Wien: QWIEN ist Zentrum für Queere Stadtgeschichte Wien
Ramperstorffergasse 39 neuer Standort
Um der queere Stadtgeschichte mehr Raum zu ermöglichen, plant der Verein QWIEN einen Standortwechsel. Mit den Räumen der ehemaligen Druckerei Walla konnte für QWIEN neu ein zukunftsfähiges Objekt in der Ramperstorffergasse 39 gefunden werden, das nicht nur ein kultureller Meilenstein für den Bezirk Margareten sein soll, sondern queere Kultur und Geschichte sichtbar in der ganzen Stadt verankert. QWIEN wird durch die Neuaufstellung und Neupositionierung zu einem auch international von Tourist*innen und Forschenden wahrgenommenen Leuchtturmprojekt für die Diversität der Stadt Wien.
Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr: „Mit dem bevorstehenden Standortwechsel und Ausbau gelingt es QWIEN die bisherigen Aktivitäten weiter zu führen und zu erweitern. Es wird vor allem sichergestellt, dass die immer schon vielschichtige queere Geschichte Wiens erforscht und gemeinsam mit der bunten queeren Gegenwart unserer Stadt erhalten und zugänglich gemacht wird – und das auf einem im internationalen Vergleich hervorragenden qualitativen und quantitativen Niveau.
„Durch die Neupositionierung des QWIEN in der Ramperstorffergasse setzen wir ein starkes Zeichen für die Sichtbarkeit und Anerkennung der queeren Geschichte und Kultur in Wien", betont Kultur- und Wissenschaftsstadträtin Veronica Kaup-Hasler. „Die substanzielle Erweiterung bietet nicht nur bessere Arbeitsbedingungen für die wissenschaftliche Aufarbeitung, sondern schafft mit Veranstaltungen und wechselnden Ausstellungsformaten auch ein - in Österreich einzigartiges - wichtiges neues Zentrum für die Community.“
Andreas Brunner und Hannes Sulzenbacher, Co-Leiter des Zentrum QWIEN: „Mit dem neuen Standort schließen wir in die internationale Liga queerer Archive und Museen auf. Berlin hat das ‚Schwule Museum‘, Amsterdam mit dem ‚IHLIA LGBTI Heritage‘ die älteste und größte Institution dieser Art, aber mit dem neuen Standort wird auch Wien ein sowohl nach innen wirkendes als auch touristisch interessantes Landmark bekommen. Denn,“ so Brunner und Sulzenbacher weiter, „der neue Standort gibt uns auch die Möglichkeit unser Angebot mit kleineren Veranstaltungen, vor allem aber Ausstellungen auszuweiten. Gerade in einer Zeit, in der queere Themen wieder vermehrt zum politischen Spielball rechter Ideologien und Parteien werden, freuen wir uns sehr, für diese Kultur-, Integrations- und Bildungsarbeit auch räumlich mehr Platz anbieten zu können.“
„Der Verein sammelt, archiviert und beforscht die queere Geschichte Wiens und Österreichs seit beinahe fünfzehn Jahren. Die Tätigkeit beinhaltet den Aufbau und Betrieb einer Bibliothek und eines Archivs sowie die Durchführung wissenschaftlicher Forschungsprojekte zur queeren Geschichte und Kultur in Wien und Österreich. Und das auf hohem Niveau: So, wie es Wien als Metropole und als Regenbogenhauptstadt gebührt", freut sich WASt-Leiter Wolfgang Wilhelm über den Ausbau und die "seit jeher ausgezeichnete Zusammenarbeit der WASt mit dem Verein und seinen Mitarbeiter*innen".
Durch die Zurverfügungstellung von Materialen unterstützt der Verein die kritische, wissenschaftliche Behandlung der Themenlage sowie konkret Wissenschafter*innen im Rahmen von Praktika im Archivwesen und bei Recherchen. Anfragen von Forscher*innen von Universitäten aus Deutschland, der Schweiz, Großbritannien, den USA oder Australien langen bei QWIEN ein und unterstreichen die Reputation und einzigartige Kompetenz des Vereins. QWIEN ist auch Teil eines Netzwerks queerer Archive im deutschsprachigen Raum.
QWIEN betreibt eine öffentlich zugängliche Forschungsbibliothek mit mehr als 8.000 Titeln zu queeren Themen, die ein breites Spektrum abdecken. QWIEN besitzt mit über 500 Titeln aus über 50 Ländern die umfangreichste Sammlung an queeren Zeitschriften in Österreich, die einen Zeitraum von den 1950er Jahre bis heute abdecken.
Im QWIEN Archiv werden persönliche und institutionelle Zeugnisse zur queeren Kultur und Geschichte verwahrt. Dazu gehören Materialien bekannter Persönlichkeiten aber auch private Nachlässe und Sammlungen von Institutionen, Materialien zur NS-Verfolgung Homosexueller oder zur jüngeren queeren Geschichte. Teilsammlungen von Forschungsnachlässen erlauben einen Einblick in Lebenswelten von den 1950er bis in die 1970er Jahre. Mit der Übernahme des Archivs der Aids-Hilfe Wien und des Buddy Vereins stellt QWIEN die umfassendste Sammlung zu Aids in österreichischen Archiven für die Forschung zur Verfügung. Der Verein betreut als Dauerleihgabe das „Archiv der Österreichischen Liga für Menschenrechte“, das in einem eigenen Katalog erschlossen und für die Forschung zugänglich ist. Es stellt ein wichtiges Archiv zur österreichischen Geschichte nach dem 2. Weltkrieg dar, in dem die politischen Diskussionen von Minderheitenfragen und Fragen der Menschenrechtspolitik nachvollziehbar werden.
Ein zentrales Forschungsfeld ist die Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung von Homosexuellen und Transpersonen. Mit Unterstützung des Nationalfonds der Republik für die Opfer des Nationalsozialismus und des Zukunftsfonds Österreich erstellte QWIEN eine Datenbank zur „Namentlichen Erfassung der homosexuellen und transgender Opfer des Nationalsozialismus in Wien“, die seit dem Abschluss vor allem der universitären Forschung zur Verfügung steht.
Die Sensibilisierungs- und Bildungstätigkeit des Vereins liegt in der Vermittlung queerer Geschichte auf verschiedenen Ebenen begründet. Auf Wien beschränkt sind queere Stadtspaziergänge, die queere Geschichte unmittelbar und niederschwellig erlebbar machen. Auf internationaler Ebene wurde eine wissenschaftliche Beratung der Ausstellung „To be seen“ im NS-Dokumentationszentrum München durchgeführt. Öffentlichkeitsarbeit wird auch über die Zusammenarbeit mit den großen Leitmedien des Landes wahrgenommen: Mitarbeiter*innen von QWIEN werden in Sendungen des ORF und auch Arte (Association Relative à la Télévision Européenne) geladen.
Quelle: Stadt Wien