Innsbruck: Leben und Alltag in ehemaliger Bocksiedlung
Foto: IKM/Dullnigg
Freiluftausstellung zur Spurensuche im Stadtteil Reichenau
Im Bereich Gumppstraße, Langer Weg und Andechsstraße befand sich die ehemalige Bocksiedlung. Beengte Wohnverhältnisse und schwierige Lebensbedingungen brachten den BewohnerInnen, den sogenannten „Bockala“, einen schlechten Ruf ein. Die neue Freiluftausstellung „Legendär: Die Bocksiedlung“ in der Grünanlage Egerdach in der Egerdachstraße beleuchtet das Leben in der von Armut gezeichneten Siedlung.
„Die Ausstellung hält ein Stück Stadtgeschichte fest und ist besonders für den Stadtteil Reichenau auch ein wesentlicher Teil der Identität. Ich lade alle dazu ein, durch die Grünanlage Egerdach zu spazieren und mehr über die unkonventionelle Siedlung zu erfahren“, unterstreicht Stadträtin Mag.a Uschi Schwarzl. „Auch wenn von der Siedlung heute nichts mehr übrig ist, lebt sie in den Geschichten und Erinnerungen der Nachfahren weiter“, ergänzt Dr.in Isabelle Brandauer, Leiterin des städtischen Kulturamts.
In Kooperation mit Studierenden der Europäischen Ethnologie an der Universität Innsbruck unter der Leitung von Univ.-Prof.in Dr.in Silke Meyer sowie Mag.a Heidi Schleich, die bereits ein Buch über die Bocksiedlung veröffentlichte, und dem Amt für Grünanlagen wird die Geschichte der Bockiedlung an neun Stationen erzählt. „Wir möchten uns besonders für die gelungene Zusammenarbeit bedanken. Gemeinsam ist es uns gelungen, viele spannende Aspekte der Siedlung zusammenzutragen und festzuhalten“, freuen sich der Leiter sowie die Projektverantwortliche vom Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck, DDr. Lukas Morscher und Mag.a Renate Ursprunger.
Legendär
Die Siedlung bestand aus ehemaligen Wohnwagen und einfachen Hütten. Entstanden war sie Anfang der 1930er Jahre aus purer Not, denn der Stadt fehlte es an Wohnungen, die Weltwirtschaftskrise stürzte viele Menschen in die Armut. Aus diesem Grund siedelte sich eine kleine Gruppe von Menschen am damals weitgehend unerschlossenen östlichen Stadtrand von Innsbruck an. „Die ,Bocksiedlung‘ ist zwar nicht die einzige Siedlung dieser Art, hierzulande aber die legendärste. Ihren Bewohnerinnen und Bewohnern schrieb man meist unkonventionelle Umgangs- und Lebensweisen zu. Vor allem aber gab es eine gewisse Art der Lebensfreude, die für Geld nicht zu haben ist. Von Nachbarschaftshilfe, Zusammenhalt und von gegenseitiger Unterstützung wird oft erzählt“, weiß Schleich.
Namensgebend war der durchsetzungsstarke Johann Bock (1900 bis 1975), der als inoffizieller „Bürgermeister“ des Viertels agierte. Als die Stadt Innsbruck Ende der 1950er Jahre die Absiedlung der „Bockala“ in städtische Wohnungen in Angriff nahm, war er es, der die Verhandlungen mit dem damaligen Innsbrucker Bürgermeister DDr. Alois Lugger führte. „Durch den verheerenden Brand 1963 wurden Teile der Siedlung zerstört. Die meisten Bewohnerinnen und Bewohner wurden daraufhin in Wohnungen in Pradl, in der Reichenau oder im Pradler Saggen umgesiedelt“, erklärt Meyer, die gemeinsam mit den Studierenden die Texte der Stationen verfasste.
Frei zugänglich
Interessierte können die Ausstellung jederzeit in der Grünanlage Egerdach besuchen. Zusätzlich werden laufend auf dem Fotoblog des Stadtarchiv/Stadtmuseum Innsbruck online unter www.innsbruck-erinnert.at historische Bilder der Bocksiedlung veröffentlicht. AD
Quelle: Stadt Innsbruck