Graz: Neue "Stolpersteine" gegen das Vergessen
Gedenksteine am Joanneumring und in der Mandellstraße verlegt
Diese Stolpersteine erinnern an das Schicksal von Menschen, die in der NS-Zeit vertrieben, deportiert, in den Selbstmord getrieben oder ermordet wurden: Die in Messing eingefassten Steine sind so verlegt, dass niemand wirklich ins Stolpern gerät, doch ihre Auffälligkeit sticht ins Auge. insgesamt 253 Stolpersteine an 93 verschiedenen Stellen sind derzeit in Graz zu finden und sie alle tragen die Namen und Lebensdaten der Opfer, an die sie erinnern sollen.
Heute, 15. Juni 2022, wurden weitere zwei Gedenksteine in zwei feierlichen Akten verlegt: Am Joanneumring 16 wurde der Widerstandskämpferin Anka Edlinger gedacht; zu diesem Ereignis waren Nachfahren der Grazerin gekommen, unter ihnen eine Enkelin, die aus Wien angereist war. In der Mandellstraße 4 stand die Familie Weber/Gogg im Mittelpunkt des Gedenkens, an dem zahlreiche Angehörige teilnahmen, eine Nachfahrin war dazu extra aus den USA gekommen.
Die Angehörigen wurden von Bürgermeisterin Elke Kahr und Vizebürgermeisterin Judith Schwentner im Rahmen eines Empfanges im Rathaus begrüßt. "Die Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus ist wichtig, nicht nur, damit diese Menschen nicht vergessen werden, sondern das Erinnern fördert auch das Wissen über die historischen Ereignisse und ermöglicht Begegnung und Austausch", betonte Bürgermeisterin Elke Kahr. Gemeinsam mit ihrer Stellvertreterin Judith Schwentner bedankte sie sich bei allen Personen, die historisches Gedenken ermöglichen, aber in diesem Falle besonders bei Daniela Grabe, die mit ihrem "Verein für Gedenkkultur" für die Organisation der zahlreichen Gedenkstein-Verlegung sorgt.
Joanneumring 16: Gedenkstein für Anka Edlinger
Die 1892 geborene Fremdsprachenkorrespondentin und Hausverwalterin Anka Edlinger war in der NS-Zeit im politischen-kommunistischen Wiederstand, weswegen sie verhaftet und nach Ravensbrück deportiert wurde. Nach ihrer Befreiung im Jahr 1945 kehrte sie nach Österreich zurück, wo sie wieder als Hausverwalterin am Joanneumring 16 arbeitete. Sie starb im 89. Lebensjahr in Graz.
Mandellstraße 4: Gedenksteine für die Familie Pollak/Weber/Gogg
Die gebürtige Berlinerin und spätere Grazerin Frida Pollak, geboren 1876, lebte mit ihren drei Kindern in Graz. 1939 flüchtete sie über Italien nach Frankreich, wo sie interniert, nach Auschwitz deportiert und vermutlich unmittelbar nach der Ankunft ermordet wurde.
Eines der drei Kinder von Frida und Adolf Pollak war Ilse Cäzilie Weber: Sie war Angestellte und heiratete 1934 Alois Weber/Gogg. Ihren 1936 geborenen Sohn Peter Gotthilf Gogg musste sie während der Zeit des Nationalsozialismus zu seinem Schutz nach Schweden schicken. Sie selbst flüchtete über Opatija nach Nizza weiter in die Schweiz. Nach 1945 übersiedelte die Familie in die USA, wo heute noch eine Enkelin der Familie lebt. Diese Angehörige war zur Verlegung des Grenzsteines extra nach Graz gereist, ebenso wie ihre zwei Schwestern, die zwar in den USA geboren sind, aber mittlerweile in Graz leben. Der Vater der Familie war Alois Weber, der als Kind von einem Ehepaar namens Gogg adoptiert wurde; er war Kapellmeister und Lehrer am Grazer Konservatorium. Nach der Heirat mit Ilse Pollak konvertierte er zum Judentum. 1939 flüchtete er nach Italien und 1941 in die USA, wo er als Musiker tätig war. Alois Weber änderte seinen Namen in den USA in Milton F. Weber, er verstarb im Jahr 1968.
Weitere Verlegungen von Stolpersteinen im Jahr 2022 in Graz:
Mittwoch, 7.9.2022 ca. 14:30 Kaiserfeldgasse 21 und Lazarettgürtel 77 für die jüdische Familie Lang/Stern ca. 16:00 Karlauer Gürtel 20a, für Rupert Heider (Opfer der Zeugen Jehovas) und ca. 16:45 Neuverlegung der durch Schneepflug beschädigten Stolpersteine für die Familie Silberstein am Kapistran-Pieler-Platz
Oktober 2022Für der Schule verwiesene jüdische Schüler:innen der HAK Grazbachgasse; das Datum der Veranstaltung ist noch offen.
Quelle: Stadt Graz