Bergwelt in Bedrängnis: Internationale Allianz fordert Respekt für die Alpen
Foto: Harry Putz
Pläne zur Erweiterung des Kaunertaler Gletscherskigebiets und zum Ausbau des Kraftwerks Kaunertal zeigen es auf: Die Wertschätzung gegenüber alpinen Natur- und Kulturlandschaften wird immer geringer. Ein einzigartiger Schulterschluss der Alpenvereine aus Österreich, Deutschland und Südtirol gemeinsam mit zahlreichen weiteren Naturschutzorganisationen und Bürgerbewegungen fordert dringend mehr Respekt für den alpinen Raum. Im Rahmen einer Pressekonferenz inmitten der Kaunertaler Bergwelt appellieren die Organisationen, Ausnahmeregelungen, wie sie im Tiroler Seilbahn- und Skigebietsprogramm und Tiroler Gletscherschutzprogramm zu finden sind, aufzuheben.
„Selten zuvor standen die Alpen so stark unter Druck, wie es aktuell der Fall ist“, erklärt Wolfgang Schnabl, Präsident des Österreichischen Alpenvereins im Rahmen einer Pressekonferenz inmitten der Kaunertaler Bergwelt, einem „Hotspot“, wenn von naturzerstörerischen Ausbauplänen die Rede ist. „Erschließungen und Verbauungen gefährden die letzten unberührten Ökosysteme in unserer Bergwelt – politische Entscheidungsträger müssen hier dringend umdenken. Wir fordern mehr Respekt für die Alpen!“ Hinter dieser Forderung stehen die Alpenvereine aus Österreich, Deutschland und Südtirol und weitere Umweltorganisationen wie u.a. Global 2000, der WWF Österreich, der Umweltdachverband, die Naturfreunde Österreich sowie lokale Bürgerbewegungen (alle Organisationen aus Österreich, Deutschland und Südtirol inkl. Statements unter: https://go.ots.at/6KXeZsbQ).
Unter dem Deckmantel der Energiewende will die TIWAG aktuell im Rahmen des Ausbaus des Kraftwerks Kaunertal das Platzertal fluten und somit zerstören. Dort befindet sich der größte unberührte Moor- und Feuchtgebietskomplex der österreichischen Hochalpen*. Moore speichern mehr Kohlendioxid als jedes andere Ökosystem der Welt und sind Lebensräume für spezialisierte Arten. „Klima- und Artenschutz müssen Hand in Hand gehen. Das Projekt aber ist auf dem einen Auge blind und muss deshalb unverzüglich gestoppt werden“, so Schnabl.
Wenige Kilometer vom Platzertal entfernt soll der völlig naturbelassene Gepatschferner rund um die Weißseespitze erschlossen werden. Möglich machen solche Pläne absurde Ausnahmeregelungen im sogenannten Gletscherschutzprogramm, das verordnet wurde, um gewisse Bereiche von diesem Schutz auszunehmen. „Großflächige Skigebietserweiterungen, wie sie im Kaunertal aber auch im Pitztal geplant sind, sind für uns eine klare rote Linie. Wir setzen uns für die Aufhebung der Ausnahmeregelungen und die Wiederherstellung des absoluten Gletscherschutzes, wie er im Tiroler Naturschutzgesetz verankert ist, ein“, erklärt Schnabl.
"Ein Gletscher ist nicht nur Eis und ein Gletschervorfeld ist nicht nur Schutt", erklärt DAV-Vizepräsident Wolfgang Arnoldt und betont: „Das sind wertvolle Natur- und Lebensräume. Da können wir kein Auge zudrücken, die dürfen einfach nicht erschlossen werden.“ Mit den beiden Gletschererschließungen der Pitztaler und Kaunertaler Skigebiete würden weitere alpine Naturräume zerstört und entseelt werden. Dabei sind beide Regionen von besonderer Bedeutung für den Bergsport: Der Gepatschferner gehört zur größten zusammenhängenden Gletscherfläche Österreichs und ist mit den Stützpunkten Brandenburger Haus und Rauhekopfhütte ein beliebtes (Ski-)Hochtourengebiet. Die Braunschweigerhütte im Pitztal liegt direkt am beliebten europäischen Fernwanderweg E5 und ist für den Alpenverein ein wichtiger Ausbildungsstützpunkt. „Das Bergsteigen in all seinen Facetten, die Hütten, unsere Ausbildungen, unser Einsatz für das alpine Wegenetz - all das bietet die besten Bedingungen für nachhaltigen und sanften Tourismus. Die Dauerbaustellen, die uns diese Erschließungen bringen würden, machen das zunichte. Niemand will durch eine Industrielandschaft laufen“, mahnt Arnoldt.
Bereits 2022 haben die Alpenvereine aus Österreich, Deutschland und Südtirol sowie der Club Alpino Italiano gemeinsam mit dem Dachverband für Natur- und Umweltschutz in Südtirol und dem Heimatpflegeverband Südtirol?das sogenannte „Manifest für mehr Respekt für den alpinen Raum“ unterzeichnet. Mit diesem Manifest wird die Notwendigkeit eines ernstgemeinten Schutzes des alpinen Raums bekräftigt. „Die Erschließung des alpinen Raumes ist abgeschlossen“, heißt es im Manifest. „Mit dem ‚Manifest für mehr Respekt für den alpinen Raum‘ sehen wir es als unsere Pflicht, gemeinsam mit den Alpenvereinen und unterschiedlichen Umweltorganisationen den immer wiederkehrenden Forderungen gewisser Wirtschaftskreise zur weiteren Erschließung unserer Alpen Einhalt zu gebieten. Es ist genug erschlossen, und unsere Kinder haben auch das Recht eine noch etwas intakte Natur vorzufinden“, betont Georg Simeoni, Präsident des Alpenverein Südtirol.
Simeoni geht in diesem Zusammenhang auch auf den Zusammenschluss zwischen dem Kaunertal und dem Südtiroler Langtauferertal ein: Da es im Langtauferertal kein Skigebiet gibt, kommen die Pläne des Zusammenschlusses mit dem Kaunertal einer Neuerschließung gleich. Der Alpenverein Südtirol zählt darauf, dass die Südtiroler Landesregierung an ihrer ablehnenden Haltung festhält und dem Vorhaben endgültig einen Riegel vorschiebt. „Die Erschließung neuer Räume im Hochgebirge ist für uns ein Tabu. Zugleich sagen wir aber ja zu neuen umweltverträglichen Perspektiven für das Langtauferertal”, sagt Simeoni.
*Quelle: WWF Studie: Schwienbacher 2023 Hochalpine Moore (wwf.at)
Österreichischer Alpenverein, Deutscher Alpenverein, Alpenverein Südtirol, Global 2000, WWF Österreich, Naturfreunde Österreich, Umweltdachverband, Protect our Winters Austria, Bürgerinitiative Feldring, Verein zum Schutz der Bergwelt e.V., WET - Wildwasser erhalten Tirol, PAN – Protect Alpine Nature, Mountain Wilderness Deutschland, Aktionsgemeinschaft Malfon, Dachverband für Natur- und Umweltschutz in Südtirol, Heimatpflegeverband Südtirol.
Statements der Organisationen sowie weiteres Bildmaterial hier zum Download.
Quelle: OTS