Schuldenreport: Teuerung treibt Menschen in Überschuldung
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An 69 Standorten in Österreich steht die staatlich anerkannte Schuldenberatung kostenlos mit Rat und Tat zu Verfügung. Der Bedarf ist so hoch wie schon lange nicht mehr.
Der Schuldenreport gibt jährlich einen umfassenden Überblick über die Situation der Schuldenberatungen und ihrer Klientel. Die Dachorganisation der staatlich anerkannten Schuldenberatungen, die ASB Schuldnerberatungen GmbH (asb), bereitet darin zahlreiche Daten aus dem Jahr 2023 auf. Präsentiert wurde er heute bei einer Pressekonferenz.
2023 gab es um 17 % mehr Erstkontakte als im Jahr davor – das ist der Höchstwert seit zwölf Jahren. Ratsuchende sind durchschnittlich mit rund 55.000 Euro verschuldet. Eine Erhebung zeigt, dass sich Schulden etwa alle acht Jahre verdreifachen, wenn keine Rückzahlung erfolgt. Zinsen, Zinseszinsen, Anwalts- und Inkassokosten sowie Gebühren sorgen für diese Explosion der offenen Schuldbeträge.
Überschuldungsgründe
32 % der Klient*innen gaben „Arbeitslosigkeit und Einkommensverschlechterung“ als Überschuldungsgrund an. 21 % nannten „Umgang mit Geld / mangelnde Finanzbildung“. Weitere 18 % hatte eine ehemalige Selbstständigkeit in die Überschuldung geführt. „Alarmierend bei den aktuellen Daten ist, dass bereits jede achte Person hohe Lebenshaltungskosten und Wohnungskosten als Überschuldungsgrund nennt“, sagt Clemens Mitterlehner, Geschäftsführer der Dachorganisation asb. „Gerade Lebenshaltungskosten und Wohnungskosten sind stark vor dem Hintergrund der Teuerungen zu sehen. Dieser Wert ist zweieinhalb-mal so hoch als im Jahr davor“, so Mitterlehner.
Referenzbudgets als Armutsmaß
Mehr als ein Drittel der Klient*innen der Schuldenberatungen hatte ein Einkommen unter dem Existenzminimum (Grundbetrag 2023: 1.110 Euro). Vergleicht man den Betrag des Existenzminimums mit den jährlich von der asb erhobenen Referenzbudgets, wird klar, dass Menschen mit Schulden sehr häufig in Armut und in existentiellem Mangel leben müssen. Der aktuelle Wert liegt derzeit bei monatlich 1.730 Euro für eine alleinstehende Person. Die Referenzbudgets zeigen, welcher Betrag für ein gutes, angemessenes Leben inklusive eines Minimums an sozialer und kultureller Teilhabe notwendig ist.
Was muss geschehen? – Vorschläge der Schuldenberatung
- Der Explosion von Schuldbeträgen bei Nichtzahlung muss Einhalt geboten werden. Es braucht eine Obergrenze – Schulden sollen sich durch Zinsen und Kosten maximal verdoppeln dürfen.
- Wir erteilen Plänen, die AMS-Nettoersatzrate abzusenken, eine klare Absage. Um Überschuldung zu verhindern, muss die Nettoersatzrate hingegen auf 70 % erhöht werden.
- Im Lichte der Teuerung wird immer klarer, dass ein Auskommen mit dem Existenzminimum kaum mehr möglich ist. Das Existenzminimum muss auf die Höhe der Referenzbudgets angehoben werden, um Menschen mit Schulden ein menschenwürdiges Leben und ein Mindestmaß an sozialer und kultureller Teilhabe zu ermöglichen.
- Die drohende Verschärfung des Insolvenzrechts für Privatpersonen muss abgewendet werden. Eine Verlängerung der Verfahrensdauer auf fünf Jahre ab Mitte 2026 steht im Raum.
Rauch für strukturelle Reformen
„Die Krisen der vergangenen Jahre haben Menschen, die zuvor schon Schulden hatten, besonders hart getroffen. Vor allem die Preissteigerungen bei Lebensmitteln, Mieten und Energie haben die Situation vieler Menschen verschärft“, weiß Sozialminister Johannes Rauch. Der Bundesregierung habe deshalb rasche Maßnahmen gesetzt und damit vielen Menschen ihr Auskommen gesichert.
Rauch: „Die Bundesregierung hat insgesamt über 40 Milliarden Euro in die Hand genommen, um den Menschen in Österreich rasch zu helfen. Das Paket gegen Kinderarmut bringt allen armutsgefährdeten Familien 60 Euro pro Kind und Monat. Der Wohnschirm hilft in akuten Notsituationen. Auch die Valorisierung der Sozial- und Familienleistungen und das deutliche Plus für Mindestpensionist*innen waren wichtige Unterstützungsmaßnahmen.“ Die im Vorjahr diskutierte Senkung des Arbeitslosengeldes habe er verhindert, betont der Sozialminister.
In den kommenden Jahren seien strukturelle Reformen nötig, die Armut in Österreich verhindern. Er plädiert für eine Kindergrundsicherung und eine Mindestsicherung anstelle der bestehenden Sozialhilfe. Auch eine Anhebung des Existenzminimums befürwortet der Sozialminister.
Bessere Daten zur Schuldensituation
Aufgrund des erhöhten Andrangs bei den Schuldenberatungen hat das Sozialministerium zwischen 2021 und 2024 fast 1,4 Millionen Euro an Sonderförderungen zur Verfügung gestellt. Diese Unterstützung erfolgt zusätzlich zur regulären Förderung, die bis Ende 2025 gesichert ist.
Verbessern wird sich in den nächsten Jahren die Erhebung von Daten zur Schuldensituation. Das Sozialministerium hat dazu die Einkommens- und Lebensstatistikverordnung novelliert. Damit können Exekutionsdaten künftig anonymisiert mit anderen Statistik- und Verwaltungsdaten verknüpft werden. Das erlaubt fundiertere Aussagen zum Vorliegen einer Überschuldung. Auch regionale Auswertungen werden möglich sein. Ende des Jahres wird erstmals eine Erhebung zur Überschuldung vorliegen, die das Sozialministerium gemeinsam mit der Statistik Austria umsetzt. Sie wird künftig jährlich veröffentlicht. Damit können sozialpolitische Maßnahmen und Reformen noch treffsicherer geplant werden.
Einen Schwerpunkt setzt das Sozialministerium in diesem Jahr auf die Finanzbildung von Frauen. Auch die Mittel dafür werden aufgestockt. „Prävention zahlt sich insbesondere bei Überschuldung mehrfach aus“, ist Rauch überzeugt. „Die finanzielle Unterstützung von Betroffenen ist nur nachhaltig, wenn parallel dazu auch die Finanzbildung ausgebaut wird und Beratungsangebote der Schuldnerberatung zur Verfügung stehen.“
Der Schuldenreport 2024 steht unter www.schuldenberatung.at/service-downloads zum Download bereit.
Neues Webportal der Schuldenberatungen: www.schuldenberatung.at
Quelle: OTS