Innsbruck: Hitler entsorgen. Vom Keller ins Archiv.

Slide background
„Mein Kampf“ von Adolf Hitler, Innsbruck-Ausgabe, Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck. Auf der ersten Seite wünscht Bürgermeister Egon Denz den damit beschenkten neu vermählten Paaren ein „glückliches Leben in deutscher Schicksalsgemeinschaft“.
Foto: Johannes Plattner
Slide background
Puppenwagen, aus einer Wehrmachtskiste mit Raubgut aus Frankreich getischlert. Daneben der Koffer, in dem dieses Objekt dem hdgö von der Besitzer-Familie übergeben wurde.
Foto: Johannes Plattner
01 Feb 22:00 2024 von Redaktion International Print This Article

Was tun mit den Überbleibseln des Nationalsozialismus? Sollten sie entsorgt werden? Ist es vertretbar, sie am Flohmarkt oder im Internet zu verkaufen? Was ist Erinnerung, was Verklärung und was Wiederbetätigung?

von Niko Hofinger

Zu diesen Fragen hat das Haus der Geschichte Österreich (hdgö) letztes Jahr eine erfolgreiche Ausstellung gezeigt und dafür den griffigen Titel „Hitler entsorgen. Vom Keller ins Museum“ gewählt.
Schon mit der Eintrittskarte bekamen BesucherInnen eine Entscheidungskarte und sollten damit die oben genannten Fragen für ein Objekt, das viele von uns im Keller haben könnten, beantworten. Zur Vertiefung des Themas wählte die Ausstellung 14 Objekte mit NS-Bezug, die dem hdgö bei Sammlungsaufrufen übergeben worden waren.
Das Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck zeigt nun eine lokale Fassung dieser Ausstellung. Die Wiener Ausstellung wurde mit eigenen Objekten sowie aus befreundeten Innsbrucker Archiven und Sammlungen erweitert. Der Untertitel für die Ausstellung wurde deshalb ein wenig verändert, weil Archive auch andere Aufgaben haben als ein Museum.

Aus den Augen ins Archiv

Als im Jahr 2022 ein Mitarbeiter des Verfassungsschutzes im Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck nachfragte, ob wir denn Gegenstände mit Hakenkreuzen in unserer Sammlung aufbewahrten, war die einfache Antwort: Ja, viele.
Als Archiv mit dem Anspruch, auch das „Gedächtnis einer Stadt“ zu sein, darf man erst gar nicht versuchen, sich an den unangenehmen Zeiten vorbeizudrücken. In den Akten aus der NS-Zeit haben wir unzählige Dokumente, die eigentlich nur mit einer Warnung oder Erklärung an Forschende ausgegeben werden sollen: Vorsicht, diese Unterlagen sind aus einer menschenverachtenden Haltung heraus entstanden und sie führten zu Entrechtung, Mord, Angriffskrieg und Zerstörung. Glauben Sie nicht alles, was darin steht.
Das Bedürfnis von InnsbruckerInnen, in ihren Kellern oder Dachböden gefundene Objekte aus der Zeit des Nationalsozialismus nicht mehr selbst aufbewahren zu wollen, ist verständlich. Aber was tun damit? Sind nicht Besitz und Weitergabe strafbar? Hier erfüllen wir im Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck die nützliche Funktion einer rechtlichen Blackbox. Sobald Dinge bei uns abgegeben werden, sind sie nicht mehr illegal, sondern werden von uns historisch kontextualisiert und somit ihrer Funktion als „Trophäe“ beraubt. Wenn es zur Stadtgeschichte gehört, wollen wir es.

Was sammelt das Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck und warum?

Im Stadtarchiv Innsbruck wurden früher in erster Linie Baubescheide, Gewerbeanmeldungen und lokale Polizeiangelegenheiten aufbewahrt. So befinden sich natürlich auch alle Innsbrucker Verwaltungsakten aus der Zeit des Nationalsozialismus dort. Diese enthalten zum Beispiel in den Gewerbeakten alle Unterlagen zur „Arisierung“ jüdischer Geschäfte in den Jahren 1938 und 1939. Aber auch Unterlagen zur Aufarbeitung der NS-Zeit nach 1945, wie die „Entnazifizierungsakten“ stehen in unseren Regalen. Dazu kommen hiesige Zeitungen und tausende Bücher zu lokal relevanten Themen.
Das Sammeln von Fotos und Objekten zur Stadtgeschichte ist als Aufgabe des Archivs erst viel später hinzugekommen. Für Ausstellungen im Stadtmuseum sind gerade diese besonders wichtig. Dabei kann es sich um ausgebaute Glasfenster oder nicht mehr benötigte Büsten aus dem städtischen Bereich handeln oder auch um private Fotoalben, Musikinstrumente und Uniformteile. In vielen Fällen haben uns die ÜberbringerInnen dazu auch noch eine Geschichte, die mit der Stadt Innsbruck zu tun hat, erzählt. Manchmal liegen in unseren Akten dann noch weiterführende Informationen, wie zum Beispiel bei der Innsbrucker Ausgabe von „Mein Kampf“, die auch in der Ausstellung zu sehen ist.

Hitlers „Mein Kampf“ entsorgen

Der junge Beamte des Innsbrucker Stadtmagistrats Dr. Alois Lugger (er wurde später für viele Jahre Bürgermeister von Innsbruck) erhielt Anfang 1946 einen heiklen Auftrag der französischen Besatzungsverwaltung: Offenbar befanden sich im Standesamt noch mehr als tausend Exemplare des Buchs „Mein Kampf“, und diese sollten nun endlich entfernt werden. Da in der unmittelbaren Nachkriegszeit alle Ressourcen knapp waren, dachte Alois Lugger
zunächst an die Papierfabrik Wattens; dort könne man doch vielleicht die Bücher recyceln. Nach Übergabe eines Probeexemplars winkte man in Wattens ab, die Qualität sei dafür nicht geeignet. Um die Bücher in ihrer endgültigen Bestimmung doch noch nützlich einsetzen zu können, brachte Alois Lugger sie schließlich zum Heizofen des städtischen Gaswerks; dort wohnte er der Verbrennung der Bücher persönlich bei und meldete den Franzosen mit einiger Verspätung die erfolgreiche Entsorgung.

Das Begleitprogramm zur Ausstellung „Hitler entsorgen. Vom Keller ins Archiv“ finden sich unter: www.innsbruck.gv.at/stadtmuseum



Quelle: Stadt Innsbruck



  Markiert "tagged" als:
  Kategorien: