Erste Menschenaffen an COVID-19 erkrankt
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Menschenaffen sind genauso anfällig für COVID-19 wie wir Menschen. Keine guten Nachrichten für alle wildlebenden Menschenaffen in Afrika und Asien.
Wien/San Diego/Kibale (OTS) - Was ForscherInnen seit Ausbruch der Pandemie befürchten, ist nun bestätigt: Menschenaffen sind genauso anfällig für COVID-19 wie wir Menschen. Im Zoo von San Diego wurden mehrere Gorillas positiv auf das Virus getestet. Keine guten Nachrichten für alle wildlebenden Menschenaffen in Afrika und Asien. Das Corona-Virus könnte der Todesstoß für Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans sein, die schon bisher durch illegale Jagd und Verlust ihres Lebensraumes durch Abholzung der Regenwälder vom Aussterben bedroht sind.
Seit Beginn der Pandemie warnen ForscherInnen vor einer möglichen Übertragung auf Menschenaffen. Als zwei der Gorillas im San Diego Zoo am 6. Jänner 2021 auffällig husteten und andere Tiere der Gruppe leichte Erkältungssymptome zeigten, wurden Kotproben getestet und so die Infektion mit SARS-CoV-2 nachgewiesen. Ergänzende Tests haben das Ergebnis bestätigt. Bedeutsam ist der Nachweis vor allem, weil es die ersten dokumentierten Fälle von infizierten und erkrankten Menschenaffen sind. Ob sich alle Gorillas der Gruppe angesteckt haben, wird noch überprüft. Die Tiere befinden sich in Quarantäne.
„Meinen Informationen zufolge ist die Quelle der Infektion ein asymptomatischer Zoomitarbeiter und das trotz strenger Sicherheitsprotokolle, die der San Diego Zoo strikt eingehalten hat. Dies zeigt uns einmal mehr, wie eng der Mensch mit der gesamten Natur verbunden ist und der Transfer von Zoonosen in beide Richtungen erfolgt, “ sagte Dr. Jane Goodall in einer ersten Reaktion auf die Meldungen aus San Diego. Die schlechte Nachricht, so die Artenschützerin: „Für Menschenaffen, die genetisch so nah am Menschen und daher besonders anfällig für menschliche Krankheiten sind, ist die Bedrohung durch COVID-19 genauso real wie für uns.“
Bedrohung für wildlebende Menschenaffen
„Wir müssen eine Übertragung auf die wildlebenden Schimpansen unbedingt verhindern. Denn es ist nicht möglich einzelne Tiere oder Gruppen in freier Wildbahn unter Quarantäne zu stellen“, betont Dr. Peter Appell, Veterinärmediziner und Projektleiter beim Jane Goodall Institut in Uganda. Auch eine medizinische Behandlung ist im Regenwald praktisch unmöglich, so der Tierarzt, der seit Jahren ein Feldprojekt zum Schutz von Schimpansen im Kibale Nationalpark in Uganda (ein Regenwaldgebiet mit der größten Primatendichte Afrikas) mitbetreut: „Freilebende Schimpansen sind äußert scheu, aber sehr klug. Das Aufspüren kranker Tiere würde zu viel an wertvoller Zeit in Anspruch nehmen und sobald die Gruppe merkt, dass wir ein Tier separieren, fliehen die anderen. Zudem gibt es für Schimpansen derzeit keine erforschte Covid-Behandlung.“ Sollten die Mortalitätsraten ähnlich jener des Menschen sein, könnte die Corona-Pandemie Populationen von Schimpansen, Gorillas und Orang-Utans auslöschen, warnt er.
Genaue Beobachtung in San Diego
Deshalb wird der Krankheitsverlauf der Gorillas in San Diego von WissenschaftlerInnen weltweit genau verfolgt. Bisher ist nicht bekannt, wie schwer sich eine Infektion mit SARS-CoV-2 bei Menschenaffen auswirkt. Aufgrund der Ähnlichkeit der DNA von Mensch und Menschenaffe – jene der Schimpansen etwa ist zu 98,8% ident mit unserer – sind Menschenaffen ebenso anfällig für Atemwegserkrankungen wie Menschen. Im Fall des Corona-Virus ist die Proteinsäure-Sequenz des ACE2 Rezeptors entscheidend. ACE2 ist der Rezeptor über den SARS-CoV-2 in die Zelle gelangt. Alle Menschenaffen, ob afrikanische oder asiatischen Primatenarten, besitzen dieselben 12 Aminosäurereste wie der Mensch, an die das Virus andockt. Daher gehen ForscherInnen davon aus, dass Menschenaffen sehr anfällig für SARS-CoV-2 und dessen Auswirkungen sind. „Wir wissen nicht, wie sich die Infektion auf die Gorillas auswirken wird, und auch nicht, ob nicht noch weitere Symptome dazukommen“, heißt es in einer Stellungnahme des Zoos.
Vorsichtsmassnahmen in Afrika
Viele Nationalparks in Afrika waren oder sind zum Schutz der Tiere geschlossen. Das Risiko für freilebende Primaten bleibt, denn die Tiere halten sich nicht an die Grenzen der Parks, sodass der Kontakt mit Menschen in anliegenden Gebieten nicht ausgeschlossen werden kann. Eine weitere potentielle Gefahr sind Wilderer, die in den Wäldern mit Schlingfallen illegal nach Buschfleisch jagen und Tiere gefangen nehmen um diese trotz Verbot auf Märkten als „Bushmeat“ zu verkaufen. Dieses Geschäft ist brutal und mehrfach gefährlich: Nicht nur geschützte Tierarten sind dadurch in ihrem Fortbestand gefährdet, sondern die Gesundheit vieler Menschen weltweit. Zoonosen – wie im Fall von COVID – 19 – werden über den Konsum dieser Exoten übertragen. Der Handel und der Genuss von exotischem Fleisch sowie anderen tierischen Produkten ist ein millionenschweres Geschäft, das weltweit floriert.
Das Fallenentfernungsprogramm im Kibale Nationalpark sowie die Schutzstationen für verwaiste und gefangen genommene Schimpansen des Jane Goodall Instituts in Afrika, haben bereits seit Februar 2020 strenge Quarantäne- und Sicherheitsmaßnahmen eingeführt, um eine Übertragung zu verhindern. Wie die Ereignisse in San Diego zeigen, bleibt jedoch ein Restrisiko. Ranger und NGO-MitarbeiterInnen, die sich in den Nationalparks für den Schutz der Wildtiere einsetzen, arbeiten mit höchsten Sicherheitsvorkehrungen, begeben sich in Selbstisolation und vermeiden Kontakte zur Welt außerhalb der Schutzgebiete. Dieser Einsatz für den Artenschutz bedeutet nicht nur persönlichen Verzicht, sondern leider auch direkte Lebensgefahr wie die Meldung der sechs ermordeten Ranger aus dem Virunga-Nationalpark erschütternd zeigt. Im Kibale Nationalpark wurde im Dezember ein Ranger von Wilderern getötet.
Forderungen an die Politik
„Bei aller Bedeutung von Tagesinzidenzen und Impfzahlen dürfen PolitikerInnen und EntscheidungsträgerInnen den Kern des Problems – die Entstehung und Verbreitung zoonotischer Viren – nicht unberücksichtigt lassen“, fordert Mag. Diana Leizinger, Geschäftsführerin des Jane Goodall Institut-Austria. Schon seit Beginn der Pandemie setzt sich das in Wien beheimatete Institut von Artenschützerin Jane Goodall für konkrete Maßnahmen ein. „Wenn wir nicht rasch lernen, achtsam mit anderen Lebewesen und Ökosystemen umzugehen, waren weltweit hunderttausende Tote, zerstörte Existenzen und Milliardenrettungspakete erst der Anfang“, so die Biologin Leizinger.
Das Jane Goodall Institut fordert unter www.covid19-warum.at auf, die Ursachen endlich zu bekämpfen: COVID-19 hat – wie zuvor EBOLA, SARS, MERS oder HIV – seinen Ursprung im rücksichtslosen Handel lebender und getöteter Wildtiere. Unter grausamen, unhygienischen Bedingungen, die die Entstehung zoonotischer Viren begünstigen, werden Tiere gehalten und geschlachtet. Auf kleinen Märkten ebenso, wie im großen Stil u?ber internationale Handelsdrehscheiben. Tiere als Nahrung, als Souvenir, als dubioses „Heilmittel“, als Zeitvertreib. Als strategische Geldquelle, als internationale Handelsware. „Nur wenn sich in diesem Bereich rasch etwas ändert und Maßnahmen zur Eindämmung zoonotischer Viren ergriffen werden, können weitere Pandemien verhindert werden. Wie Jane Goodall sagt, hängt für die Natur alles miteinander zusammen. Und auch wir sind ein Teil davon. Handeln wir endlich nach dem Motto: Schutz für Wildtiere, bedeutet Schutz für uns“, so Diana Leizinger.
Quelle: OTS