Innsbruck: „Zeitpunkte“ als Gedenkzeichen für Opfer des NS-Regimes

vonRedaktion International
JUNI 29, 2022

Foto: B. Gutleben

Stadt Innsbruck setzt multimediales Konzept um

In der Zeit des Nationalsozialismus wurden in Innsbruck verschiedene gesellschaftliche Gruppen verfolgt, vertrieben und ermordet. Neben jüdischen MitbürgerInnen betraf dies u.a. Jenische, Homosexuelle, Angehörige der Zeugen Jehovas und Wehrdienstverweigerer. Die genaue Anzahl ist unbekannt. Bisher wurde einiger weniger mittels einer Straßenbenennung gedacht (z.B. Richard-Berger-Straße). Nun wird mit „Zeitpunkte“ ein Projekt umgesetzt, das ein Gedenkzeichen am letzten freiwillig gewählten Wohnort setzt.

„Es freut mich, dass die Initiative nicht nur im städtischen Kulturausschuss, sondern auch im Stadtsenat und im Gemeinderat einstimmig befürwortet wurde. Dies zeigt für mich, dass allen ein würdiges Gedenken an die Opfer dieser Zeit wichtig ist“, betont Innsbrucks Kulturstadträtin Mag.a Uschi Schwarzl.

Projekt und Umsetzung

Das Stadtarchiv/Stadtmuseum wurde beauftragt, gemeinsam mit der israelitischen Kultusgemeinde, dem Institut für Zeitgeschichte der Universität Innsbruck und den Innsbrucker Kommunalbetrieben (IKB) eine moderne Herangehensweise zu entwickeln. Als Ergebnis dieser Überlegungen wurde ein zweistufiger internationaler Wettbewerb initiiert. Dieser Prozess wurde von einer Sach- und einer Fachjury begleitet. Einstimmig ging das Konzept der Firma Proxi Design als Sieger hervor. Letzteres wurde in der Sitzung des Kulturausschusses am 4. Mai 2022 vorgestellt und vom Ausschuss zur Umsetzung empfohlen.

Vorgesehen ist, dass an den von der IKB betreuten Masten etwa sieben bis zehn Zentimeter im Durchmesser und etwa zwei bis drei Zentimeter dicke Messingscheiben auf Augenhöhe angebracht werden. In Siebdruck mit Pulverbeschichtung ist der Schriftzug „Für [Vorname] [Nachname]“ angebracht. Eine zweite Scheibe weiter unten wird mit einem QR-Code versehen, der auf eine Webseite verweist, auf der umfangreiche weitere Informationen (Biographie,Stadtplan, Mehrsprachigkeit etc.) abgerufen werden können.

Zu Projektstart werden von der Stadt Innsbruck in Zusammenarbeit mit dem Programm des Bildungsministeriums www.erinnern.at etwa zehn ‚Zeitpunkte‘ erarbeitet. Die Webseite, die Teil des Auftrages ist, wird in die neue Webseite der Stadt – welche noch heuer online gehen soll – implementiert.

Mittelfristig sieht das Konzept vor, dass weitere Erinnerungszeichen vor allem auf Antrag aus der Zivilgesellschaft errichtet werden. „Eine ExpertInnenkommission – die es noch zu definieren gilt - soll künftig halbjährlich gemeinsam mit dem Stadtarchiv/Stadtmuseum die Einreichung auf ihre inhaltliche Qualität bzw. historische Richtigkeit beurteilen und über die Anbringung eines ‚Zeitpunktes‘ entscheiden“, erklärt der Leiter des Stadtarchiv/Stadtmuseum, Dr. Lukas Morscher.

„Um die Verbindung des Einreichers bzw. der Einreicherin mit dem jeweiligen ‚Zeitpunkt‘ zu gewährleisten, ist dabei auch ein kleiner Unkostenbetrag vorgesehen. Die Montage und Wartung übernimmt die IKB kostenfrei“, ergänzt Kulturamtsleiterin Dr.in Isabelle Brandauer.

Finanziert wird das Projekt via Nachtragskredit in der Höhe von 52.000 Euro für das Jahr 2022 sowie 48.000 Euro für das Jahr 2023. KR

Stimmen aus dem Kulturausschuss

„Unser Innsbrucker Weg ist nicht mit Stolpersteinen gepflastert, aber die ‚Zeitpunkte‘ stellen Meilensteine im fortlaufenden und so wichtigen Prozess der städtischen Erinnerungskultur dar“, ist sich die Vorsitzende des Kulturausschusses, SPÖ Gemeinderätin Irene Heisz, sicher.

„Mit dem Projekt gewährleisten wir in Innsbruck ein Gedenken und Erinnern auf Augenhöhe, das zeitgemäß und multimedial ist“, meint der Klubobmann der ÖVP, Gemeinderat Christoph Appler.

„Die Zeitpunkte sind eine ästhetisch ansprechende, zeitgemäße und würdevolle Form des Gedenkens. Durch den Fokus auf die Namen der Opfer entsteht eine sehr persönliche Wirkung", ergänzt die stellvertretende Kulturausschussvorsitzende, Gemeinderätin Theresa Ringler von Für Innsbruck (FI).

„Diese Zeichen ermöglichen eine Reflexion und kritische Auseinandersetzung mit der Vergangenheit und prägen unser kollektives Gedächtnis als Stadt- und auch Wertegemeinschaft“, so die Klubobfrau der Grünen, Gemeinderätin Janine Bex, BSc.

„Mit den ‚Zeitpunkten‘ setzt Innsbruck ein einzigartiges, sehr angemessenes Zeichen der Erinnerung“, erläutert FPÖ-Gemeinderätin Astrid Denz.


Quelle: Stadt Innsbruck

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