Wien: Polizei und Versammlungen - gesundheitsbehördliche Expertise für polizeiliche Entscheidungen wichtig
In den vergangenen Wochen und Monaten fanden eine Vielzahl an Versammlungen in Wien statt. Dass sich aber nun – in der bisher schlimmsten Phase der Pandemie – weiterhin viele Menschen ansammeln können, während überall sonst erhebliche persönliche Opfer im Sinne der Anti-Corona-Maßnahmen zu erbringen sind, stößt berechtigter Weise auf Unverständnis in der Bevölkerung.
Bei einem heutigen Treffen von Vertretern des Gesundheitsministeriums, der Stadt Wien und Landespolizeipräsident Gerhard Pürstl hat sich herausgestellt, dass die Gesundheitsbehörden Ansammlungen großer Menschenmengen aus epidemiologischen, also gesundheitspolizeilichen Gründen jedenfalls an diesem Wochenende nicht vorab unterbinden werden.
Polizei bekräftigt Standpunkt
In dieser Thematik bekräftigt Pürstl den Standpunkt der LPD Wien: "In der aktuellen, höchst kritischen Phase der Pandemie sollten große Menschenansammlungen generell bereits im Vorhinein durch die Gesundheitsbehörden unterbunden werden, auch wenn dies einen Eingriff in das Versammlungsrecht mit sich bringt." Dafür bestehen auch entsprechende gesetzliche Grundlagen.
"Kritik an einem derart invasiven Eingriff in ein Grundrecht ist selbstverständlich legitim und in einer freien demokratischen Gesellschaft auch notwendig", stellt Pürstl klar. Dennoch habe die Gesundheit der Bevölkerung und die Bekämpfung der Pandemie in der derzeitigen Krise oberste Priorität.
Die Menschenrechtskonvention unterstreicht diesen Zugang: Die Ausübung dieser Rechte darf keinen anderen Einschränkungen unterworfen werden als den vom Gesetz vorgesehenen, (…) die im Interesse (…) des Schutzes der Gesundheit (…) notwendig sind. (vgl. Art. 11, Abs. 2 EMRK)
Vertreter des Magistrats eingeladen
Am kommenden Wochenende wird es erneut einige Versammlungen von Maßnahmenkritikern geben. Es wurde aus diesem Grunde ein Gesundheitsexperte des Magistrats in den Führungsstab des polizeilichen Einsatzes eingeladen, um vor und während den Versammlungen die epidemiologische Expertise und gesundheitspolizeiliche Lageeinschätzung direkt einholen zu können. Diese Expertise soll dem polizeilichen Einsatzleiter bei den notwendigen Entscheidungsfindungen unterstützen. Die Stadt Wien hat die Entsendung eines Vertreters bereits zugesagt.
Auflösen multipliziert Risiko
Neben der rechtlichen Diskussion ist für den Polizeipräsidenten auch ein praktischer Aspekt unbedingt zu beachten: "Haben sich einmal hunderte, tausende Menschen angesammelt, sind aus gesundheitlichen Gründen derzeit alle nun kurzfristig möglichen Maßnahmen der Polizei ungeeignet bzw. unvertretbar." Denn: Das mögliche Auflösen der Menschenmenge durch eine Vielzahl an Polizisten würde das Ansteckungsrisiko für alle Beteiligten – nicht zuletzt der Beamtinnen und Beamten – multiplizieren. Darüber hinaus stellt sich natürlich immer die Vorgabe der Verhältnismäßigkeit des polizeilichen Einschreitens.
Abschließend stellt Polizeipräsident Gerhard Pürstl erneut klar: "Die Polizei kämpft seit Monaten unermüdlich mit vielen anderen Organisationen gegen die Ausbreitung des Virus. Dennoch ist die Polizei verpflichtet und entschlossen, rechtskonform zu handeln und wird dieses Gebot auch während der Corona-Krise nicht außer Acht lassen."
Quelle: LPD Wien