Österreich: Inflation befeuert Ernährungsunsicherheit - Wiener Tafel befürchtet gesundheitliche und soziale Folgen für betroffene Menschen
Foto: Wiener Tafel_Thomas Topf
Wien (OTS) - Die derzeitigen Teuerungen treffen armutsbetroffene Menschen besonders hart, für viele sind selbst grundlegende Lebensmittel nicht mehr leistbar. Immer mehr Menschen kämpfen mit den steigenden Preisen und müssen sich beim Lebensmittelkauf einschränken. Die Nachfrage bei Hilfsangeboten wie Tafeln oder Lebensmittelausgabestellen steigt weiterhin rasant an. Die Lebensmittelspenden reichen oft nicht, um den wachsenden Bedarf zu decken. Die Wiener Tafel fürchtet schwerwiegende Folgen für betroffene Menschen.
Die Inflation hat im Juli 2022 die höchste Teuerungsrate seit Februar 1975 erreicht. Immer mehr Menschen können durch die Teuerungen ihre Grundbedürfnisse nicht mehr decken. Das betrifft auch vor allem eine ausreichende Versorgung mit Lebensmitteln. Eine Befragung der Statistik Austria zeigt, dass sich hochgerechnet etwa eine halbe Million Menschen keine Hauptmahlzeit jeden zweiten Tag leisten können.(1) Vulnerable und armutsgefährdete Gruppen sind besonders betroffen. Die Unsicherheit, ob genug Geld für Lebensmittel übrigbleibt, rückt jedoch zunehmend in die Mitte der Gesellschaft vor.
Viele müssen erstmals auf Angebote wie Tafeln oder Sozialmärkte zurückgreifen. Manche, die zuvor nur punktuell Unterstützung suchten, sind nun von diesen Hilfsleistungen abhängig. Die Wiener Tafel spürt, wie so viele, die enorme Nachfrage an Lebensmittelhilfen. Da der steigende Bedarf die Kapazitäten der Hilfsangebote zunehmend übersteigt, zeichnet sich ein düsteres Bild: Bei fehlender Unterstützung wird sich die Ernährung betroffener Menschen sowohl quantitativ als auch qualitativ verschlechtern. Alexandra Gruber, Geschäftsführerin der Wiener Tafel, ist besorgt: "Eine vollwertige Ernährung ist grundlegend für ein gesundes Leben. Für immer mehr Personen entscheidet jedoch die finanzielle Lage, nicht Genuss oder Gesundheit, welche Lebensmittel auf den Tisch kommen. Vor allem gegen Ende des Monats wird die Ernährung in betroffenen Haushalten noch einfacher und einseitiger und besteht manchmal nur noch aus Nudeln oder Toastbrot. Der Gesundheitszustand von Menschen in Armut ist dreimal schlechter als bei höheren Einkommen."
Folgen von Ernährungsarmut
Neben psychischen Belastungen und Stress führt Ernährungsunsicherheit auch oft zu Müdigkeit, Schwindel und Energielosigkeit. Besonders Kinder, die keinen gesicherten Zugang zu Lebensmittel haben, werden in ihrer Entwicklung beeinträchtigt, leiden unter Schlafstörungen und können sich in der Schule nicht konzentrieren. Ein durch mangelhafte Ernährung geschwächtes Immunsystem ist darüber hinaus anfälliger für Krankheiten und Infektionen. Menschen mit niedrigem Einkommen sind außerdem gefährdeter, ernährungsbedingte Krankheiten, wie etwa Diabetes, zu entwickeln.(2)
Ernährungsunsicherheit beeinflusst alle Lebensbereiche der Menschen, wie Alexandra Gruber weiß: "Essen hat in unserer Gesellschaft einen hohen Stellenwert. Dabei geht es nicht nur um das leibliche Wohl, sondern auch um soziale Teilhabe. Ernährungsarmut bedeutet, dass man nie für Freund:innen kochen, nie mit der Familie auf ein Eis gehen oder den Kindern eine Geburtstagstorte backen kann. Das ist für alle Beteiligten sehr belastend und führt zu einer sozialen Ausgrenzung der Betroffenen."
Die Wiener Tafel versorgt etwa 20.000 Menschen in rund 100 Sozialeinrichtungen kostenlos mit geretteten Lebensmitteln. Doch erhöhte Preise für Miete, Erhaltungskosten der Lagerräume und Benzin für die Lieferautos belasten den Verein zunehmend. Daher ist die Wiener Tafel im Moment besonders auf Unterstützung angewiesen. Die Wiener Tafel sieht auch die Politik in der Verantwortung, die steigende Ernährungsunsicherheit aktiv zu bekämpfen, da zu befürchten ist, dass sich sonst immer mehr Menschen das tägliche Leben nicht mehr werden leisten können. Generell sehen sich Organisationen wie die Wiener Tafel als Ergänzungsangebot. Es bleibt Aufgabe des Staates, kluge gesundheits- und sozialpolitische Maßnahmen zu setzen, um Menschen vor Armut zu schützen und zu ermöglichen, dass sich alle Menschen in Österreich ausgewogenen und gesund ernähren können.
Literaturhinweis:
(1)Bundesministerium für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz (BMSGPK) (Hg.); So geht’s uns heute: die sozialen Krisenfolgen im ersten Quartal 2022, 2022.
(2)https://www.ots.at/redirect/diabetesde
Quelle: OTS