Österreich: Herausfordernder Weg zu weiteren Primärversorgungseinheiten
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8. AM PLUS Tagung in Haslach an der Mühl zeigt auf, was bei der Gründung einer PVE nötig ist und wo die Hürden liegen.
Derzeit gibt es in Österreich 65 Primärversorgungszentren, 120 sollen es werden. Sie sind ein wichtiger Eckstein im österreichischen Gesundheitswesen mit vielen Vorteilen für die Patient:innen, wie z.B.: Ärzt:innen und Therapeutinnen unter einem Dach, verlängerte Öffnungszeiten, Wegzeitenersparnis. Unter dem Titel: „Wie kommt man schnell und effizient zu einer Primärversorgungseinheit?“ tauschten sich bei der achten jährlichen Tagung von AM PLUS, der Initiative für Allgemeinmedizin und Gesundheit, in Haslach an der Mühl vom 6. bis 7. Juni PVE-gründungsinteressierte Ärzt:innen und Gemeindevertreter, Vertreter:innen der Ärztekammer, der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK), der Gesundheit Österreich GmbH (GÖG), des Gesundheitspersonals und der Patient:innen aus.
Win-Win-Situation durch PVE
Gesundheitsminister Johannes Rauch verwies in einer Videobotschaft darauf, dass der Bund zur Stärkung des niedergelassenen Bereichs jährlich zusätzliche Mittel in der Höhe von 300 Millionen Euro bis 2028 zur Verfügung stelle. Durch den Aufbau- und Resilienzplan der Europäischen Kommission gebe es für die Stärkung der Primärversorgung in Österreich 100 Millionen Euro bis 2026. Damit werde die Gründung und Weiterentwicklung von PVEs maßgeblich gefördert.
Der Haslacher Bürgermeister Dominik Reisinger sprach von einer „Win-Win-Situation“ für die Gemeinde: Die Patient:innen profitieren durch ein breites Angebot, die PVE-Mitarbeiter durch den Austausch im Team, der Ortskern werde belebt. AM PLUS-Präsident Erwin Rebhandl, Initiator des PVE in Haslach, in dem er sechs Jahre tätig war, hob ebenfalls die Vorteile einer solchen Einheit hervor. Er merkte aber auch an: „Das österreichische Gesundheitssystem ist nicht so auf Primärversorgung orientiert, wie wir es in anderen Ländern erfolgreich sehen.
“ Als problematisch erachtet er, dass die Gemeinden keine gesetzlich verankerte Parteienstellung bei der Gesundheitsversorgung und damit auch keine Mitsprache haben. Die Bevölkerung sieht aber die Bürgermeister:innen und Gemeindevertreter:innen in einer Mitverantwortung für eine gute wohnortnahe Gesundheitsversorgung.
Tipps für Gründung einer PVE
David Wacherbauer von der Gesundheit Österreich GmbH erläuterte, was sich durch die Novelle des Primärversorgungsgesetzes mit 1. August 2023 geändert hat. Etwa, dass für die Gründung einer PVE nicht mehr obligatorisch drei, sondern nur noch mindestens zwei Allgemeinmediziner:innen mit Kassenverträgen nötig sind. Naghme Kamaleyan-Schmied, Allgemeinmedizinerin und Vizepräsidentin der Wiener Ärztekammer, ist gerade dabei, eine PVE zu errichten. Sie verwies auf die Herausforderungen und Hürden. Die Investitionen seien hoch, weil große Immobilien gebraucht werden. Zumindest 300 bis 400 Quadratmeter seien in Wien notwendig. Solche Immobilien seien schwer zu finden. Kolleg:innen, die ebenfalls eine PVE gründen wollen, seien zudem verunsichert, weil noch nicht klar sei, was der bundesweite Gesamtvertrag bringen werde: „Derzeit gibt es ja in jedem Bundesland andere Verträge.“
Weiteres gilt es die Unterschiede hinsichtlich der Haftung und in steuerlichen Fragen zu bedenken, ob die PVE als GmbH oder als OG gegründet wird, führten Kerstin Gabeis und Nikolaus Herdega von der oberösterreichischen Ärztekammer aus.
In Oberösterreich ist die Mehrheit der PVEs eine GmbH, in der Steiermark OGs, bundesweit steht es etwa Fifty-Fifty. Einer der Unterschiede: Bei einer GmbH bedarf es eines Geschäftsführers, bei einer OG nicht.
Österreichweit sind derzeit nur drei Primärversorgungsnetzwerke als Vereine konzipiert, ließ Steuerberater Berthold Kneidinger wissen. Sei eine PVE eher klein, sei eine OG sinnvoller, weil dies steuerrechtlich vorteilhafter sei. Bei hohen Gewinnen sei eine GmbH steuerlich günstiger.
Mit der Leistungshonorierung befasste sich Franz Kiesl von der ÖGK in Oberösterreich: Die Pauschalhonorierung von Leistungen würde zwar den Verwaltungsaufwand reduzieren, wodurch mehr Kapazitäten für Patient:innen zur Verfügung stehen. Allerdings könnte ein Nachteil sein, dass dadurch manche Einzelleistungen nicht mehr aufwandsgerecht abgerechnet werden können. Am sinnvollsten erscheint Kiesl eine Mischung aus Pauschalsystem und einigen Einzelleistungen.
Erwin Rebhandl erläuterte zudem, was man bei der Umsetzung einer PVE nicht tun sollte: Die Idee öffentlich machen, bevor die lokalen Ärzte informiert sind. „Das löst Widerstände aus.“ Trotz Förderungen sollte es kein zu enges finanzielles Konzept geben, Gesundheitsberufe in die Planung, etwa Ausstattung der Räume, nicht einzubinden, sei nicht gut.
Angelika Widhalm vom Bundesverband Selbsthilfe Österreich appellierte abschließend, mehr über Aufgaben, Vorteile und Nutzen von PVEs zu informieren: „Derzeit weiß noch immer nicht jede Österreicher:in, was eine Primärversorgungseinrichtungen ist.“
Quelle: OTS