Wien: Städtebund - Öffi-Ausbau finanziell & rechtlich absichern - Finanzausgleichsverhandlungen nutzen

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Wien

04 Jul 15:00 2023 von Redaktion Salzburg Print This Article

Städtebund warnt mit neuer Studie vor Scheitern der Mobilitätswende und fordert rasche Lösungen im FAG und Spezialgesetz zur Öffi-Finanzierung

In der momentan angespannten finanziellen Lage der Städte werden Investitionen in den Öffi-Infrastrukturausbau zurückgestellt, um die steigenden Betriebskosten aufgrund steigender Fahrgäste, Energie- und Personalkosten decken zu können. Konkret ist der Anteil der Investitionen an den gesamten Ausgaben für den öffentlichen Verkehr von 2016 bis 2021 um ein Drittel zurückgegangen und liegt nunmehr nur noch bei 15 Prozent. 85 Prozent der Ausgaben der Städte für den ÖV fließen somit in den Betrieb.

Der Österreichische Städtebund beauftragte das KDZ – Zentrum für Verwaltungsforschung – bereits zum fünften Mal mit der Erhebung der Einnahmen und Ausgaben der Städte und städtischen Verkehrsbetriebe im Bereich des öffentlichen Verkehrs. Erhoben wurden die bisherigen Entwicklungen 2016 bis 2021 sowie die mittelfristige Finanzplanung bis zum Jahr 2025 der Städte Bregenz, Graz, Innsbruck, Klagenfurt, Klosterneuburg, Linz, Salzburg, St. Pölten, Steyr und Villach.

Das Fazit der Studie: Die Nettoausgaben der Städte für den städtischen öffentlichen Verkehr erhöhten sich binnen vier Jahren um fast ein Viertel. Die Ausgaben stiegen doppelt so stark wie die Einnahmen. Die Investitionen in die Öffi-Infrastruktur reduzierte sich um ein Drittel, um die steigenden Betriebskosten aufgrund steigender Fahrgäste, Energie- Personalkosten stemmen zu können. Nicht alle Bundesländer leiten die Bundesmittel zur Kompensation der regionalen Klimatickets tatsächlich an die erlösverantwortlichen (städtischen) Verkehrsunternehmen weiter. Während der Zuschussbedarf zum öffentlichen Verkehr in den Vorkrisenjahren noch bei 36 bis 41 Prozent lag, soll sich dieser bis 2025 auf ca. 50 Prozent erhöhen. Ein immer höherer Anteil muss daher aus dem allgemeinen Gemeindebudget finanziert werden.

„Die Zahlen zeigen uns, dass ohne Gegensteuerungsmaßnahmen zu erwarten ist, dass für die Mobilitätswende nötige Investitionsprojekte in den Ausbau von Infrastruktur und Angebot im ÖPNV verschoben oder reduziert werden müssen,“ sagt Karoline Mitterer, Finanzexpertin des KDZ und Autorin der Studie.

„Dieses Bild ist dramatisch,“ so Thomas Weninger, Generalsekretär des Österreichischen Städtebundes: „Wir wissen, dass wir heute den öffentlichen Verkehr ausbauen müssen, um die neuen Fahrgäste von morgen transportieren zu können. Aber wir fahren die Investitionen zurück, damit wir die steigenden Betriebskosten – auch aufgrund steigender Fahrgastzahlen – irgendwie stemmen können. Die ohnehin schon schwierige Situation wird noch dadurch verstärkt, dass auch die Kompensationszahlungen des Bundes für die regionalen Klimatickets nicht in allen Bundesländern an die Städte weitergeleitet werden. Das alles zeigt, dass wir sehr schnell ein neues System zur Finanzierung des öffentlichen Verkehrs – vor allem in den Städten und Stadtregionen – auf den Weg bringen müssen, wenn die Mobilitätswende gelingen soll.“

Studienautorin Karoline Mitterer (KDZ) schlägt daher vor: „Mit dem bestehenden Finanzierungssystem mit seinen Planungs- und Finanzierungsdefiziten im städtischen ÖPNV wird die Mobilitätswende nicht gelingen. Es sollte daher nicht verabsäumt werden, diese Thematik in den aktuellen Finanzausgleichsverhandlungen zu diskutieren und Lösungen für eine gesetzlich abgesicherte, zukunftsfähige Finanzierung des städtischen und stadtregionalen öffentlichen Verkehrs zu finden.“

Finanzausgleich als Auftakt und Anker für ÖV-Finanzierungsgesetz nutzen!

Angesichts der Dringlichkeit bei der Umsetzung von Klimaschutzmaßnahmen fordert der Österreichische Städtebund eine Bereitstellung zusätzlicher finanzieller Mittel für die Absicherung und den Ausbau der städtischen ÖV-Angebote im Rahmen des nächsten Finanzausgleichsgesetzes. Ziel muss eine gesetzlich abgesicherte sowie zukunftsfähige Finanzierung des städtischen ÖV sein.

Konkret werden kurzfristig eine Verdoppelung und eine stärker leistungsbezogene Verteilung der bisherigen Bundeszuschüsse zum laufenden Betrieb gemäß § 23 FAG 2017 gefordert. Entsprechende Vorschläge für eine Neuverteilung der Mittel liegen vonseiten des Österreichischen Städtebundes bereits vor. Darüber hinaus braucht es schnelle Lösungen (Förderschiene) für die Finanzierung von städtischen Betriebshöfen, welche für die Dekarbonisierung der Busflotten notwendig sind. Dies wäre ein wichtiger Schritt, um ein Scheitern der Dekarbonisierungserfordernisse im Bereich der Stadtbusse zu vermeiden. Eine an das Finanzausgleichsgesetz geknüpfte Arbeitsgruppe sollte schnell eingerichtet werden und eine transparente, verursachergerechte, effiziente und wirkungsorientierte Finanzierungsstruktur für den ÖPNRV erarbeiten. Ziel sollte ein Gesetz zur ÖPNV-Finanzierung sein, welches die bestehenden Transferströme bündelt und nach objektiven und leistungsbezogenen Maßstäben an die Länder und Städte weiterleitet. Die Finanzierung sollte dabei so ausgestaltet sein, dass sowohl der laufende Betrieb bestritten werden kann als auch Spielräume für Investitionen entstehen. So braucht es parallel zu einer transparenten und leistungsbezogenen Grundfinanzierung auch rechtlich abgesicherte finanzielle Planungssicherheit im Bereich der ÖPNRV-Infrastrukturinvestitionen, um die nötigen Infrastrukturausbaubedarfe zeitgerecht in Angriff nehmen zu können. Konkret wird ein stadtregionaler ÖV-Infrastrukturinvestitionsfonds empfohlen. Orientierung kann hierbei der Agglomerationsfonds in der Schweiz geben. Demnach ist bei der Projektbewertung ein wirkungsorientierter Ansatz zu favorisieren, welcher auf das volkswirtschaftliche Kosten-Nutzen-Verhältnis der eingereichten Projekte abstellt. Die Finanzierung des Fonds sollte verursachergerecht im Sinne der Zusammenführung von Input- und Impactsteuerung – etwa entsprechend den Grundsätzen des „Green Budgeting“ – vorgenommen werden. Die Dotierung könnte durch den Entfall von kontraproduktiven Subventionen (z.B. Pendlerpauschale, Steuerbegünstigung Diesel) oder durch die Zweckwidmung bestehender Abgaben (z.B. CO2-Abgabe) erfolgen.

Dazu Städtebund-Generalsekretär Thomas Weninger: „Ob die Mobilitätswende gelingt oder nicht, wird sich in den Städten und Stadtregionen entscheiden. Wir sind am Scheideweg: die Städte müssen in den aktuellen FAG-Verhandlungen positive Signale bekommen, dass Bund und Länder sie rechtlich und finanziell in die Lage versetzen, ihren Part bei der Mobilitätswende wahrzunehmen.“

Hintergrund - Mobilitätswende erfordert Öffi-Ausbau

Der Sektor Verkehr ist für ein Drittel aller Treibhausgas-Emissionen in Österreich verantwortlich und der am stärksten steigende Sektor (plus 58 Prozent Personenverkehr 1990-2021). Gemäß „Mobilitätsmasterplan des Bundes“ müssen die Verkehrsleistung im ÖPNV bis 2030 verdoppelt werden. Damit könnte mehr als 50 Prozent des Minderungsziels im Verkehr erreicht werden.

Hierfür sind allein in den großen Landeshauptstädten nach Erhebungen des Städtebundes bis 2025 Investitionsbedarfe für Flottenerneuerung, Angebotsausweitungen und Kapazitätsausweitungen in Höhe von ca. 1,9 Mrd. Euro ausgemacht. Nach ersten Schätzungen ist mit Investitionsbedarfen von ca. 3,84 Mrd. Euro für den Zeitraum 2026-2030 zu rechnen. Allerdings stehen die Städte derzeit aufgrund steigender Fahrgäste (Klimaticket) und bundesrechtlicher Erfordernisse zur Umrüstung ihrer Fuhrparks derzeit dermaßen unter Druck, dass die erforderlichen Infrastrukturinvestitionen hintangestellt werden, um den laufenden Betrieb decken zu können.

Studie als Download und Städtebund-FAG-Position

Hier die Studie „Finanzierung des ÖPNV in österreichischen Städten“ als Download: https://www.staedtebund.gv.at/themen/mobilitaet/publikationen

Hier die Position des Österreichischen Städtebundes im Rahmen der laufenden FAG-Verhandlungen: https://www.staedtebund.gv.at/fileadmin/USERDATA/themenfelder/finanzen/fag2024/Positionspapier_OEV_FAG_FINAL_.pdf


Quelle: Stadt Wien



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