Czernohorszky: Wiener Klärschlammasche wird zu Düngemittel
Phosphor ist ein essentieller Nährstoff für Pflanzen, Tiere und Menschen und ist daher ein Hauptbestandteil vieler Düngemittel. Über den Konsum von Nahrungsmitteln kommt Phosphor in die Kläranlage, wo er nach der energetischen Verwertung des Klärschlamms in die Klärschlammasche gelangt und mit dieser derzeit noch ungenutzt abgelagert wird.
Die MA 48 und die Wien Energie arbeiten daran, den im Wiener Klärschlamm vorhandenen Phosphor als Düngemittel zurückzugewinnen und den Stoffkreislauf damit zu schließen. Dadurch entfallen Emissionen, die bei der Gewinnung und dem Transport des Primärrohstoffes (Rohphosphat) entstehen. Wiens Klimastadtrat Jürgen Czernohorszky unterstützt dieses zukunftsweisende Recyclingprojekt: „Phosphor gehört neben Stickstoff und Kalium zu den weltweit wichtigsten Düngemitteln und ist daher wesentlich für die Nahrungsmittelproduktion Dieses Projekt ist ein gutes Beispiel dafür, wie innovative Lösungen ausschauen, die im Sinne der Kreislaufwirtschaft auch zum Klimaschutz beitragen“, so Czernohorszky.
Österreichweit werden jährlich rund 12.500 Tonnen Phosphor als Mineraldünger in der Landwirtschaft ausgebracht. Rohphosphat, der Ausgangsstoff für Düngemittel, gibt es nur in wenigen Ländern (z.B. zum Teil in politisch sehr instabilen Regionen wie Marokko, Russland, China, Brasilien), weshalb unsere Nahrungsmittelversorgung zu einem wesentlichen Teil von diesen Ländern abhängt.
Expert*innen warnen aufgrund dieser unsicheren Rahmenbedingungen bereits von einer möglichen Phosphor- und somit Düngemittelknappheit insbesondere für Europa. Nicht zuletzt aufgrund dieser Abhängigkeit wurde Rohphosphat 2014 von der EU-Kommission in die Liste der 20 „kritischen“ Rohstoffe aufgenommen.
Dabei liegt die Lösung für diesen drohenden Engpass sogar sehr nahe: Denn ein großer Teil der Importmenge könnte durch Phosphor-Recycling aus Klärschlamm ersetzt werden. In Österreichs Kläranlagen fallen jährlich etwa 7.800 Tonnen Phosphor an. Klärschlamm wird derzeit in Österreich nach der energetischen Verwertung in Form von Klärschlammasche deponiert bzw. teilweise direkt oder nach einer Kompostierung auf die Felder aufgebracht. Bei der Klärschlammausbringung bzw. Klärschlammkompostierung wird der Phosphor zwar genutzt, aber es werden auch die enthaltenen organischen Schadstoffe und Mikroplastik auf die landwirtschaftlich genutzten Flächen verteilt. Bei der künftigen Wiener Lösung ist dies nicht der Fall.
Klärschlamm - Vom Abfall zur wertvollen Ressource
In Wien reinigt die ebswien Hauptkläranlage in Simmering rund um die Uhr die gesamten Abwässer der Wiener*innen. Nach der mechanischen Reinigung wird bei den beiden biologischen Reinigungsstufen die Natur zum Vorbild genommen. Neben sauberem Abwasser bleibt Klärschlamm als „Restprodukt“ des Reinigungsprozesses über, rund 70.000 Tonnen Trockensubstanz jährlich. Der Klärschlamm wird derzeit zur Gänze energetisch verwertet. Bei der Verbrennung des ausgefaulten Klärschlamms fallen jährlich 12.000 Tonnen Klärschlammasche an, die derzeit auf der Deponie Rautenweg abgelagert werden. Darin sind 1.500 Tonnen Phosphor enthalten, welcher derzeit noch ungenützt deponiert wird.
Die MA 48 ist daher gemeinsam mit der Wien Energie und der Borealis Agrolinz Melamine GmbH eine vielversprechende Entwicklungspartnerschaft eingegangen, um Phosphor aus der Wiener Klärschlammasche zurückzugewinnen.
Für die MA 48 ist es seit Jahren erklärtes Ziel, Abfälle so gut es geht zu vermeiden und den Rest zu verwerten und wieder in den Stoffkreislauf zurückzuführen: „Die MA 48 ist für die Umsetzung von erfolgsversprechenden, innovativen Projekten bekannt. Wertvollen Phosphor aus der Klärschlammasche zu verwerten, ist einfach gescheit.“, so Josef Thon, Chef der MA 48.
Vorteile:
Die Stadt Wien kann phosphorreiche Klärschlammasche zur Verfügung stellen. Der Phosphor wird in der Asche stark aufkonzentriert. Die jährlich anfallende Klärschlammasche enthält 1.500 Tonnen Phosphor. Diese Asche kann zur Herstellung von marktfähigen Düngemittelprodukten verwendet werden. Die Abhängigkeit von Phosphor-Importen außerhalb der EU wird reduziert. Phosphor, der durch den menschlichen Stoffwechsel in Wien in das Abwasser gelangt, wird zukünftig recycelt. Das bedeutet weniger Transporte und keine Umweltverschmutzung beim Rohphosphat-Abbau. Nachhaltige Versorgung der heimischen Landwirtschaft mit den notwendigen Pflanzennährstoffen. Die Wertschöpfung durch das Phosphorrecycling bleibt in Österreich. Die Asche muss in Zukunft nicht mehr auf der Deponie abgelagert werden. Wertvolles Deponievolumen wird geschont.
Der Übergang zur Kreislaufwirtschaft und damit das Schließen von Stoffkreisläufen ist eine der großen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte, um den Verbrauch an Rohstoffen und die Emission von Treibhausgasen zu reduzieren. Phosphor ist ein solcher Rohstoff, den wir heute sehr ineffizient nutzen, da sind wir zu 100 % auf Importe angewiesen. Die Stadt Wien hat sich nun diesem Thema angenommen und gemeinsam mit der Wissenschaft und einem industriellen Partner ein Konzept entwickelt, das ihr eine Vorreiterrolle und Vorbildfunktion beim Recycling von Phosphor in Europa einbringt.
„Wien ist im Bereich der Abfallvermeidung und der getrennten Sammlung bereits heute im europäischen Spitzenfeld. Aber auch aus den Verbrennungsrückständen kann noch Etliches gewonnen werden: In Wien kann neben Metallen aus der Schlacke dann auch die Klärschlammasche mit dem lebenswichtigen Phosphor stofflich verwertet werden. Phosphorrecycling ist ein wichtiger Schritt in Richtung Zero-Waste in Wien“, so Czernohorszky.
Wiens Vorreiterrolle in der Phosphorrückgewinnung aus Klärschlammasche
Derzeit gibt es in Österreich noch keine verbindlichen Vorgaben, Phosphor zurück in den Kreislauf zu führen. Gemäß dem vorliegenden Entwurf des Bundesabfallwirtschaftsplans 2022 soll im Rahmen der Novelle der Abfallverbrennungsverordnung eine thermische Behandlung kommunaler Klärschlämme und eine Rückgewinnung des Phosphors aus der Verbrennungsasche durchgeführt werden. Es kann davon ausgegangen werden, dass die tatsächliche Verpflichtung erst in einigen Jahren in Kraft treten wird.
Wien will diese sinnvolle Maßnahme allerdings bereits jetzt umsetzen. Die nötigen Vorarbeiten sind bereits angeschlossen. Mit dem Start eines Projekts mit der Borealis Agrolinz Melamine GmbH bereits im Jahr 2018 ist die Stadt Wien daher einmal mehr Vorreiter im Schließen von Stoffkreisläufen. Nach Adaptierung der Anlage wurde in Linz im Jahr 2021 ein erfolgreicher Großversuch mit mehreren hundert Tonnen Klärschlammasche abgeschlossen. Voraussichtlich kann noch in diesem Jahr mit Nutzung des aus Klärschlamm rückgewonnenen Phosphors in der Düngemittelproduktion im großen Stil begonnen werden.
Internationale Phosphorkonferenz in Wien
Von 20.6-22.6. 2022 findet in Wien die europäische Phosphor-Nachhaltigkeitskonferenz statt. Bei der Konferenz werden Expert*innen aus Kommunen, der Düngemittel- und Phosphorindustrie sowie von der EU und Forschungseinrichtungen vor rd. 400 Teilnehmer*innen Vorträge halten. Ziel ist die Vernetzung der Akteur*innen und ein Fachaustausch. Die MA 48 und Wien Energie präsentieren dabei ihre Aktivitäten im Bereich Phosphorrückgewinnung. Zum Abschluss der Konferenz können die Teilnehmer*innen im Rahmen einer Fachexkursion u.a. die Haupkläranlage der ebswien, sowie die Verbrennungsanlage für Klärschlamm im Werk Simmeringer Haide der Wien Energie besuchen.
Quelle: Stadt Wien