Tirol: Sorgen und Ängste von der Seele reden

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Soziallandesrätin Gabriele Fischer und Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg präsentieren die Zwischenbilanz nach rund 100 Tagen Psychosozialer Krisendienst.
Foto: Land Tirol/Gratl
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Appellieren an alle betroffenen Menschen, das Angebot des Psychosozialen Krisendiensts in Anspruch zu nehmen: v.li. Christian Haring, LRin Gabriele Fischer, LR Bernhard Tilg und Karl-Heinz Alber.
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v.li.: Karl-Heinz Alber (Verein PSP Tirol), LRin Gabriele Fischer, LR Bernhard Tilg und Christian Haring (Verein Suchthilfe Tirol)
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30 Jän 14:00 2021 von Redaktion International Print This Article

Viele hilfesuchende Menschen nehmen Psychosozialen Krisendienst in Anspruch

Seit rund 100 Tagen sind die Telefonleitungen des Psychosozialen Krisendienstes freigeschaltet für die Sorgen, Probleme und Ängste jener Menschen, die sich in seelischen Notsituationen oder Krisen befinden. „Was als Corona-Sorgen-Hotline im Frühjahr des vergangenen Jahres begonnen hat, wurde seit Oktober 2020 als Psychosozialer Krisendienst in Zusammenarbeit mit der ÖGK, der BVAEB und der SVS als telefonische Anlaufstelle über die Pandemie-Zeit hinaus weitergeführt. Ich möchte mich direkt an jene Menschen wenden, die Gefühle von Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit empfinden oder an Ängsten und Sorgen leiden: Es gibt Hilfe und Beratung. Es gibt jemanden, der zuhört. Sie sind nicht allein mit ihren Problemen“, betont Soziallandesrätin Gabriele Fischer. Denn außergewöhnliche Situationen, wie man sie aktuell erlebt, oder auch ganz individuelle psychische Probleme können meist allein nicht bewältigt werden. „Unter der Telefonnummer 0800 400 120 haben Menschen am anderen Ende der Leitung ein offenes Ohr für Rat- und Hilfesuchende, sie stehen ihnen zur Seite und besuchen sie notfalls auch persönlich – scheuen auch Sie sich nicht, zum Hörer zu greifen“, appelliert LRin Fischer.

„Die Corona-Pandemie kann negative Folgen mit sich bringen, die sich nicht unmittelbar auswirken, aber umso tiefsitzender sind: Die Pandemie verstärkt Gefühle der Angst und Sorge und kann aufgrund der sozialen Kontaktbeschränkungen gleichzeitig zu Vereinsamung führen bzw. Zweifel aufkommen lassen, sich Hilfe und Unterstützung zu holen. Doch trotz der aktuellen Gesundheitskrise darf nicht auf die seelische Gesundheit vergessen werden. Mit dem psychosozialen Krisendienst haben wir eine niederschwellige Anlaufstelle geschaffen, die jederzeit verfügbar ist. Gerade durch die telefonische Erreichbarkeit werden die Hürden, eine Beratung in Anspruch zu nehmen, maßgeblich verringert“, ist Gesundheitslandesrat Bernhard Tilg überzeugt.

„Die psychische Gesundheit der Bevölkerung ist der ÖGK ein zentrales Anliegen, denn insbesondere in Zeiten großer Unsicherheit besteht erhöhter Unterstützungs- und Beratungsbedarf für Menschen in besonderen Lebenssituationen und mit akuten psychischen Schwierigkeiten. Es ist in unserem Interesse, Angebote mit niederschwelligem Zugang für Menschen in einer psychischen Krise weiter auszubauen und besonders an Wochenenden ein Angebot zu schaffen, wo andere Versorgungsstrukturen nicht umfassend erreichbar sind“, erklärt Werner Salzburger, Tiroler ÖGK-Landesstellenausschuss-Vorsitzender. Arno Melitopulos-Daum, Bereichsleiter für Versorgungsmanagement bei der ÖGK ergänzt: „Ziel des psychosozialen Krisendienstes ist es, professionelle Hilfe für eine Erstabklärung leicht zugänglich zu machen. Dabei wird eine Gefährdungseinschätzung und Krisenintervention vorgenommen. Gleichzeitig wird – wenn notwendig – in Absprache mit dem Patienten oder der Patientin eine Weiterbehandlung koordiniert.“

Covid-19-Pandemie wirkt sich auf die Psyche aus

Viele Menschen sind auf vielfache Weise von der Covid-19-Pandemie betroffen, dies lasse sich auch bei den eingehenden Anrufen ablesen, bestätigt Christian Haring vom Verein Suchthilfe Tirol, der gemeinsam mit Karl-Heinz Alber vom Verein Psychosozialer Pflegedienst Tirol (PSP Tirol) das Projekt Psychosozialer Krisendienst leitet. Sei es die Angst vor Ansteckung, der damit einhergehende Verlust der Arbeitsfähigkeit oder Arbeitslosigkeit und finanzielle Probleme – die Folgen der Pandemie belasten viele Anruferinnen und Anrufer. Weitere Auslöser psychischer Probleme sind soziale Isolation oder die Kontakteinschränkungen, die Treffen mit nahen Verwandten und Freunden verhindern. „Menschen, die bereits vorher psychische Probleme hatten, erfahren zusätzlichen Stress und Druck, was bei vielen zu einer Verstärkung ihrer Symptome führt“, erläutert Haring. Durch den Lockdown gehe die Tagesstruktur verloren, was zu einer depressiven Reaktion und bei Menschen mit Suchtproblematik zu einem gesteigerten Konsummuster führen kann.

„Menschen sind üblicherweise in der Lage, sich auf krisenhafte Situationen einzustellen. Was diese Krise aber so besonders macht, ist die Dauer und die sich fortlaufend ändernden Umstände, verbunden mit der Notwendigkeit, sich anzupassen – das stellt eine besondere Herausforderung dar“, weiß Haring. Viele seien dieser Situation gewachsen, einigen erwachsen aber daraus Probleme, für die auch das Angebot des Krisendienstes besonders wichtig sei. Denn je nach Dauer der Pandemie können die Folgen beträchtlich werden und die Dauer einer individuellen Neuanpassung Monate und unter Umständen Jahre dauern. „Wichtig ist, rechtzeitig Hilfe und Unterstützung anzunehmen, um sich durch diese Zeit begleiten zu lassen und dadurch Folgeerscheinungen möglichst gering zu halten“, ruft Haring betroffene Menschen auf, das Angebot des Psychosozialen Krisendienstes in Anspruch zu nehmen.

Zwischenbilanz des Psychosozialen Krisendienstes

Die Nachfrage am psychosozialen Krisendienst ist seit Bestehen dieses Angebots stetig gewachsen:
„Inzwischen gehen wöchentlich im Durchschnitt rund 90 Anrufe ein“, berichtet Karl-Heinz Alber vom PSP Tirol. Rund ein Drittel der AnruferInnen (34 Prozent) leiden unter psychischen Problemen – hauptsächlich sind es Depressionen und Ängste vor Krankheit oder Zukunfts- bzw. Existenzängste. Ein Fünftel der hilfesuchenden Menschen leiden unter Einsamkeit und Kontaktschwierigkeiten. „Ein großes Thema ist natürlich auch die Situation rund um die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie – 19 Prozent der Anruferinnen und Anrufer fühlen sich aufgrund der aktuellen Situation sehr belastet und suchen Rat und Hilfe“, so Alber weiter. 16 Prozent der Gespräche drehen sich um Konflikte im sozialen Nahbereich. Selbstmordgedanken bis hin zum Selbstmordversuch werden bei vier Prozent der Anrufe verzeichnet. Die restlichen sieben Prozent der Anrufe behandeln Suchtprobleme und Alltagssorgen wie Arbeit/Ausbildung, Finanzen oder die Wohnsituation.

Insgesamt neunmal seit Bestehen des Psychosozialen Krisendienst wurden zwölf akut hilfesuchende Menschen zu Hause betreut. „In diesen Fällen ging es vorrangig um erfolgreiche Krisenintervention. Allerdings lehnten manche Anrufer und Anruferinnen aufgrund der Corona-Situation Besuche zu Hause ab“, informiert Alber.

Wenn ein Anruf nicht in das Setting der Beratungsgespräche fällt, wird versucht, an die passenden Versorgungsstrukturen zu verweisen. So wurde rund ein Drittel der Anrufe aufgrund der Thematik an Institutionen wie etwa die AGES bei Fragen rund um das Coronavirus weitergeleitet.

Aus den rund 1180 restlichen Gesprächen (Stand 25.1.2021) entwickelten sich ca. 580 längerdauernde Krisengespräche. Daraus ergaben sich 82 spezifische Weiterleitungen an Psychosoziale Einrichtungen, 68 an PsychotherapeutInnen, 52 an FachärztInnen/Fachärzte für Psychiatrie und 43 an HausärztInnen/Hausärzte.

Erreichbarkeit Psychosozialer Krisendienst:

Nummer: 0800 400 120
Montag bis Donnerstag: 8 bis 20 Uhr
Freitag: 8 bis 16.30 Uhr
Wochenende: rund um die Uhr (ab Freitag 16.30 bis Montag 8 Uhr)
Feiertage: 8 bis 20 Uhr


Quelle: Land Tirol



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