Innsbruck: 16 Tage gegen Gewalt an Frauen
Foto: A. Steinacker
Flagge weht vom Innsbrucker Rathaus
Im Jahr 1999 wurde der 25. November von den Vereinten Nationen erstmals zum Internationalen Tag gegen Gewalt an Frauen erklärt, der seither weltweit als Gedenk- und Aktionstag begangen wird. Den Hintergrund bildet das traurige Schicksal der drei Schwestern Mirabal in der Dominikanischen Republik, die als Bürgerrechtskämpferinnen 1960 nach monatelanger Verfolgung und Folter brutal ermordet wurden.
Innsbruck zeigt Flagge
Um die Öffentlichkeit zu sensibilisieren, weht während der 16 Tage gegen Gewalt an Frauen und Mädchen wieder die „Frei leben ohne Gewalt“-Fahne vom Balkon des Innsbrucker Rathauses. Damit zeigt Innsbruck sichtbar Flagge gegen die Gewalt an Frauen und Mädchen.
„Gewalt gegen Frauen ist eine Verletzung ihrer Grundrechte, zu denen das Recht auf körperliche und seelische Unversehrtheit genauso zählt wie die Gleichstellung der Geschlechter. Gewaltschutz und Unterstützung, aus dem Teufelskreis von häuslicher Gewalt auszubrechen, gehören daher zu den wichtigsten frauenpolitischen Forderungen“, betonen Landesrätin Mag.a Eva Pawlata und die für das Frauenressort zuständige Vizebürgermeisterin Mag.a Elisabeth Mayr: „Die stark gestiegene Zahl an Frauenmorden bzw. Femiziden bezeichnet nur die Spitze des Eisbergs, denn Gewalt an Frauen und Mädchen vollzieht sich täglich, in allen Schichten und Formen, vieles beginnt mit verbalen Verletzungen, denen irgendwann sich steigernde Taten folgen. Es ist daher besonders wichtig, unsere Gesellschaft – Frauen wie Männer – dafür zu sensibilisieren, ihre Wahrnehmung zu schärfen und gemeinsam deutlich Signale gegen Gewalt an Frauen und Mädchen zu setzen.“
Veranstaltungen in Innsbruck
Unter dem Motto „!Vivas nos queremos! Wir wollen uns lebend!“ organisiert die Frauen*vernetzung Tirol wieder eine Vielzahl an Aktionen und Informationsveranstaltungen im Rahmen der 16 Tage gegen Gewalt an Frauen und Mädchen. Detaillierte Informationen zu allen Veranstaltungen unter www.frauenvernetzung.tirol
Auch die Stadtbibliothek Innsbruck (Amraser Straße 2) setzt einen Schwerpunkt in ihrem November-Programm. Weitere Infos unter www.ibkinfo.at/stadtbibliothek-november-2024
Aktuelle Zahlen
Im Jahr 2014 hat die Agentur der Europäischen Union für Grundrechte die bisher größte Studie zu Gendergewalt veröffentlicht, für die 42.000 Frauen in den 28 EU-Mitgliedsländern befragt wurden. Sie zeigt, dass Gewalt gegen Frauen und Mädchen ein massiver Missstand in unserer Gesellschaft ist:
- 33 Prozent der Frauen in der EU, das entspricht ca. 62 Millionen, sind seit ihrem 15. Lebensjahr zumindest einmal Opfer von körperlicher oder sexueller Gewalt geworden.
- 22 Prozent der Frauen haben körperliche und/oder sexuelle Gewalt in der Partnerschaft erlebt.
- Eine von 20 Frauen (5 Prozent) ist seit ihrem 15. Lebensjahr vergewaltigt worden.
- 43 Prozent der Frauen sind bzw. waren durch den/die aktuelle/n oder frühere/n Partner/Innen psychischer Gewalt ausgesetzt.
- 33 Prozent haben in der Kindheit körperliche oder sexuelle Gewalt erfahren müssen.
- 18 Prozent der Frauen haben Stalking erlebt.
- 11 Prozent der Frauen (20 Prozent) der jungen Frauen zwischen 18 und 29 Jahren waren Ziel von Online-Belästigungen.
- 55 Prozent der Frauen waren Opfer von sexuellen Belästigungen.
Oftmals gelangen Akte von Gewalt gegen Frauen aber nie an die Öffentlichkeit: So gaben 67 Prozent der Frauen, die Opfer von gravierenden Gewaltvorfällen innerhalb einer Partnerschaft waren, an, diese NICHT der Polizei oder einer anderen Organisation gemeldet zu haben.
Zahlen aus Österreich – eine traurige Bilanz
Seit Jahren muss Österreich eine hohe Anzahl an Frauenmorden verzeichnen. Österreich ist sogar das einzige EU-Land, wo mehr Frauen als Männer ermordet werden. Bis 14. November 2024 mussten bereits 26 Frauen, deren Leben mehrheitlich von ihnen nahestehenden Männern bzw. Partnern brutal beendet wurde, sowie 39 Mordversuche bzw. Fälle von schwerer Gewalt an Frauen verzeichnet werden.
Im Jahr 2023 wurden in Österreich rund 15.100 Betretungs- und Annäherungsverbote von der Polizei ausgesprochen. Damit erreichte ihre Zahl einen erneuten Höchststand im betrachteten Zeitraum, nachdem sie schon in den Vorjahren kontinuierlich gestiegen war. Das tatsächliche Ausmaß von Gewalt an Frauen ist aber nur schwerlich in Zahlen zu fassen. Offizielle Zahlen dokumentieren jeweils nur einen bestimmten Ausschnitt der Realität, sodass die wirkliche und häufig strukturell bedingte Dimension von Gewalt an Frauen oft nur durch Schätzungen zu erahnen ist. Es ist anzunehmen, dass sich die Dunkelziffer weiter massiv erhöht hat: Einerseits aufgrund von Kontakt- und Ausgangsbeschränkungen durch die Partner, die das Sichtbar-Werden erschweren oder verhindern, andererseits hat sich mit der gestiegenen Armutsgefährdung von Frauen auch ihre ökonomische Abhängigkeit weiter verschärft. Dadurch wird das Ausbrechen aus dem familiär gewalttätigen Umfeld für viele Frauen auch zu einer wirtschaftlichen Überlebensfrage.
Lange Zeit wurde das Thema der innerfamiliären Gewalt an Frauen vollständig tabuisiert. Viele der betroffenen Frauen fühlen sich immer noch hilflos. Unsicherheit und Angst vor weiteren Übergriffen, aber auch Scham hindern sie daran, ihre Rechte einzufordern und Hilfe zu suchen. Viele sprechen mit niemandem über die erlebte Gewalt.
In den letzten Jahren hat die #metoo-Debatte viele Frauen und Mädchen ermutigt, die unterschiedlichen Formen von Gewalt und insbesondere von sexualisierter Gewalt aufzuzeigen, sie zu benennen und andere Frauen darin zu bestärken, aus dem Schatten herauszutreten und der Gewalt mit Unterstützung entgegenzutreten. Auch durch die Verleihung des Friedens-Nobelpreises 2018 an Nadia Murad und Denis Mukwege, die für ihren Kampf gegen sexuelle Gewalt an Frauen geehrt wurden, erhielt das Thema nochmals öffentliche Rückenstärkung.
In Österreich ist die Anzahl an Frauenmorden im EU-Vergleich besonders hoch, allein in diesem Jahr sind bereits 26 Frauen in Österreich ermordet worden. Die ursprünglich in Argentinien entstandene feministische Bewegung „Ni Una Menos“ (deutsch: nicht eine weniger) ist eine der weltweit größten und bekanntesten Bewegungen, die aktionistisch gegen häusliche Gewalt sowie gegen strukturelle Formen der Unterdrückung kämpft und dabei besonders stark auf die Problematik des Femizids aufmerksam macht: Frauenmorde sind niemals als „Verbrechen aus Leidenschaft“ oder als „Beziehungsdramen“ zu qualifizieren und auf diese Weise zu rechtfertigen, sondern es handelt sich bei Frauenmorden um Tötungen von Frauen und Mädchen aufgrund ihres Geschlechts. Auch in Innsbruck gibt es mittlerweile zahlreiche AktivistInnen, die im Zeichen von „Ni una Menos“ öffentlich gegen Femizide auftreten und das Bewusstsein für die unterschiedlichen Formen von Gewalt und Unterdrückung von Frauen und Mädchen in unserer Gesellschaft schärfen.
Quelle: Stadt Innsbruck