Graz: StadtDialog - Die Radoffensive bewegt
Radfahren ist eine Freiluft-Aktivität, was auch besondere Herausforderungen bereit hält. Das erlebten sowohl Vortragende als auch das Publikum beim zweiten Grazer StadtDialog – diesmal zur Zukunft des Radverkehrs – von Haus der Architektur (HDA), Ziviltechniker:innenkammer und Stadt Graz hautnah. Wegen Unwetter und Hagel startete die Veranstaltung im gut gefüllten Space04 des Grazer Kunsthauses zwar etwas später, dafür aber umso intensiver. Vizebürgermeisterin Judith Schwentner bedankte sich bei den Anwesenden und strich ihr Bestreben hervor, besonders der aktiven Mobilität mehr Platz einzuräumen: „Die Radoffensive widmet sich der Verbesserung der Infrastruktur. Mobilitätsplanung ist auch immer Stadtplanung. Man darf aber auf den sozialen Faktor nicht vergessen. Sp planen wir, dass jedes Grazer Kind kostenlos ein Fahrrad bekommt. Das ist das eine. Zum andere müssen wird aber gerade für sie und alle anderen die Sicherheit im öffentlichen Raum erhöhen. Ich bin mir sicher, dass ich von Ihren Beiträgen heute lernen kann."
Stadtbaudirektor Bertram Werle startete seine Begrüßung mit einem Zitat des Grazer Radfahrbeauftragten, Helmut Spinka: >>Alles was leicht geht, haben wir schon umgesetzt.<< „Mit der Radoffensive, mit der wir gemeinsam mit dem Land Steiermark vorankommen wollen, geht es nun vom Lückenschluss- zum Netzdenken. Das ist gut investiertes Geld, wenn wir den Modal Split hin zur aktiven Mobilität verändern wollen. Und im Vergleich zu anderen Verkehrsmaßnahmen ist es auch günstig."
Für den erkrankten Schweizer Radverkehrsexperten Urs Walter sprang der Leiter des Grazer Verkehrsplanung, Wolfgang Feigl ein und präsentierte die städtische Strategie, wobei er eine Lanze für die Grazer Bürgerinnen und Bürger brach: „Die Bevölkerung ist in vielen Bereichen schon weiter, als viele glauben. Die Menschen wollen, dass der Rad-, Fuß- und öffentliche Verkehr ausgebaut wird. Und wir dürfen nicht vergessen, dass wir nicht für unsere Ansprüche, sondern für die der nächsten Generationen planen." Fünf Kernpunkte in der Betrachtung strich er dabei besonders heraus:
- Tolle Konzepte versus gesetzliche Rahmenbedingungen
- Planung über Stadtgrenzen hinaus
- Flächenverteilung des gewachsenen öffentlichen Raumes
- Gute Lösungen brauchen gute Kommunikation
- Es geht zu langsam – Geduld.
In diesem Spannungsverhältnis bewegt sich die Verkehrsplanung, wobei es auch darum gehe, Ängste abzubauen. „Es kann der lokalen Wirtschaft nichts Besseres passieren, als dass es in der Nähe eine Begegnungs- oder Fußgängerzone oder einen Radweg gibt. Rund 40 Prozent gibt ein Radfahrer mehr aus als ein Pkw-Lenker", rechnet Feigl vor, bevor er über aktuelle Radwegvorhaben, wie in der St. Peter-Hauptstraße oder in der Puchstraße und Sturzgasse berichtete.
Als zweiter Vortragender fand Stefan Bendiks, Architekt und Geschäftsführer Artgineering Brüssel/Graz sowie Radverkehrsplaner klare Worte: „Wir haben für die Stadt Graz einen Masterplan für die Radoffensive erstellt, wobei man ganz ehrlich sagen muss: Wenn der Radverkehrsanteil von derzeit 20 auf 30 Prozent gesteigert werden soll – und zwar nicht auf Kosten der Fußgänger oder des öffentlichen Verkehrs – dann geht das auf Kosten des motorisierten Individualverkehrs. Was es dafür braucht? Gute Regelwerke wie Gesetze. Die geänderte StVO ist ein Schritt dorthin. Dann das Budget, das ist mit 100 Millionen Euro bis 2030 geplant ist, sowie kompetente Menschen und MUT auf allen Ebenen. Entscheidungen müssen getroffen werden, auch gegen Widerstände."
Bei der anschließenden Podiumsdiskussion bescheinigte Freiraumplanerin Klaudia Heinrich von der freiland Umweltconsulting ZT GmbH der Stadt deutliche Fortschritte: „Was uns am Anfang noch viel Überzeugungsarbeit kostete, ist nun bereits viel einfacher. Ich nenne da nur die vielen Baumstandorte im Stockholmsystem, die im Rahmen von Geh- und Radwegausbauten mitgeplant und umgesetzt werden. Die sind in der Anschaffung vielleicht teurer, haben aber den Vorteil, dass die Bäume auf relativ wenig Platz klimafit wachsen können."
Bei der anschließenden Diskussion mit dem durchwegs radaffinen Publikum konnte Moderator Wolf-Timo Köhler, Leiter des Referats für Bürger:innenbeteiligung, etliche Interessierte zu Wort kommen lassen, die durchaus kritisch die städtischen Handlungsweisen hinterfragten und auch auf Missstände auf Grazer Wegen, Straßen und Plätzen hinwiesen.
Im Anschluss bot Geschäftsführerin Beate Engelhorn im Haus der Architektur noch die Möglichkeit, sich bei gemütlichem Zusammensein auszutauschen und weiter zu diskutieren.
Quelle: Stadt Graz