Wien: Botschafter des Erinnerns- Polnischer KZ-Überlebender bei Wiens Bürgermeister Ludwig
Gusen-Überlebender Stanislaw Zalewski am Jahrestag seiner Befreiung zu Gast im Rathaus
Am 5. Mai 1945 wurde das NS-Konzentrationslager Gusen östlich von Linz durch die US-Armee befreit. Wiens Bürgermeister Michael Ludwig hat heute, Freitag, am 78. Jahrestag der Befreiung einen der letzten lebenden Zeitzeugen, Stanis?aw Zalewski, in den Roten Salon des Wiener Rathaus geladen. Der 97-jährige Präsident des Verbands ehemaliger polnischer KZ-Häftlinge ging 600 Tage durch die drei KZ-Höllen Auschwitz-Birkenau, Mauthausen und Gusen. Dort wurde Zalewski – der als gelernter Fahrzeugtechniker am polnischen Widerstand 1943 im Warschauer Ghetto teilnahm und dabei Wehrmachtsfahrzeuge manipulierte sowie Parolen für ein freies Polen an Hauswände anbrachte – bis zu seiner Befreiung als Zwangsarbeiter in der Rüstungsfabrik Messerschmitt und dem Kommando Bergkristall eingesetzt.
Bürgermeister Ludwig strich das Engagement des Zeitzeugen gegen das Vergessen der schrecklichen Taten des Naziregimes hervor: „Sie sind ein Vorbild in mehrfacher Hinsicht: Sie haben ihr Leben lang Rückgrat bewiesen. Sie haben aus Überzeugung schon als Jugendlicher im Alter von 14 Jahren gegen die Nazis gekämpft. Sie haben gleich drei NS-Vernichtungslager überlebt. Und Sie haben nach ihrer Flucht, nach Ihrer Rückkehr nach vorne geblickt und neu angefangen.“ Nicht zuletzt habe es sich Zalewski zur Aufgabe gemacht, „als Zeitzeuge vor dem Terrorregime des Nationalsozialismus zu warnen und insbesondere Jugendlichen die eigenen, schrecklichen Erfahrungen zu schildern“.
„Mein Ziel nach meiner Befreiung war es immer, junge Menschen dazu zu bewegen, sich für die Demokratie zu engagieren. Damit sich nicht das wiederholt, was mir als Erfahrung zuteilgeworden ist“, sagte Zalewski. Die Berichte dieser Erfahrungen würden auch ihn sehr betroffen machen, so Ludwig, doch gerade die Schilderungen von Zeitzeug*innen hätten bei jungen Menschen die größte Wirkung. „Leider werden die Zeitzeuginnen und Zeitzeugen immer weniger. Deshalb ist es besonders wichtig, dass diese Erinnerungen aufgezeichnet und weitergegeben werden, um damit dem aufkeimenden Antisemitismus und Rassismus oder dem Leugnen und dem Relativieren des Nationalsozialismus entgegenzutreten“, sagte Wiens Bürgermeister. So war Zalewski vor einigen Jahren in Wien im Wiedner Gymnasium, um dort vor Schülerinnen und Schülern zu sprechen, „damit junge Menschen wichtige Impulse bekommen, sich für die Demokratie einzusetzen“, so Ludwig.
Zalewski äußerte die Hoffnung, dass es in irgendeiner Form zu einer Zusammenarbeit zwischen seinem Verband ehemaliger KZ-Häftlinge und der Stadt Wien kommen könne. Bürgermeister Ludwig sagte ihm weitere Gespräche darüber zu und verwies auf bereits bestehende Kooperationen der Stadt Wien mit verschiedenen KZ-Dachverbänden oder dem Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes.
Bürgermeister Ludwig überreichte seinem Gast als Geschenk mehrere Gläser eines Wiener Traditionsunternehmens – „am besten füllen Sie diese mit einem der ausgezeichneten Wiener Weine“, so der Vorschlag Ludwigs. Im Gegenzug erhielt der Stadtchef ein signiertes Exemplar von Zalewskis Buch „Ereignisse und Zeichen der Zeit“, in dem dieser seine Erlebnisse während der Zeit des Zweiten Weltkriegs schildert.
Quelle: Stadt Wien