Wien: Wiener Biodiversitätsstrategie - Renaturieren, biologische Vielfalt sichern, klimafit werden

vonRedaktion Salzburg
JULI 13, 2024

Foto: Tristan Unkelbach

Die Stadt Wien arbeitet an einer umfassenden Biodiversitätsstrategie, um im gesamten Stadtgebiet die Vielfalt der Arten, die genetische Vielfalt und die Vielfalt der Ökosysteme zu sichern oder wiederherzustellen. Ein Leitprojekt ist das Naturschutz-Areal Breitenlee.

Grundlage ist für alle bisher gesetzten Maßnahmen im Bereich Biodiversität ist die Wiener Wald- und Wiesen-Charta, die 2020 beschlossen wurde: Die Stadt Wien-Umweltschutz verbindet über die Wiener Wald- und Wiesencharta zahlreiche Akteur*innen aus unterschiedlichen Bereichen miteinander. Neben Aktionsplänen zu Wäldern und Gewässern liegt der Schwerpunkt insbesondere in der Förderung der Artenvielfalt. „Ziel ist es, die Biodiversität in Wien zu erhalten und wiederherzustellen“, so Wiens Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky. „Dafür wurden und werden zahlreiche Maßnahmen umgesetzt, die von der Anlage und Pflege von Lebensräumen über Amphibienschutz bis zur biodiversitätsfördernden Wald- und Wiesenpflege reichen.“

Um die zukünftigen europäischen Renaturierungsziele gut umsetzen zu können, entwickelt die Stadt vorausschauend ihre Biodiversitätsstrategie weiter. „Dabei legen wir als Stadt besonderen Wert auf die Bedeutung biologischer Vielfalt für den Klimaschutz“, so der Klimastadtrat. „Denn gesunde und artenreiche Ökosysteme binden und speichern Kohlenstoff, stabilisieren das Klima, mildern extreme Wetterereignisse und stärken die Stadt in ihrer Anpassungsfähigkeit an die Folgen des Klimawandels.“

Zusammenspiel von genetischer Vielfalt

Biodiversität basiert auf dem Zusammenspiel von genetischer Vielfalt, Artenvielfalt und Vielfalt der Ökosysteme. Sie ist Voraussetzung für Ernährungssicherheit, Gesundheit, eine lebenswerte Umwelt und ein wichtiger Schutzmechanismus gegen Naturkatastrophen und die Folgen der Klimakrise.

„Als Großstadt mit Verantwortung für das Wohlergehen ihrer Bewohner*innen schafft und bewahrt Wien deshalb naturnahe Lebensräume, schützt bedrohte Arten und berücksichtigt die Förderung biologischer Vielfalt in allen Bereichen. Dabei baut die Stadt auf einer über 120-jährigen Geschichte des Natur- und Umweltschutzes auf“, betont Michael Kienesberger, Leiter der Wiener Umweltschutzabteilung.

Der Wald- und Wiesengürtel, die Wienerwald-Deklaration, der Naturraum Donauinsel oder die Besonderheit als einzige Weltstadt mit einer eigenen nennenswerten Landwirtschaft sind nur einige Beispiele für Wiens ökologische Identität. Schon seit langem verfügt Wien über fünf nach der Vogelschutz- bzw. der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie ausgewiesene Natura 2000 Schutzgebiete: die Wiener Teile des Nationalparks Donau-Auen und des Bisambergs, das Landschaftsschutzgebiet Liesing, das Naturschutzgebiet Lainzer Tiergarten und den Orchideen-Kalk-Buchenwald Leopoldsberg.

Projekt Naturschutz-Areal Breitenlee

Vor kurzem wurden nun auch die Weichen für Wiederherstellung und Schutz von 90 Hektar ökologisch wertvoller Flächen auf dem Gelände des ehemaligen Verschiebebahnhofs Breitenlee in Wien- Donaustadt gestellt. Bürgermeister Michael Ludwig und ÖBB-Infrastruktur-Vorständin Silvia Angelo haben dazu einen Letter of Intent unterzeichnet und damit das Projekt „Naturschutz-Areal Breitenlee“ auf Schiene gebracht.

Das Gebiet ist Heimat wertvoller Biotope zwischen Bisamberg und Lobau und ein überregional wichtiger Naturkorridor für seltene Pflanzen- und Tierarten. In den schon jetzt streng geschützten Lebensräumen finden sich Besonderheiten wie Neuntöter, Wiedehopf, Spatzenzunge, Später Bitterling, Orchideen, mehr als 140 Wildbienenarten sowie pannonische Trocken- und Halbtrockenrasen. Die ÖBB benötigen in diesem Gebiet nur noch kleine Flächen für den Bahnbetrieb und ermöglichen zukünftig die nachhaltige Weiternutzung des Areals. Die Stadt wird das Areal zu einem Natura 2000 Gebiet entwickeln und dafür um Förderungen des Biodiversitätsfonds des Bundes und EU-Mittel ansuchen.

Anregungen aus Berlin

Wie ein solches Gebiet sanft erschlossen und renaturiert werden kann, hat sich Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky mit dem Expert*innen -Team der Umweltschutzabteilung in Berlin angesehen – konkret am „Natur Park Schöneberger Südgelände“: Am Areal des ehemaligen Rangierbahnhofs hat sich die Natur langsam ihren Platz zurückerobert und begeistert heute Berliner*innen für den Naturschutz. So führen hier leicht erhöhte Wege durch das Gelände, es gibt Aussichtsplattformen, Schautafeln, aber auch Kunst, die sich ins Gesamtbild einfügt. Ehemalige Bahngleise und sogar eine alte Lok wurden in das Naturareal integriert.

Vieles davon ist auch für Wien am Gelände des ehemaligen Verschiebebahnhofs Breitenlee vorstellbar. „Die Einbindung alter Infrastruktur, die sanfte Wegeführung, die das Gebiet schütz und gleichzeitig erschließt, aber auch die Umweltbildungsangebote sind hier sehr beeindruckend“, betont Jürgen Czernohorszky.

Rettungsanker biologische Vielfalt

Was sich im Austausch mit den Berliner Expert*innen auch gezeigt hat: Städte haben für die Bewältigung der Klimakrise und ihrer Folgen eine ganz besondere Rolle. „Der Schutz und die Förderung der Biodiversität als einer der wichtigsten Rettungsanker muss daher in alle strategischen Überlegungen einer Stadt einfließen“, so der Klimastadtrat. „Biodiversität gehört zu Berlin, genauso wie zu Wien.“

Wien orientiert sich an den Zielen der Vereinten Nationen, der EU und der Bundesregierung, hat zugleich aber den Anspruch, in manchen Bereichen – wie etwa bei den Renaturierungszielen der EU – vorauszugehen.

Die Biodiversitätsstrategie baut folgenden Schwerpunkte auf:

die Bewahrung und Wiederstellung natürlicher Lebensräume durch die Erhaltung und Erweiterung von Wäldern, Wiesen, Gewässern und Parks, die Vergrößerung von Schutzgebieten und die Renaturierung zuvor anderweitig genutzter Flächen, die Förderung der Artenvielfalt durch die Schaffung von blüten- und insektenreichen Wiesen und Saumbiotopen sowie die gezielte Errichtung und Pflege von Sonderstrukturen für heimische Pflanzen- und Tierarten (Tümpel, Altholz etc.), die Erhaltung der Lebensräume für Flora und Fauna durch die naturnahe Pflege von Wäldern, Wiesen und Grünflächen, die Integration von Grünflächen und naturnahen Elementen in die Planung von Bauprojekten und die Begrünung von Dächern und Fassaden, die extensive Bewirtschaftung von Wiesen und Weiden, da diese bis zu dreimal mehr CO2 als Wald speichern, die Einbindung der Wiener*innen in die Gestaltung und Pflege von Grünflächen durch Pflanzenverteilaktionen, die Initiative Naturnahe Grünoase und Informationskampagnen, die Förderung des Bewusstseins für die Bedeutung biologischer Vielfalt durch Informations- und Bildungsprojekte in Schulen und Kindergärten, das Verständnis von Zusammenarbeit und Vernetzung mit Naturschutzorganisationen, Wissenschaft und Zivilgesellschaft als wesentlicher Erfolgsfaktor aller Aktivitäten, die Anerkennung des Rechts auf eine gesunde, klimafitte Umwelt sowie des barrierefreien Zugangs für alle zu Natur- und Erholungsraum als Teil der städtischen sozialen Verantwortung.

Grundlage für alle bisher gesetzten Maßnahmen im Bereich Biodiversität ist die Wiener Wald- und Wiesen-Charta: https://shorturl.at/SRw9E

Quelle: Stadt Wien

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