Architekturausbildung: Gipfeltreffen von Lehre und Praxis
Foto: Anna Rauchenberger
Auftakt-Konferenz der österreichweiten Initiative „Think Tank Architekturausbildung“ sieht Handlungsbedarf im Bachelorstudium
Wien (OTS) - Wertvolle Ergebnisse betreffend die Länge des Bachelorstudiums, Stadtplanung und Raumplanung sowie die Themen Praktika, Jobqualifikation und inhaltliche Breite des Studiums, brachte das erste „Gipfeltreffen“ der Initiative „Think Tank Architekturausbildung“ Ende September im Künstlerhaus Wien.
Wieviel Theorie braucht die Praxis? Und welchen Einfluss hat die Praxis wiederum auf die Lehre? Wie kann beides besser in Einklang gebracht werden?
Diesen Kernfragen wurde beim Auftakt-Treffen hochkarätiger Vertreter der österreichischen Architekturszene aus Lehre, Praxis und Berufsvertretung auf den Grund gegangen. Auch Studierende mehrerer österreichischer Universitäten nahmen an dem ganztägigen Workshop teil.
Architekt Daniel Fügenschuh, Vorsitzender der Bundessektion ArchitektInnen, Vizepräsident der Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen und Gastgeber der Veranstaltung, skizziert einleitend die großen gesellschaftlichen Herausforderungen, auf welche die Architektur zukünftig Antworten schuldig sein wird: „Bodenverbrauch und Mobilität im Zeichen der Klimakrise, Wohnraum-Mangel und die zunehmenden Angriffe seitens Totalunternehmer auf kleine Architekturbüros werden die Zukunft der Branche maßgeblich prägen. Es ist daher an der Zeit zu reflektieren, ob die heutige Architekturausbildung junge Menschen bestmöglich auf dieses Szenario vorbereitet“, betont Fügenschuh.
Architekt Thomas Hoppe, Sektionsvorsitzender ArchitektInnen der Länderkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland ergänzt, dass der Spagat zwischen Lehre und Praxis nur gelingen kann, wenn ein gesamtheitlicher Ansatz verfolgt wird, und am Anfang der Ausbildung Grundlagen gelehrt und über Anwendungen verfestigt werden die auch in 20 Jahren noch Gültigkeit haben.
Bachelorstudium überladen und zu kurz
Als eine zentrale Problematik wurde der zeitliche Druck im Studium benannt. Es werde zu viel Stoff in das dreijährige Bachelor-Studium gepresst. Dazu Thomas Hoppe: “Natürlich muss einerseits der Generalismus erhalten bleiben. Andererseits kann aber niemand alles wissen. Es geht in der vertieften Ausbildung auch darum Schwerpunkte auszuwählen und die bewusste Entscheidung zu treffen, manche Dinge auch wegzulassen. Hierfür ist es wichtig, die möglichen zukünftigen Schwerpunkte der unterschiedliche Berufswege aufzuzeigen.“
Eine Verlängerung der Ausbildungszeit wurde im Ergebnis der Kleingruppen-Arbeiten begrüßt. Das Studium müsse „entzerrt“ werden, sodass weitere Themen wie Städtebau oder Klimatik aufgegriffen werden können. Auch die Zahl der Toleranzsemester sollte erhöht werden.
Generation Praktikum versus Skills-Training?
Die Relevanz von Praktika als Ergänzung zur Lehre wurde einhellig betont. Wie diese besser in das Studium integriert werden können und ob es verpflichtende Vorgaben für die Absolvierung geben sollte, wurde intensiv diskutiert. Als zukünftige Aufgabe identifizierte das Experten-Gremium folgende: Zwischen Universitäten, Berufsvertretung und Ministerium muss geklärt werden, unter welchen Rahmenbedingungen Praktika (ECTS, Entlohnung, Aufwand) absolviert werden sollen. Welche Vorbildung sollte bereits vorhanden sein und wie kann man Büros auf die Betreuung vorbereiten?
Fit for the job?
In diesem Zusammenhang diskutierte die Gruppe ebenfalls, inwiefern AbsolventInnen wirklich bereit für den Arbeitsmarkt sind und ob das Studium vermittelt, was der tatsächliche Berufsalltag später verlangt. Sollte die Universität Bildung oder auch eine Ausbildung vermitteln? Eventuell können zusätzliche „Filter“ im Studium dafür sorgen, dass Studierende früher feststellen, ob der Beruf für sie geeignet ist (STEOP).
Spezialisierungen als Masterstudium?
Vehement wurde sich für das Thema Stadtplanung eingesetzt, das in der Vergangenheit vernachlässigt worden sei. Kompetenzen sowohl in der Architektur als auch in anderen technischen Studienrichtungen sind breit gefächert, aber in Summe dadurch für einzelne Gebiete zu wenig intensiv. Es bedarf einer Verknüpfung der Kompetenzen und ggf. erweiterter Ausbildungsmöglichkeiten wie eines Masterstudiums oder postgradualen Programms, insbesondere auf dem Gebiet Stadt- und Raumplanung. Hierfür ist eine strukturelle Vorbereitung durch Kammer, Hochschulen und Kommunen notwendig.
Ganzheitlicher Ansatz versus Spezialisierung?
Breite und vernetztes Denken sind Grundlage des Berufs und schließen eine Spezialisierung nicht aus. Es sollten mehr integrative Lehrveranstaltungen angeboten werden. Architekt Bernhard Sommer, Dozent an der Universität für angewandte Kunst, Wien und Vizepräsident der Länderkammer für Wien, Niederösterreich und Burgenland fasst zusammen: „Im Studium sollte ein ganzheitlicher Ansatz verfolgt werden. Die Architekturausbildung soll vernetztes Denken fördern. Dazu muss naturwissenschaftliches Wissen angeeignet und in den künstlerischen Entwurf integriert werden“.
Fügenschuh resümiert den Tag: „Wir stellen fest, dass bei unseren Erkenntnissen kaum Unterschiede zwischen den Lehrenden und den Praktikern auftauchen - die Interessen sind die gleichen. Zusammen können wir gegen viele Außenzwänge, wie z.B. die EU-Regularien zur Studienzeit, besser vorgehen.“
Weitere Veranstaltungen im selben Kreis sollen vertiefende Behandlung der einzelnen Themen ermöglichen. In der Zwischenzeit soll durch Umfragen bei Universitäten und Architekturbüros eine analytische Basis für die diskutierten Themen geschaffen werden.
Der nationale Think Tank Architekturausbildung wurde auf Initiative der Bundessektion ArchitektInnen (BSA) der Bundeskammer der ZiviltechnikerInnen, dem höchsten Berufsvertretungs-Gremium Österreichs, ins Leben gerufen. Die teilnehmenden Institutionen waren:
Akademie der bildenden Künste, Wien FH Joanneum, Salzburg FH Kärnten TU Wien TU Graz Universität für Angewandte Kunst, Wien Universität Innsbruck
Quelle: OTS