Tirol: Gläserne Decken durchbrechen

Unter dem Titel „Frauen in Politik und Gesellschaft: Von gläsernen Decken zu offenen Türen“ stand die politische Teilhabe von Frauen im Fokus.
Copyright: Land Tirol/Dorfmann

„Politik wird immer auch von den handelnden Akteurinnen und Akteuren geprägt. Deshalb ist es essentiell, dass Frauen in politischen Gremien gleichberechtigt vertreten sind“, betont LRin Pawlata.
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Die AutorInnen Andrea Leitner (r.) und Alexandra Weiss (l.) präsentierten den Gleichstellungsbericht Tirol 2024.
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Sarah Dingler erklärte, dass weibliche Abgeordnete sowohl die behandelten Themen als auch die inhaltliche Ausrichtung von Debatten verändern.
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Ines Bürgler und Iris Reichkendler stellten die Maßnahmen des Landes zur Förderung von Gleichstellung vor.
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Bei der abschließenden Gesprächsrunde, v. r.: LRin Eva Pawlata, Sarah Dingler, (Assistenz-Professorin, Institut für Politikwissenschaft Universität Innsbruck), Andrea Leitner (Senior Researcher, Institut für Höhere Studien Wien) und Politikwissenschaftlerin Alexandra Weiss.
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Enquete zur politischen Teilhabe von Frauen
- Zweite Enquete Frauen und Gleichstellung im Landhaus in Innsbruck
- Gleichstellungsbericht Tirol 2024 zeigt vielfältige Unterschiede zwischen Frauen und Männern in Tirol
- Zunahme von Frauen in höherer Bildung und Erwerbstätigkeit – Sorgearbeit und Einkommen weiterhin ungleich verteilt
- Geringer Frauenanteil in Politik hat mit Frage der Vereinbarkeit und Rollenbildern zu tun
- Gleichstellung bleibt politischer Schwerpunkt
Bereits zum zweiten Mal fand heute, Montag, im Großen Saal des Landhauses in Innsbruck die Enquete Frauen und Gleichstellung statt. Unter dem Titel „Frauen in Politik und Gesellschaft: Von gläsernen Decken zu offenen Türen“ stand die politische Teilhabe von Frauen im Fokus. Eingeladen hatte Frauenlandesrätin Eva Pawlata politische EntscheidungsträgerInnen, SozialpartnerInnen, MitarbeiterInnen in Frauen- und Gleichstellungseinrichtungen sowie weitere Interessierte. Bei der Veranstaltung auch wurde der Gleichstellungsbericht Tirol 2024 präsentiert, der sowohl Fortschritte als auch bestehende Herausforderungen beleuchtet. Gleichstellungsrelevante Maßnahmen sind weiterhin ein zentraler Bestandteil aktueller Strategien und Fördermaßnahmen des Landes Tirol. Auch europäische Mittel werden für innovative Projekte im Bereich Gleichstellung eingesetzt.
„Politik wird immer auch von den handelnden Akteurinnen und Akteuren geprägt. Deshalb ist es essentiell, dass Frauen in politischen Gremien gleichberechtigt vertreten sind. Nur so können frauenspezifische Sichtweisen und Interessen angemessen berücksichtigt werden. Der aktuelle Gleichstellungsbericht zeigt, dass wir vom Ziel einer gleichen politischen, sozialen und ökonomischen Teilhabe von Männern und Frauen noch weit entfernt sind, es jedoch auch positive Entwicklungen gibt. Um diese weiter auszubauen und damit Errungenschaften und Gleichstellungsinitiativen nicht wieder verloren gehen, braucht es weiterhin eine starke Gleichstellungspolitik“, betont LRin Pawlata.
Der Gleichstellungsbericht Tirol 2024 schließt an den Bericht von 2016 und stellt die Unterschiede zwischen Frauen und Männern anhand von rund 100 Indikatoren in verschiedenen Lebensbereichen dar. Zusätzlich führten die Autorinnen Andrea Leitner, Senior Researcher mit Schwerpunkt Bildung und Beschäftigung am Institut für Höhere Studien in Wien, und Politikwissenschaftlerin Alexandra Weiss für den Bericht eine Gruppendiskussion mit aktiven PolitikerInnen.
Teilzeit bleibt vor allem Frauensache
Mit rund 51 Prozent bilden Frauen laut dem Bericht die Mehrheit der Tiroler Wohnbevölkerung. Ihre durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei 85 Jahren, während sie bei Männern in Tirol 80 Jahre beträgt.
In den Bereichen Bildung und Beruf lässt sich ein Aufholprozess feststellen. Mit 20 Prozent weisen Frauen mittlerweile einen höheren Anteil von Hochschulabschlüssen auf als Männer (16 Prozent). Allerdings unterscheiden sich die gewählten Ausbildungs- und Berufssparten weiterhin deutlich. Die Erwerbstätigkeit von Frauen ist um rund sechs Prozent gestiegen, dennoch arbeitet mehr als die Hälfte von ihnen in Teilzeit – bei den Männern sind es nur elf Prozent.
Frauen tragen dafür die Hauptverantwortung für die unbezahlte Sorgearbeit: Sie wenden mehr als doppelt so viel Zeit für Haushalt und Familie auf und leisten über 80 Prozent der häuslichen Pflege. Eine ungleiche Verteilung spiegelt sich auch in der Erwerbsarbeit wider: 31 Prozent der Männer, aber nur 18 Prozent der Frauen sind in einer Leitungsfunktion tätig. Der Einkommensunterschied bei vollzeitbeschäftigten Frauen und Männern beträgt 17 Prozent.
Frauenpolitik: Rollenbilder und Strukturen als Barrieren
Bis Ende der 1980er Jahre war im Tiroler Landtag meist nur eine oder gar keine Frau vertreten. Teil der Landesregierung sind Frauen erst seit den 1990er Jahren. Die erste Bürgermeisterin kam in Tirol 1994 ins Amt. Von 2004 bis 2022 stieg der Frauenanteil unter den BürgermeisterInnen von unter einem auf knapp acht Prozent – bei GemeinderätInnen von 14 auf 24 Prozent.
Gründe für den geringen Frauenanteil – vor allem auf Gemeindeebene – sind laut dem Gleichstellungsbericht unter anderem die schwierige Vereinbarkeit von politischem Mandat und Betreuungsarbeit, traditionelle Rollenbilder, männlich dominierte Strukturen sowie eine fehlende soziale Absicherung für amtsführende PolitikerInnen. Als Handlungsempfehlungen definierten die Autorinnen etwa verstärkte Bewusstseinsarbeit, ein besseres Angebot an Kinderbildung und -betreuung, die Einführung einer Quotenregelung sowie mehr Austausch- und Vernetzungsmöglichkeiten.
Sarah Dingler, Assistenz-Professorin im Bereich empirische Geschlechterforschung am Institut für Politikwissenschaft an der Universität Innsbruck, ging in ihrem Referat auf die Art und Weise ein, wie Frauen Politik machen. So verstehen sich weibliche Abgeordnete als Vertreterinnen der weiblichen Wählerschaft und engagieren sich stärker in Plenar- und Ausschussdebatten zu weiblichen Interessen. „Damit verändern sie sowohl die Themen, die behandelt werden, als auch die inhaltliche Ausrichtung“, betont Dingler die Wichtigkeit einer starken weiblichen Präsenz in der politischen Debatte.
Über drei Millionen Euro in drei Jahren
Ines Bürgler, Vorständin der Abteilung Gesellschaft und Arbeit, und Iris Reichkendler, Leiterin des Bereichs Diversität der Abteilung Gesellschaft und Arbeit, stellten im Anschluss an die Fachvorträge die Maßnahmen des Landes zur Förderung von Gleichstellung vor. Mit dem mittlerweile abgeschlossenen „Gleichstellungspaket 2020-2023 – Gleichstellung von Frauen und Männern in Tirol“ wurden über drei Millionen Euro zusätzlich im Rahmen der Zuständigkeit der Abt. Gesellschaft und Arbeit eingesetzt: Dadurch konnten landesweit über 40 Projekte gefördert werden, die einen Beitrag zur Gleichstellung leisten. Zudem wurden im Rahmen des Pakets Lehrgänge gefördert, Studien beauftragt, Sensibilisierungskampagnen durchgeführt, eine neue Auszeichnung (Frauenpreis) ins Leben gerufen, mit der Berufswahlprämie ein zeitlich befristetes Sonderprogramm aufgelegt und die Gewaltpräventionsstelle des Landes Tirol eingerichtet.
Quelle: Land Tirol