vonRedaktion International
APRIL 02, 2021
Der Aufstieg der neuen Medien hat die Nachrichtenlandschaft in Österreich womöglich so verändert, wie kein anderes Phänomen der letzten Jahrhunderte. Jedoch hat sich nicht nur auf der redaktionellen Seite durch den Einsatz neuer Technologien viel getan – auch bei den Lesern und ihrem Verhalten hat sich einiges geändert.
So konsumieren wir durch unsere Laptops, Handys und Tablets praktisch ununterbrochen Nachrichten. Medienhäuser welche sich an dieses neue Leseverhalten adaptieren konnte, wurden in den letzten Jahren sehr erfolgreich und konnten nachhaltig wirtschaften. So haben zum Beispiel einige der großen Unternehmen wie Bertelsmann und Axel Springer extrem lukrative Wege gefunden, um ihre Reichweite zu monetarisieren.
Jedoch hat dieser Umschwung nicht nur Gewinner hinterlassen. So gerät eine der traditionsreichsten Zeitungen Österreichs, die Wiener Zeitung, in finanzielle Schwierigkeiten. Das Blatt ist die älteste aktive Zeitung der Welt, besteht bereits seit 1701 in Wien und beschreibt seit jeher die großen Geschehnisse der Welt. Bereits seit der Kaiserzeit wird das Blatt also veröffentlicht und von Millionen von Österreichern gelesen.
Jedoch scheint es nun so, dass es die Wiener Zeitung eventuell in Zukunft nicht mehr geben wird. Der Grund dafür ist die Abschaffung der Pflichtinserate. Diese haben bis vor kurzem noch gesetzlich vorgeschrieben, dass bei Immobilienanzeigen – aber auch anderen unternehmensbezogenen Vorkommnissen – Inserate in verschiedenen Zeitungen veröffentlicht werden müssen.
Bis dato waren diese Pflichtinserate eine der Haupteinnahmequellen der ehrwürdigen Zeitung und brachten der Wiener Zeitung jährlich bis zu 18 Millionen Euro ein. Die Grundlage für dieses Gesetz wurde 2019 mit einer EU-Richtlinie in die Wege geleitet, die es Unternehmen künftig erlauben soll, Inserate auch einfach digital zu veröffentlichen.
Die Chancen auf ein Überleben der Wiener Zeitung schrumpfen dadurch enorm. Der Versuch die Zukunft der Zeitschrift vorherzusagen gleicht förmlich an einen Besuch in einer Online-Spielothek, in welcher der Ausgang eines Spieles auch praktisch nicht vorherzusagen ist. Die Zukunft der Zeitung bleibt weiterhin ungewiss.
Die Entscheidung der österreichischen Regierung kommt etwas überraschend, vor allem wenn man die Besitzverhältnisse der Zeitung genauer betrachtet. Die Wiener Zeitung ist nämlich im Komplettbesitz des Österreichischen Staates. Medienbesitzer kritisieren die Eigentümer der Zeitung, die keine umfangreiche Renovierung des Blattes vorgenommen haben. So konnte die Marke bisher nicht in ein lukratives Unternehmen verwandelt werden.
Kürzlich haben sich einige prominente Stammleser des Blattes wie Helga Rabl-Stadler, die Präsidentin der Salzburger Festspiele, zu Wort gemeldet und die Politiker in Wien aufgefordert, eine Lösung für den Fortbestand des Blattes zu finden. Wöchentlich wird die Wiener Zeitung von etwa 50.000 Österreichern gelesen und gehört somit zu den größten überregionalen Zeitschriften des Landes. Es bleibt zu hoffen, dass die jetzigen Besitzer einen kompetenten Eigentümer für das Blatt finden. In einem großen Medienhaus mit internationaler Reichweite würde sich die Zeitung gut einfügen und könnte vielen Österreicherinnen und Österreichern ein Stück journalistischer Geschichte bewahren.