Kärnten: Opferschutz: Kärnten zeigt Verantwortung
Foto: LPD Kärnten/Dietmar Wajand
LH Kaiser, LHStv.in Prettner, LR Gruber: Unrecht kann nicht ungeschehen gemacht werden - Müssen alles tun, damit derart abscheuliche Taten nicht mehr passieren - Appell an alle hinzusehen
Klagenfurt (LPD). Das Unrecht der Ereignisse rund um den so genannten „Fall Wurst“ kann nicht ungeschehen gemacht werden, aber das Land Kärnten zeigte und zeigt weiterhin Verantwortung. Die Einrichtung der Unabhängigen Opferschutzkommission hatte zum Ziel, den Betroffenen die größtmögliche Unterstützung und Hilfe zu geben und wird weiter fortgeführt. Bisher wurden 244 von Missbrauch betroffene Menschen mit rund 2,8 Millionen Euro entschädigt. Heute, Samstag, fand dazu im Spiegelsaal der Landesregierung eine Pressekonferenz mit Gesundheits- und Sozialreferentin LHStv.in Beate Prettner, Landesrat Martin Gruber sowie Kinder- und Jugendanwältin Astrid Liebhauser statt. LH Peter Kaiser nahm krankheitsbedingt virtuell teil.
„Das Land Kärnten zeigt Verantwortung, das ist das Mindeste, was ein Land, unter dessen Namen vor Jahrzehnten schier Unglaubliches geschehen ist, machen soll“, sagte der Landeshauptmann. Die Ereignisse rund um den Fall Wurst würden unglaublich betroffen machen und seien aus heutiger Sicht fast nicht erfassbar. „Es ist nahezu unbeschreiblich, welches Leid welcher Schmerz unzähligen Opfern zugefügt wurde. Ich weiß, dass diese Menschen ein Leben lang gezeichnet sind und dieses Leid immer in sich tragen werden ohne es jemals loswerden zu können“ so Kaiser. Das Unrecht könne nicht ungeschehen gemacht werden. „Aber was wir tun können, tun wir, haben wir getan und werden es auch weiterhin tun. Nämlich, dass wir alles daransetzen, dass solche schlimmsten Vorgänge sich nie und schon gar nicht im Einflussbereich des Landes Kärnten wiederholen können.“
Daher seien - im Jahr 2013 beginnend - eine Reihe von Schritten gesetzt worden, die einerseits darstellen sollen, dass sich das Land seiner Verantwortung bewusst sei und andererseits sehr deutlich Verantwortungsübernahme signalisieren sollen. Mit dem Landesakt im Jänner 2020 sei unter dem Titel „Geste der Verantwortung“ bereits unter dieser Koalition Verantwortungsübernahme seitens des Landes gegenüber den Gewaltopfern deutlich gemacht worden. „Ich habe mich namens des Landes Kärnten dafür entschuldigt, dass es unter den Auspicien des Landes Kärnten, aber auch durch gesellschaftliches Wegsehen dazu kommen konnte, dass dieser Missbrauch fast systematisch durchgeführt wurde“, sagte der Landeshauptmann.
Eine weitere richtungsweisende Maßnahme sei auch der Versuch gewesen, diese Geschehnisse im Rahmen eines Symposions an der Alpen-Adria-Universität, aufzuarbeiten. Diese wissenschaftliche Aufarbeitung durch Professorin Ulrike Loch sei auch als Publikation öffentlich gemacht worden. Außerdem gebe es eine Theaterproduktion am Stadttheater Klagenfurt mit dem Stück „Nicht sehen“ (Premiere am 7.4.2022). „Dort wird auch in einer künstlerischen Auseinandersetzung auf der Ebene der Kultur versucht, diese Dinge aufzuarbeiten, vorallem aber auf das kollektive Wegsehen bedeutender Teile der Gesellschaft hinzuweisen“, informierte Kaiser.
„Mit dem Opferfonds, mit der Geste des Vergessens, mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung und der kulturpolitischen Auseinandersetzung kann keinem Opfer wirklich das Geschehene unvergessen gemacht werden, aber es soll zeigen, dass das Land sich seiner Verantwortung bewusst ist. Und was uns alle einen muss, ist das Bemühen, nie mehr so etwas zuzulassen und zu ermöglichen. Verstehen sie das auch als ein Versprechen des Landes Kärnten“, betonte der Landeshauptmann.
„Wir alle, die mit diesen Fällen zu tun haben, sind zutiefst betroffen und wir wollen, dass so etwas nie wieder in Kärnten passiert. Das ist unser Auftrag, das ist unsere Verpflichtung und das nehmen wir auch sehr ernst“, betonte LHStv.in Prettner. Denn es handle sich um verletzliche Kinderseelen, die ein Leben lang nicht mehr heilen können.
„Deshalb haben wir schon in der Vergangenheit begonnen Gegenmaßnahmen zu setzen“, so Prettner. 1993 sei die Kinder-und Jugendanwaltschaft eingerichtet worden, mit dem Auftrag weisungsfrei und nur dem Kindswohl verpflichtet zu handeln, aufzudecken und Maßnahmen zu setzen. Innerhalb der Abteilung sei die Fachaufsicht dahingehend ausgerichtet worden, dass es regelmäßige Kontrollen gibt, überwiegend im Vier-Augen-Prinzip. Mit den zu betreuenden Kindern und Jugendlichen würden Einzelgespräche geführt, damit Probleme frühzeitig erkannt werden.
Im Bereich Kinderschutz seien Maßnahmen gesetzt worden, so gebe es mittlerweile in Kärnten drei Kinderschutzzentren und auch Kriseninterventionszentren. „Seit Jahren werden mobile Betreuungsmaßnahmen massiv ausgebaut, wie Familienintensivbetreuungen, ambulante Betreuungen, Familienrat, mobiler Krisendienst, Familiencoaching etc. Damit unterstützen wir Familien vor Ort“, so Prettner. Außerdem verfüge Kärnten als einziges Bundesland über einen eigenen Kinderschutzbeauftragten. Hingewiesen hat Prettner auch auf das 2013 eingeführte Kinder- und Jugendhilfegesetz, das darauf abzielt, jedes Vergehen zur Anzeige zur bringen. Außerdem erwähnte die Gesundheitsreferentin auch die Frühen Hilfen, die bereits in der Schwangerschaft ansetzen, um hier vorbeugend zu wirken. Ein weiteres Pilotprojekt unter dem Namen „Gut begleitet“ sei derzeit in Umsetzung.
Auch mit den Schulen werde eng zusammengearbeitet und es seien Schulsozialarbeiterinnen und –arbeiter installiert worden, um zum Wohle der Kinder zu agieren und ein gutes Aufwachsen zu ermöglichen. Gute Tradition seien auch die bemerkenswerten Kinderschutztagungen mit Expertinnen und Experten, um das Kindeswohl in den Mittelpunkt zu setzen.
LR Gruber betonte, dass der Opferschutz ein hochsensibles Thema sei, dass weniger Worte, aber sehr klarer Taten bedarf: „Klare Taten, wenn es darum geht, erlittenes Leid anzuerkennen und zu lindern, sowie Missbrauch in Zukunft mit allen Kräften zu verhindern.“ Denn wahre Solidarität einer Gesellschaft würde sich am Umgang mit den Schwächsten messen. Als Zukunftskoalition habe man daher klaren Worten auch konsequente Taten folgen lassen – mit der Einrichtung der Unabhängigen Opferschutzkommission 2019 und des Opferfonds 2020. Herzlich gedankt hat Gruber dem Team rund um Astrid Liebhauser für die intensive, verantwortungsvolle und belastende Arbeit. Das Land Kärnten sei in der Vergangenheit seiner Verpflichtung und Verantwortung in Hinblick auf eigene Einrichtungen nicht nachgekommen.
„Mich als Mitglied des Fondskuratoriums erschüttern die geschilderten Fälle persönlich tief und machen mich auch fassungslos. Wir können diese Verfehlungen der Vorgängerregierungen nicht ungeschehen machen, aber als offizielle Vertreter Kärntens können wir heute Verantwortung übernehmen und uns bei den vielen, denen Unrecht wiederfahren ist, entschuldigen, wie wir das auch 2020 schon gemacht haben.“ Die wichtigste Verantwortung würde aber darin liegen, zu verhindern, dass In Zukunft noch einmal solches Unrecht geschieht. „Deshalb haben wir auch alles daran zu setzen, dass durch eine breite Sensibilisierung und effiziente Kontrollen, solche blinden Flecken für immer der Vergangenheit angehören. Nie wieder muss dabei die Prämisse sein.“
Es sei eine Frage der Zivilcourage von jedem von uns, für andere Menschen einzutreten, wenn Unrecht geschieht: „Hinsehen statt wegsehen, ansprechen statt schweigen - nehmen wir unsere Verantwortung wahr.“
„Wir haben die Unabhängige Opferschutzkommission eingerichtet, die zum Ziel hat, den Betroffenen die größtmögliche Unterstützung und Hilfe zu geben“, so Liebhauser. Die erste Periode sei von 2013 bis 2015 gelaufen. „Zumal sich aber weiterhin Personen an die Opferschutzstelle richteten, wurde auf Veranlassung der Politik die Opferschutzkommission 2019 reaktiviert“, berichtete Liebhauser.
Wer in einer Einrichtung des Landes (Heim, Landeskrankenhaus) oder in einer Pflegefamilie untergebracht war und dem Gewalt widerfahren ist, könne sich bei der Opferschutzstelle melden. Dort würden nach einem Erstgespräch, Unterlagen eingesehen und dann ein Clearinggespräch mit Psychologen geführt. „Jeder Fall werde individuell besprochen, die Auszahlung erfolgt nach den Klasnic-Richtlinien und bewegt sich zwischen 1.000 und maximal 25.000 Euro.“ Rechtsanspruch bestehe keiner. Zusätzlich gebe es Psychotherapeutische Hilfestellungen im Ausmaß von maximal 30 Stunden. Außerdem sei eine Heimopferrente installiert worden.
„Im Namen aller Opfer möchte ich dem Land Kärnten dafür danken, dass es eindrucksvoll Verantwortung übernimmt. Es ist wichtig, dass ihnen nun endlich geglaubt wird und dass sie darüber sprechen können“, sagte die Anwältin.
(I N F O: Opferschutzstelle des Landes in der KIJA Kärnten, Tel: 050 536 57132, [email protected], https://kija.ktn.gv.at/Opferschutzstelle/Uebersicht)
Quelle: Land Kärnten