburger Studio aufzunehmen. Leider erschienen diese zuerst für ein internationales Label samt Release-Tour geplanten Aufnahmen erst Jahre später, da Leadsängerin Geli durch Schwangerschaft nicht in der Lage war, auf größere Reisen durch Europa zu gehen. Der internationale Durchbruch blieb aus, mit sympathischem Pop-Punk-Rock'n'Roll aus einer gesunden Mischung von Coverversionen und eigenen Liedern erspielte sich die Band über die Jahre ein treues Stammpublikum. 2016 feierten sie ihr 25-jähriges Bandjubiläum. Auftritte gab es seither keine mehr, aufgelöst hat sich die Band aber auch nicht.
Punk-Grrrls aus Telfs
Im Jahr 2005 trat die nächste Generation junger Power-Pop-Punk-Grrrls auf den Plan, um ihre Spuren in der lokalen Musikgeschichte zu hinterlassen. The Shirly
MacLaines nannte sich die Combo rund um Bandleaderin Toni Maroni mit Julia Doolia, Letsgolisa, Shirley Kate und Anna MacLaine. Vom „Ramones-Virus“ infiziert, gab es für sie kein Zurück mehr. Das Kinderzimmer in Telfs diente folglich als Proberaum und obwohl die Mädels erst kurz zusammenspielten, erschien bereits 2006 ihre Debütsingle bei dem US-amerikanischen Label Heads Up Records. Durch das in der Innsbrucker p.m.k. aktive Veranstaltungskollektiv Choke Media Empire standen regelmäßige Auftritte an der Tagesordnung, auch außerhalb der Landesgrenzen in Wien oder Berlin. Im Jahr 2012 veröffentlichte das Choke Media eigene Label Bachelor Records noch eine EP mit fünf Nummern. Bald darauf folgte leider nicht internationaler Erfolg, sondern mit 2013 das Ende der Shirleys. Dieses aber immerhin mit dem Karrierehighlight des Quintetts: Im Weekender Club eröffneten sie einen legendären Abend vor Marky Ramone von den großen Ramones, der Band, die die ganze Geschichte startete.
Quelle: Stadt Innsbruck