Wien: 25 Jahre Wien-Haus in Brüssel – Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft
Bei der virtuellen Geburtstagsfeier, die gestern, Donnerstag, vom Weingut Cobenzl des Forst- und Landwirtschaftsbetriebs der Stadt Wien live übertragen wurde, kamen zahlreiche KooperationspartnerInnen des Hauses aus 25 Jahren zu Wort.
Wegweiser durch den EU-Förderdschungel
Von Anfang an waren die Wirtschaftsagentur Wien und die Stadt eng im Wien-Haus verbunden, und das ist bis heute so geblieben. Die erste Leiterin des Büros des damaligen „Wiener Wirtschaftsförderungsfonds“, Monika Unterholzner, erinnert sich gerne an die Präsentation des ersten EU-Förderhandbuchs mit Wirtschaftsstadträtin Brigitte Ederer und EU-Kommissar Franz Fischler: „Das war das erste umfassende Sammelwerk zum Förderdickicht der EU“. Für ihre Nachfolgerin Susanne Strohm ist es nicht nur wichtig am Ball zu sein, wenn es um europäische Fördermöglichkeiten geht, sondern auch, spannende Projekte sowie Wiener Unternehmen in Brüssel vor den Vorhang zu holen. Wie etwa bei der Präsentation des „Content Vienna“ Awards mit kreativen virtuellen Lösungen, innovativen Apps und einer großen Cloud-Installation. Wiener ForscherInnen sind im Wien-Haus stets willkommen; wie Erich Grießler vom Institut für Höhere Studien bestätigt, der seit einer überraschenden Absage für ein EU-Projekttreffen den Weg in die Avenue de Tervueren fand und seither immer wieder kam: „Das Wien-Haus unterstützt Wiener ForscherInnen effektiv dabei, in Brüssel vor Ort in einem guten Rahmen sichtbar zu werden und unterstützt sie so in ihrer wissenschaftlichen Arbeit – ich habe vom Team immer die vollste und freundlichste Hilfe erhalten, die man sich nur wünschen kann, sogar als Sozialwissenschaftler“, wie er scherzhaft anmerkt.
Lernen, Vernetzen und Experimentieren
Wenn Wien eine europäische Metropole ist, wie Magistratsdirektor Erich Hechtner weiß, muss auch das Personal sich effizient auf der europäischen Ebene einbringen. „Daher ist mir wichtig, dass bereits junge KollegInnen, wie die Trainees, vor Ort sind, aber auch erfahrene KollegInnen diesen internationalen Wissensaustausch pflegen – sogar zum Teil gleich mehrere Wochen vor Ort verbringen. Dazu haben wir bewusst die Infrastruktur im Wien-Haus kontinuierlich ausgebaut.“ Die ersten von 109 PraktikantInnen, die es im Laufe der 25 Jahre nach Brüssel verschlug, waren Jasmin Opl und Andreas Eigenbauer. Beide erinnern sich gerne an die Arbeit in einem internationalen Umfeld, mit vielen Menschen, Sprachen und Kulturen und empfinden den Aufenthalt im Wien-Haus bis heute als Bereicherung. Auch der heutige Leiter der Abteilung für europäische Angelegenheiten, Martin Pospischill, war zunächst als Praktikant und später als stellvertretender Leiter in Brüssel: „unser zentrales Thema 2000 war die drohende Liberalisierung des öffentlichen Personennahverkehrs durch einen europäischen Gesetzesentwurf. In Abstimmung mit den Wiener Linien und gemeinsam mit vielen anderen Städten sowie mit Unterstützung des Europäischen Parlaments konnte dieser Plan abgewendet werden – seit damals ist klar, dass das Wien-Haus eine verlässliche Stelle für Informationsbeschaffung und damit ein unverzichtbarer Teil der Wiener Europapolitik ist.“ Während zu seiner Zeit eine Gruppe von ÖsterreicherInnen in Brüssel Taiji trainierte, macht das Team des Wien-Hauses heute zwei Mal pro Woche mittags eine Yoga-Pause mit den NachbarInnen der Landesvertretung von Rheinland-Pfalz. Das Einvernehmen ist so gut, dass sogar die hofseitigen Gärten seit einigen Jahren durch eine Tor miteinander verbunden sind.
Ein Thema, das im Wien-Haus immer präsent ist, ist die Gleichstellung von Frauen. Regelmäßig finden Vernetzungstreffen von Frauen, die in Brüssel leben und arbeiten statt. Das von Wien unter Frauenstadträtin Renate Brauner gegründete Netzwerk FemCities war bereits mehrfach zu Gast und als eines der wenigen der rund 300 Regionalbüros richtet das Verbindungsbüro alljährlich eine Veranstaltung zum Internationalen Frauentag aus. Marion Gebhart, Leiterin der Frauenabteilung der Stadt Wien, erklärt, warum es wichtig ist, in Brüssel präsent zu sein: „In Brüssel sind einfach alle – und das Wien-Haus bringt immer wieder die richtigen Leute zusammen, das ist eine Kunst. Wir unterstützen die Veranstaltungen zur Gleichberechtigung gerne, weil es wichtig ist, das Thema Gleichstellung in allen EU-Politikfeldern zu verankern“.
Begegnungen zwischen Brüssel und Wien
Wiener Kultur, vor allem im Rahmen von vielen Abenden mit prominenten DenkerInnen, KünstlerInnen aus Wien, nach Brüssel zu holen, hatte von Anfang an einen hohen Stellenwert, wie sich Eva Pretscher, langjährige Leiterin des Verbindungsbüros, erinnert: „Auftritte von Wolf Haas, Kathrin Röggla, Franzobel, Elisabeth Orth, Anton Zeilinger und vielen mehr, zeigten die Vielfalt Wiens, wie es sich für eine Weltstadt gehört. Wir lernten dabei dank eines Forschungsprojekts der Universität für Bodenkultur zur Kompostanlage der Wiener Müllabfuhr, dass die Stadt Wien Erdäpfel wegen ihrer hohen Qualität nach Großbritannien exportiert!“. Ein Fixpunkt im Kulturprogramm waren von 1998 bis 2017 die Wiener Vorlesungen, die Christian Ehalt gemeinsam mit Oskar Wawra 23 Mal nach Brüssel brachte. „In Österreich gibt es viele Entwicklungen zur Stärkung einer offenen Gesellschaft, die auch wesentlich der EU zu verdanken sind,“ so Ehalt, der nicht nur gerne daran denkt, wie er mit dem Oberrabbiner von Wien, Paul Chaim Eisenberg, im Büro der Leiterin eine Runde Tischfussball gespielt hat, sondern v.a. auch an die Begegnungen mit dem Team des Hauses.
Wesentliche Unterstützung für viele der Kulturveranstaltungen im Wien-Haus kamen vom Österreichischen Kulturforum und von der Österreich-Werbung. Deren Leiter, Paul Mayer, war dabei, als der Gewinner der belgischen Vorentscheidung für den Song-Contest 2015, Loic Nottet im Wien-Haus die Weltpremiere seines Siegerlieds gab. Elisabeth Kornfeind, österreichische Botschafterin in Belgien, betonte, wie erfolgreich die Zusammenarbeit mit dem Verbindungsbüro der Bundeshauptstadt ist: „Diplomatie lebt vom Dialog, von der Offenheit für andere Meinungen. Kultur ist hier ein wichtiger Träger – hier leistet das Wien-Haus einen wichtigen Beitrag zur Verständigung, nicht nur zwischen Wien und der EU, sondern auch zu den Regionen und Städten in Belgien.“ Seit 2009 ist auch die „Wiener Kriminacht in Brüssel“ ein fixer Bestandteil des Kulturprogramms – immer kurz vor Weihnachten gibt es so Gelegenheit zum Fürchten und zum Abholen handsignierter Geschenke von Wiener Krimi-AutorInnen, wie auch Gerhard Loibelsberger. Er schrieb unter dem Eindruck des ständigen Regens für seine Dritte-Mann-Band einen „Brussels Blues“, der den musikalischen Abschluss des Geburtstagsfests bildete.
Kauer: Europa ist ein selbstverständlicher Teil des politisch-administrativen Handlungsfelds der Stadt
Michaela Kauer, die seit 12 Jahren die Geschicke des Wien-Hauses leitet, erinnerte daran, wie sich die Arbeit in den vergangenen Jahren verändert hat: „Zu Beginn lag der Schwerpunkt noch sehr auf der Europäische Kommission, mit der Aufwertung des Europäischen Parlaments und des Ausschusses der Regionen hat sich das deutlich verlagert. Die Themenpalette ist breit, aber unser Kompass ist immer die Lebensqualität der Menschen in Wien. Dazu braucht es eine starke Daseinsvorsorge, gute finanzielle Rahmenbedingungen und ein klares Bekenntnis zum sozialen Zusammenhalt. Gerade jetzt in der Krise zeigt sich, dass die EU ihre Ziele nur gemeinsam mit den Städten, in denen fast 72 Prozent der EU-Bevölkerung leben, erreichen kann.“ Das Team kann die Vielfalt der Aufgaben nur deshalb so gut bearbeiten, weil es exzellent mit den KollegInnen in Wien vernetzt ist: „Diese Zusammenarbeit funktioniert großartig, und sie zeigt, dass die Wiener Stadtverwaltung seit vielen Jahren ihre Handlungsebene auf Europa ausgedehnt hat. Dafür ein großes Dankeschön!“. Kauer bedankte sich bei dem Team des Wien-Hauses für die gute Zusammenarbeit seit vielen Jahren – „Ihr seid die beste Visitenkarte der Stadt Wien“ - bei allen Mitwirkenden des Abends und freut sich auf ein baldiges Wiedersehen mit den vielen KooperationspartnerInnen und FreundInnen.
Die Veranstaltung ist auf Youtube abrufbar: https://youtu.be/g-P11areKBM
Quelle: Stadt Wien