Kärnten: 1920/2020 – „Selbstbestimmung als Utopie?“
LH Kaiser bei Symposium zu europäischen Volksabstimmungen an Alpen-Adria-Universität Klagenfurt
Klagenfurt (LPD). Eine Volksabstimmung hat nach dem Ersten Weltkrieg nicht nur in Kärnten stattgefunden. So wurde 1921 in der Stadt Ödenburg/Sopron und Umgebung für den Verbleib bei Ungarn votiert. Auch in mehreren Grenzgebieten des damaligen Deutschen Reiches – Schleswig, Oberschlesien, Ost- und Westpreußen – entschied die betroffene Bevölkerung über ihre staatliche Zugehörigkeit. Unter dem Titel „Selbstbestimmung als Utopie?“ hat sich ein Symposium an der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt gestern, Mittwoch, vergleichend mit diesen europäischen Volksabstimmungen befasst. Die Podiumsdiskussion am Abend wurde von Landeshauptmann Peter Kaiser eröffnet. Das Symposium lief auch im Rahmen des Jubiläumsjahres zur Volksabstimmung „CARINTHIja 2020 – Ein Land in Zeitreisen und Perspektiven“.
Kaiser sagte, dass Kärnten zum 100-Jahr-Jubiläum der Volksabstimmung seinen Blick zwar auch in die Geschichte richte, das Bemühen aber primär in Richtung Zukunft gehe. Am 10. Oktober werde man in Anwesenheit von Bundespräsident Alexander Van der Bellen und des slowenischen Staatspräsidenten Borut Pahor ein Fest der Gemeinsamkeit feiern. „Wir haben es in Kärnten überwunden, dass Sprache als Stigmata angesehen wird. Sprache ist etwas, das uns weiterbringt, das es zu fördern gilt“, so Kaiser. Er verhehlte aber nicht, dass noch immer nicht alles überwunden sei. Kärnten habe zu lange Versprechungen aus der Zeit der Volksabstimmung nur mangelhaft eingehalten. Der Landeshauptmann erwähnte die Schrecken der NS-Zeit und den Ortstafelkonflikt, der das Land gespaltet habe. „In Kärnten gab es eine Kluft, teils mit Ungerechtigkeiten hier und Überforderndem da, diese Brüche gingen oft sogar durch Familien“, so Kaiser weiter.
Im Zuge einer zunehmenden Europäisierung – Österreich und Slowenien waren unter dem gemeinsamen Dach der EU – seien dann gravierende Änderungen gelungen. Kaiser hob die Ortstafellösung unter Landeshauptmann Gerhard Dörfler hervor. Es sei eine Wende eingetreten und Kärnten habe in einem höheren Ausmaß Internationalität erfahren. Vom Landeshauptmann ebenfalls erwähnt wurde die explizite Erwähnung der slowenischen Volksgruppe in der Kärntner Landesverfassung: „Die Fürsorge des Landes gilt allen Landsleuten gleichermaßen.“ Kaiser zeigte sich überzeugt davon, dass in Kärnten niemand mehr die Volksgruppenfrage leichtfertig politisieren und missbrauchen könne. „Zum 110. Jubiläum der Volksabstimmung werden wir ein viel europäischeres Fest feiern, als wir es heuer unter Covid-19 können“, meinte er.
Das Symposium war Teil der Reihe „Utopia! Ist die Welt aus den Fugen? Beiträge zur Kunst der Aufklärung“, welche von der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt gemeinsam mit der Österreichischen Akademie der Wissenschaften veranstaltet wird. Begrüßt wurden die Teilnehmenden von Rektor Oliver Vitouch, unter ihnen war auch der Präsident der Handelskammer Bozen, Michl Ebner. Die Keynote vor der abendlichen Podiumsdiskussion hielt Jörn Leonhard von der Universität Freiburg im Breisgau zum Thema „Der überforderte Frieden: Selbstbestimmung zwischen Erwartung und Erfahrung nach 1918“. Am Podium diskutierten neben Leonhard noch Jana Osterkamp von der Universität München, Dieter Pohl von der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt, Oliver Jens Schmitt von der Universität Wien, Hellwig Valentin von der Universität Graz sowie Symposiums-Kurator Reinhard Stauber von der Alpen-Adria-Universität Klagenfurt.
Information: Teile der Veranstaltung wurden aufgezeichnet und hier veröffentlicht: www.aau.at/selbstbestimmung-als-utopie
Quelle: Land Kärnten