Niederösterreich: Neugestaltung des Zeitgeschichte-Bereichs im Haus der Geschichte
Museum Niederösterreich präsentiert „Lebenswege in der Diktatur“
Nach vierjähriger Laufzeit wurde der zeitgeschichtliche Bereich der permanenten Ausstellung im Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich in St. Pölten überarbeitet. Der Themenbereich „Im Gleichschritt – ausgelöscht“ konnte dabei um zahlreiche Objekte und Grafiken erweitert werden, von denen einige in Österreich zum ersten Mal zu sehen sind.
„Der Gürtel von Walter Fantl-Brumlik ist zweifellos das bekannteste Exponat im erneuerten Bereich der Dauerausstellung“, erklärt dazu Christian Rapp, wissenschaftlicher Leiter des Hauses der Geschichte im Museum Niederösterreich: Der aus Amstetten stammende Walter Fantl-Brumlik überlebte das KZ Ausschwitz-Birkenau, der Gürtel war in dieser Zeit sein Talisman. Solange er ihn besitze, meinte Fantl, könne ihm nichts passieren.
Darüber hinaus ist es etwa gelungen, den Rucksack, mit dem der Sohn eines jüdischen Kaufmanns 1938 nach Palästina flüchten konnte, in die Ausstellung aufzunehmen. Erstmals gezeigt werden auch das brutale Besatzungsregime der deutschen Wehrmacht in Ost- und Südosteuropa dokumentierende Zeichnungen von Wladimir Gubenko, der als Kind die deutsche Eroberung von Brest-Litowsk miterlebte.
„Wir haben aber auch für andere Opfergruppen des Nationalsozialismus beispielhafte Biographien recherchiert, die mit Fotografien, Objekten und Dokumenten dargestellt werden. Etwa die eines Hilfsarbeiters aus Wien, der aufgrund seiner sexuellen Orientierung im KZ Mauthausen inhaftiert wurde und dort ums Leben kam, oder die einer psychisch kranken Frau aus Amstetten, die in der Tötungsanstalt Hartheim ermordet wurde“, meint Rapp.
Unter dem Motto „Lebenswege in der Diktatur“ entstand so ein Forum mit 15 Biographien von Personen, die während der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt wurden, Es soll zur Diskussion und Reflexion über die zentralen Themen des Ausstellungsbereichs und den Umgang der Nachkriegsgesellschaft mit den Opfern des NS-Regimes anregen. „Der Themenbereich ist jetzt wesentlich schlüssiger geworden. Es werden die gesellschaftlichen Fehlentwicklungen deutlicher erkennbar, aber auch die Brüche in vielen Biographien der Zeit. Wesentlich ist uns auch, die Vielfalt an Opfergruppen der NS-Zeit deutlich zu machen und deren oft jahrzehntelang verschleppte Anerkennung“, sagt Rapp.
Die Neupräsentation der Zeit zwischen 1918 und 1945 im Haus der Geschichte setzt mit der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg ein, als wichtige Herausforderungen wie etwa der Kampf um die Grenzen oder die schwierige Versorgung der Bevölkerung gemeistert werden konnten. Auch die Einführung einer modernen Verfassung und die Sozialgesetzgebung waren ein Erfolg. Und doch blieb das politische Klima in der Ersten Republik stark vergiftet. Für den Aufbruch der 1920er-Jahre stehen u. a. ein frühes Radiogerät und die Klarinette von Ludwig Wittgenstein, die dieser als Lehrer im südlichen Niederösterreich verwendet hat. Der Großteil des Ausstellungsbereiches ist freilich dem Nationalsozialismus und dem Zweiten Weltkrieg gewidmet.
Am Freitag, 22. Oktober, wurde nun mit einem Zeitzeugen-Forum „Erzählte Geschichte“ der neu gestaltete Ausstellungsbereich eröffnet; parallel dazu wurde auch am Wohnhaus der Familie Fantl in Bischofstetten eine Gedenktafel enthüllt.
Öffnungszeiten des Museums Niederösterreich: Dienstag bis Sonntag bzw. Feiertag von 9 bis 17 Uhr; nähere Informationen unter 02742/908090-910, Roland Sandhofer, und e-mail [email protected] bzw. www.museumnoe.at.
Quelle: Land Niederösterreich