Land NÖ fördert das Projekt NS-„Volksgemeinschaft“ und Lager im Zentralraum Niederösterreich
LH Mikl-Leitner: Wir müssen auch die Schattenseiten unserer Vergangenheit aufarbeiten
Die Präsenz von Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern und deren Lager und Behausungen gehörten ab 1940 bis zum Kriegsende zur alltäglichen Wahrnehmung der lokalen Bevölkerung. Heute sind die meisten ehemaligen NS-Lager aber aus dem kollektiven Gedächtnis und der lokalen Erinnerungskultur verschwunden. Viele Lagerstandorte sind nicht oder kaum mehr erkennbar, da sie abgetragen, überbaut oder umgestaltet wurden. Das Forschungsprojekt „NS-´Volksgemeinschaft´ und Lager im Zentralraum Niederösterreich“ beschäftigt sich daher mit der Geschichte der Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter und deren Lager und Behausungen in Niederösterreich. Das Land Niederösterreich unterstützt dieses Projekt mit rund 400.000 Euro. „Es ist für das Land Niederösterreich von enormer Wichtigkeit auch die Schattenseiten unserer Vergangenheit aufarbeiten zu lassen. Dadurch sollen Themen, wie eben auch die NS-´Volksgemeinschaft´ oder auch die Zwangslager, die vielleicht sogar in der eigenen Heimatgemeinde waren, wieder in das Bewusstsein der Menschen gerückt werden“, betont Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner.
Ziel des Projekts ist es, bisher unbekannte und weitgehend unerforschte Lager in Niederösterreich zu untersuchen. Im Zentrum der Untersuchung stehen dabei auch die vielfältigen Interaktionen zwischen den Lagern und ihren Umgebungen und Interaktionen zwischen Inhaftierten und den im Umland lebenden Menschen.
Koordiniert wird das Projekt vom Institut für jüdische Geschichte Österreichs in St. Pölten. Zu den Projektpartnern zählen unter anderem die Donau-Universität Krems, das Wiener-Wiesenthal-Institut für Holocaust-Studien oder auch das Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich. „Zum historischen und kulturellen Erbe des niederösterreichischen Zentralraums um St. Pölten, Krems, Melk und Tulln zählen nicht nur Klöster und Schlösser, sondern auch mindestens 60 Lager und lagerähnliche Einrichtungen, in denen in der NS-Zeit von der ´Volksgemeinschaft´ Ausgegrenzte und Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter aus ganz Europa untergebracht waren“, so die Leiterin des Instituts für jüdische Geschichte Österreichs und Projektleiterin Dr. Martha Keil.
Wesentliche Teile des Forschungsprojekts werden intensiv von Citizen Science-Aktivitäten begleitet. Fast ein Drittel der gesamten geplanten Aktivitäten fallen dafür an. Dazu gehört die aktive Einbindung der Bevölkerung (sogenannten „Citizen Scientists“) in das Projekt. So sollen die Bürger unter anderem in Interviewtechniken eingeführt werden um im Bekanntenkreis Zeitzeugen zu befragen oder auch nach visuellen Spuren unterschiedlicher Lager suchen, indem sie sich im privaten Umfeld umhören oder auch Gemeindearchive durchsuchen.
Als weitere Wissenschaftsvermittlungsaktivitäten sind Veranstaltungen, Stadtführungen und Publikationen geplant. „Ziel ist es auch, materielle Überreste, bildliche und schriftliche Quellen sowie im Familiengedächtnis tradierte Erzählungen nachhaltig zu sichern. Für die Angehörigen und Nachkommen der ehemaligen Internierten wird das Projekt eine Anlaufstelle für ihre Fragen sein“, erläutert Dr. Martha Keil.
Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner betont die Wichtigkeit von Citizen Science-Aktivitäten in Forschungsprojekten: „Wir haben in unserer Forschungs-, Technologie- und Innovationsstrategie klar verankert, dass wir verstärkt auf Citizen Science-Aspekte in Forschungsprojekten setzen wollen. Dieses Projekt ist dafür ein best-practice-Beispiel, da die Menschen in Niederösterreich sich direkt beteiligen können.“
Quelle: Land Niederösterreich