Wien: Datenschutzgutachten von Städtebund und Klimaschutzministerium

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Wien

09 Jul 18:00 2022 von Redaktion International Print This Article

Kamerabasiertes Zufahrtsmanagement mit Datenschutz vereinbar

Städtebund und Klimaschutzministerium haben Prof. Dr. Nikolaus Forgó (Universität Wien) beauftragt, ein Gutachten zu erstellen, das die Frage klärt, unter welchen Bedingungen ein automatisiertes Zonenzufahrtsmanagement mittels Videoüberwachung möglich ist. Nun liegen die Ergebnisse vor.

Zentrale Erkenntnisse des Gutachtens:

• Es ist grundsätzlich möglich, ein automatisiertes Zonen-Zufahrtsmanagement in österreichischen Städten datenschutzkonform umzusetzen, um damit wirksame Verkehrsberuhigung zu etablieren. Je größer das zu kontrollierende Gebiet und je länger Daten gespeichert werden müssen, desto mehr Maßnahmen zum Datenschutz sind vorzusehen.

• Es sind viele einzelne Maßnahmen nötig, um zu verhindern, dass bei der Bevölkerung ein Überwachungsgefühl entsteht.

• Es dürfen die KFZ Kennzeichen sowie allenfalls der Fahrzeuglenker oder die Fahrzeuglenkerin auf den Bildern zu sehen sein. Alle anderen Personen müssen sofort unkenntlich gemacht beziehungsweise verpixelt werden.

• Fotos, die nicht für ein Verwaltungsstrafverfahren benötigt werden, müssen unverzüglich gelöscht werden

• Es muss für eine ordnungsgemäße Verschlüsselung der Daten gesorgt sein

• Der Zugriff auf die Daten ist so restriktiv wie möglich zu halten, es ist sicherzustellen, dass ein sehr kleiner Kreis von Personen darauf Zugriff hat

• All diese Maßnahmen zur Risiko- und Datenminimierung müssen für jedes Gebiet einzeln festgelegt und regelmäßig evaluiert werden.

Dazu heißt es im Gutachten wörtlich:

„Die automatisierte Verkehrsüberwachung speziell definierter Bereiche durch ein automatisiertes Zonen-Zufahrtsmanagement dient der Verkehrssicherheit, der körperlichen Gesundheit und der körperlichen Unversehrtheit, der Fernhaltung von Gefahren oder Belästigungen, insbesondere durch Lärm, Geruch oder Schadstoffe sowie dem Schutz der Bevölkerung und der Umwelt, und ist geeignet, diese Ziele zu erreichen, indem das jeweilige Stadt- und Gemeindezentrum vom unberechtigten Autoverkehr entlastet und somit aufgewertet wird. Der Einsatz von bildverarbeitenden technischen Einrichtungen entspricht daher dem Sachlichkeitsgebot und ist verhältnismäßig.“

Und hier das gesamte Gutachten als Download:

https://www.staedtebund.gv.at/fileadmin/USERDATA/Service/publikationen/Studien/2022_GA_auto._ZZM_v16_final_NF.pdf


Klimaschutzministerin Leonore Gewessler:

„Österreichs Städte haben eine sehr hohe Lebensqualität, die es zu erhalten und zu stärken gilt. Die automatisierte Kontrolle von nicht-erlaubtem Kfz-Verkehr in Innenstädten kann dazu beitragen, dass sich Menschen in Innenstädten gerne aufhalten und ein wichtiger Anreiz sein, um auf öffentliche Verkehrsmittel oder Zufußgehen und Radfahren umzusteigen. Für mich ist klar, dass dazu Klimaschutz und hohe Datenschutzanforderungen in Einklang gebracht werden müssen. Wir werden das nun vorliegende Gutachten in den nächsten Wochen in Hinblick auf eine nächste StVO-Novelle genau prüfen.“

Städtebund-Generalsekretär Thomas Weninger:

Die steigenden Temperaturen lassen uns an den Klimaschutz denken und führen uns vor Augen, wie wichtig die städtischen Bemühungen sind, Bewohner*innen Raum für Grün, Beschattung und Abkühlung, aber auch Flächen zur Forcierung des Umweltverbundes (Rad, Fußverkehr, öffentlicher Verkehr) zur Verfügung zu stellen. Das kann oftmals nur über Restriktionen für den motorisierten Individualverkehr bewerkstelligt werden. Jede Regel funktioniert aber nur so gut, wie sie auch kontrolliert werden kann. Das nun vorliegende Rechtsgutachten zeigt auf, wie wir die datenschutzrechtlichen und verkehrspolitischen Anliegen ‚unter einen Hut‘ bekommen „Ich danke allen Beteiligten und glaube, dass mit dem vorliegenden Gutachten ein wichtiger Schritt zur Versachlichung der Debatte gesetzt wurde.“

Universitätsprofessor Dr. Nikolaus Forgó, Verfasser des Gutachtens:

„Es ist wichtig, datenschutzrechtliche Fragen umfassend und im Vorfeld zu analysieren und zu klären, um - berechtigten - Bedenken Rechnung zu tragen und die erforderlichen Rechtsgrundlagen zu schaffen. Mit unserem Gutachten liegt eine solche umfassende Analyse nun vor, auf dessen Grundlage nach unserer Überzeugung ein datenschutzkonformer Betrieb eines automatisierten Zonenzufahrtsmanagements möglich ist. Wir sind sehr gespannt auf die weitere Diskussion, danken dem Österreichischen Städtebund und dem Klimaschutzministerium für die Beauftragung und hoffen, auf diesem Weg einen Beitrag zu einem menschen- und ökologiegerechten Verkehrssystem in österreichischen Städten geleistet zu haben“.

Ulli Sima, Mobilitätsstadträtin Wien:

„Wien arbeitet derzeit gemeinsam mit dem 1. Bezirk intensiv an einem Modell zur verkehrsberuhigten Innenstadt. Mit dieser wichtigen Klimaschutzmaßnahme wollen wir mehr Platz für die Menschen, für Grünraum und für umweltfreundliche Mobilität schaffen. Klar ist aber auch: Um die Zufahrten zum Bezirk effektiv kontrollieren zu können, braucht es kamerabasierte Überwachung. Dies funktioniert in vielen europäischen Städten wie etwa in Turin oder Bologna. Auch in Österreich ist kamerabasierte Kontrolle etwa bei der Maut, der Section Control und bei Radarboxen bereits Realität. Für die geplanten Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung braucht es Änderungen in der StVO und ich hoffe auf rasche Novellierung. Das vorliegende Gutachten erklärt eine kamerabasierte Zufahrtskontrolle eindeutig für verhältnismäßig. Wir müssen technische Möglichkeiten nutzen, wenn wir der Klimakrise etwas entgegensetzen wollen, für uns ist unbestritten: Datenschutz und Klimaschutz müssen dabei Hand in Hand gehen, die Studie zeigt ganz klar, dass dies umsetzbar ist. “

Im Gutachten heißt es dazu:

„Das automatisierte Zonen-Zufahrtsmanagement ist mit dem System der Section Control vergleichbar, weil auch bei diesem System unterschiedslos alle die mittels bildverarbeitender technischer Einrichtungen zu überwachende Zone passierenden Fahrzeuge erfasst werden. Der Umfang der Datenerfassungen ist daher in räumlicher Hinsicht entweder vom Gesetzgeber selbst oder auf Grund seiner Ermächtigung durch entsprechend gesetzlich determinierte Verordnung von der dafür zuständigen Behörde zu bestimmen.“

Wiener Neustadts Bürgermeister und Städtebund-Vizepräsident Klaus Schneeberger:

„Alles, was den Innenstädten hilft, ist natürlich positiv zu beurteilen. Und wirksame Maßnahmen zur Verkehrsberuhigung sind hier eine extrem große Hilfestellung. Ich habe deshalb bereits vor mehr als einem halben Jahr einen Vorstoß bei der zuständigen Ministerin Leonore Gewessler unternommen, damit wir diese Möglichkeit erhalten. Umso erfreulicher ist es, dass der Städtebund und das Klimaschutzministerium nunmehr ein Rechtsgutachten in Händen halten, das uns in all diesen Bemühungen unterstützt. Ich hoffe auf eine rasche gesetzliche Verankerung im Sinne unserer Innenstädte".

Judith Schwentner, Vizebürgermeisterin der Stadt Graz:

„Wir haben in Graz zahlreiche Fußgänger*innenzonen und andere verkehrsberuhigte Bereiche, in denen es immer wieder zu gefährlichen Situationen kommt, weil Autos dort unberechtigterweise ein- oder durchfahren. Ein Zufahrtsmanagement wäre eine Möglichkeit die Sicherheit und Lebensqualität der ungeschützten Verkehrsteilnehmer*innen zu erhöhen, muss für die Akzeptanz in der Bevölkerung aber selbstverständlich höchsten Datenschutz gewährleisten.“

Uschi Schwarzl, Mobilitätsstadträtin Innsbruck:

„Ich begrüße als Verkehrsreferentin der Stadt Innsbruck jeden Schritt, der autofreie oder autoreduzierte Innenstädte unterstützt. Dabei sind die praktische Anwendbarkeit und der Einklang mit dem Datenschutz wichtig, weswegen wir die vom Klimaschutzministerium beabsichtigten Prüfungen ausdrücklich begrüßen.“

Über den österreichischen Städtebund:

Der Österreichische Städtebund ist die Interessenvertretung und eine starke Stimme für Städte und größere Gemeinden in Österreich. Aktuell sind es 259 Mitgliedsgemeinden. 5,5 Millionen Menschen leben in Österreich in Städten. Auch 71 Prozent der Arbeitsplätze befinden sich in Städten. (Schluss)


Quelle: Stadt Wien



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